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· Fachbeitrag · Erbscheinsverfahren

Testierunfähigkeit im Erbscheinsverfahren

von RA Dr. Thomas Papenmeier, FA Erbrecht, Chemnitz

| Bezüglich der Testierfähigkeit muss das Nachlassgericht die Zeugen in Gegenwart des Sachverständigen vernehmen und ihre konkreten Wahrnehmungen herausarbeiten. Dies hat das OLG Dresden aktuell entschieden. |

 

Sachverhalt

Die Erblasserin (E) und ihr vorverstorbener Ehemann (M) errichteten zwei Testamente. Im ersten wurden zwei Stieftöchter, im zweiten zusätzlich zwei Brüder der E als Miterben zu je 1/4 eingesetzt. Im Erbscheinsverfahren wurde über die Testierfähigkeit von E und M beim zweiten Testament gestritten. Das Nachlassgericht holte Stellungnahmen des Hausarztes und des Pflegedienstes und Unterlagen des Krankenhauses ein. Ein Sachverständigengutachter stellte keine Testierunfähigkeit fest. Eine Stieftochter beantragte dessen mündliche Vernehmung. Das Nachlassgericht wies ihren Erbscheinsantrag zurück, ohne den Sachverständigen oder die Zeugen zu vernehmen. Die Stieftochter legte erfolgreich Beschwerde ein (OLG Dresden 25.1.19, 17 W 1000/18, Abruf-Nr. 206974).

 

Entscheidungsgründe

Bezüglich der Frage, ob die E oder der M testierunfähig waren, als sie das zweite Testament errichteten, muss das Gericht deren konkret auffällige Verhaltensweisen und den medizinischen Befund klären. Es durfte die Zeugen schriftlich befragen und ein Gutachten einholen. Die Pflegekräfte hatten auf erhebliche Einschränkungen der geistigen Leistungsfähigkeit hingewiesen. Der Sachverständige hatte dies aber unbeachtet gelassen, weil genaue zeitliche Zuordnungen fehlten. Die Hausärztin hielt die Erblasser für eingeschränkt testierfähig. Der Sachverständige berücksichtigte auch diese Einschätzung mangels Begründung nicht. Dies reicht aber nicht. Die Zeugen und die Hausärztin sind als Erkenntnisquelle noch nicht ausgereizt. Das Nachlassgericht muss diese in Gegenwart des Sachverständigen vernehmen. Es muss den Sachverständigen laden, damit die Stieftochter Einwendungen gegen sein Gutachten erheben und ihn befragen kann. Dies ist erforderlich, um rechtliches Gehör zu wahren.

 

Gem. dem Sachverständigen hatte M den Überblick über komplexe Fragen verloren. Dies ist aber dadurch kompensiert worden, dass er den Entscheidungen der E vertraute. Dies reicht nicht für eine Testierunfähigkeit.

 

Relevanz für die Praxis

Das Erbscheinsverfahren kann an das Nachlassgericht zurückverwiesen werden, wenn es noch nicht in der Sache entschieden hat (§ 69 Abs. 1 S. 2 FamFG), was hier aber der Fall war. Nach S. 3 der Vorschrift ist eine Rückverweisung möglich, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und eine umfangreiche Beweiserhebung notwendig wäre. Es bedarf aber eines Antrags.

 

Es hat sich bewährt, wenn das Gericht Krankenunterlagen beschafft und in einem Termin alle Zeugen in Gegenwart des Sachverständigen vernimmt.

Quelle: Ausgabe 05 / 2019 | Seite 79 | ID 45859707