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· Fachbeitrag · Gesetzliche Krankenversicherung

Krankenkasse muss GPS-Alarm für behinderte Person mit Weglauftendenz erstatten

| Das LSG Niedersachsen-Bremen hat entschieden, dass eine fixierbare GPS-Uhr mit Alarmfunktion ein Hilfsmittel zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung sein kann. |

 

Sachverhalt

In dem Fall ging es um einen Mann mit geistiger Behinderung und Weglauftendenz. Sein behandelnder Arzt beantragte bei der Krankenkasse eine GPS-Notfalluhr, die Alarm auslöst, sobald er einen definierten Aufenthaltsbereich verlässt. Die Uhr sei erforderlich, da er sich durch Orientierungslosigkeit selbst gefährde und in der Tagesförderungsstätte nicht ständig beaufsichtigt werden könne. Herkömmliche Notrufsysteme habe er bislang eigenständig entfernt; dieses Gerät könne jedoch an seinem Handgelenk fixiert werden.

 

Die Krankenkasse hielt die Uhr für kein Mittel des Behinderungsausgleichs. Nach ihrer Ansicht seien Mechanismen wie abgeschlossene Türen und ständige Begleitung vorrangig. Das Gerät erleichtere auch nicht die Pflege, sondern diene der Patientenüberwachung.

 

Entscheidungsgründe

Das LSG hat der Klage stattgegeben und das Gerät als spezielles Hilfsmittel für Behinderte bewertet (17.9.19, L 16 KR 182/18, Abruf-Nr. 213603). Dabei hat es sich maßgeblich auf den neuen Behinderungsbegriff gestützt, der das Ziel der gesellschaftlichen Teilhabe in den Vordergrund rückt:

 

  • Durch das Gerät könnten die Folgen der geistigen Behinderung abgemildert werden indem Mobilität und Bewegungsfreiheit überhaupt erst ermöglicht würden.

 

  • Anders als bei geistig gesunden Menschen sei in dieser Konstellation gerade keine Freiheitsentziehung zu sehen. Die Selbstbestimmung der räumlichen Freiheit sei zwar durch die digitale Überwachung eingeschränkt. Jedoch erlaube es die Ortungsfunktion des GPS-Systems überhaupt erst, einen gewissen Bewegungsradius zu eröffnen. Dieser sei ohne Ausrüstung mit einem GPS-System verwehrt.

 

  • Unter den gegebenen Umständen werde durch die am Handgelenk fixierte GPS-Überwachung die bestehende Isolation und Freiheitsentziehung durch Wegsperren reduziert.

 

Relevanz für die Praxis

Die Entscheidung betraf einen 19-jährigen Mann. Gleichwohl hat sie auch für Senioren Bedeutung. Trifft dort eine Weglauftendenz auf Demenz, ist die Ausgangslage nahezu gleich. Auch in diesen Fällen können Sie die Argumentation des OLG für die Korrespondenz mit der Krankenkasse bzw. im Prozess aufgreifen.

Quelle: Ausgabe 02 / 2020 | Seite 25 | ID 46192192