· Fachbeitrag · Altersversorgung
Altersgrenze von 50 diskriminiert Frauen nicht
| Frauen sind durch eine Regelung, die ArbN, die erst nach Vollendung des 50. Lebensjahres ihre Erwerbstätigkeit aufnehmen, von der betrieblichen Altersversorgung ausnimmt, keinem höheren Risiko als Männer unterworfen. |
Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin wendet sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen eine Altershöchstgrenze von 50 Jahren für die Aufnahme in ein betriebliches Altersversorgungssystem. Sie war mit der Geburt eines Kindes zunächst aus dem Erwerbsleben ausgeschieden und nahm dann im Alter von knapp über 51 Jahren erstmals wieder eine Erwerbstätigkeit auf. Bei ihrem ArbG bestand für die Beschäftigten aufgrund eines Leistungsplans ein Anspruch auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung durch die Unterstützungskasse, wenn sie dort mindestens zehn Jahre anrechenbar tätig waren und bei Aufnahme der Tätigkeit das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet war. Dienstjahre nach dem vollendeten 60. Lebensjahr wurden nicht mehr angerechnet. Da die Beschwerdeführerin bei Aufnahme der Tätigkeit das 50. Lebensjahr überschritten hatte, lehnte die Unterstützungskasse einen Versorgungsanspruch nach Renteneintritt ab.
Die Arbeitsgerichte wiesen einen Anspruch der Beschwerdeführerin auf Versorgung zurück. Das BAG stützte seine Entscheidung maßgeblich darauf, dass die mittelbare Diskriminierung wegen des Alters nach § 10 S. 1 und 2, S. 3 Nr. 4 AGG gerechtfertigt sei.
Die Beschwerdeführerin rügt einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Sie würde aufgrund der Altersgrenze Nachteile erleiden, was nicht zu rechtfertigen sei. Zudem liege eine mittelbare Benachteiligung von Frauen (Art. 3 Abs. 2, Abs. 3 S. 1 GG) gegenüber Personen, die keine Kinder hätten (Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG), vor. Die typisierende Betrachtung des BAG, das von einem Wiedereintritt in das Berufsleben nach Zeiten der Kindererziehung schon vor Vollendung des 50. Lebensjahres ausgehe, entbehre jeder Grundlage.
Entscheidungsgründe
Das BVerfG (23.7.19, 1 BvR 684/14, Abruf-Nr. 211235) sah die Voraussetzungen für die Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung (§ 93a Abs. 2 BVerfGG) als nicht gegeben an. Die Verfassungsbeschwerde sei unbegründet. Aus den Darlegungen ergebe sich nicht, dass die Arbeitsgerichte (BAG 12.11.13, 3 AZR 356/12, LAG Düsseldorf 29.2.12, 12 Sa 1430/11, Arbeitsgericht Essen 11.10.11, 2 Ca 2754/109) die Bedeutung und Tragweite des Art. 3 GG in der Beurteilung der Altersgrenze von 50 Jahren im Leistungsplan der betrieblichen Alterssicherung verkannt hätten.
Zwar könne eine staatliche Regelung, die Rentenansprüche an das Alter und an eine Mindestbetriebszugehörigkeit knüpfe, gegen die Vorgaben zur Gleichbehandlung verstoßen. Insofern sei der Schutz vor einer Ungleichbehandlung, die unmittelbar und ausdrücklich oder aber mittelbar tatsächlich an das Geschlecht anknüpfe, aus Art. 3 Abs. 2, Abs. 3 S. 1 GG sowie der sich aus Art. 3 Abs. 1 GG ergebende Schutz vor einer nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung wegen des Lebensalters von Bedeutung.
Es sei aber nicht erkennbar, dass diese Maßgaben hier verkannt worden wären. Ausweislich der statistischen Daten sei die Beschwerdeführerin durch die insoweit neutral gefasste Regelung zur Altershöchstgrenze keinem tatsächlich an das Geschlecht anknüpfenden höheren Risiko als Männer ausgesetzt gewesen, von dem hier anwendbaren betrieblichen Altersversorgungssystem gänzlich ausgeschlossen zu sein. Der Ausschluss würde alle treffen, die erst nach Vollendung des 50. Lebensjahres ihre Erwerbstätigkeit aufnähmen. Die Daten zeigten, dass Mütter vielfach wieder ‒ wenn auch überwiegend nur in Teilzeit ‒ erwerbstätig werden würden, wenn ihre Kinder eine Betreuungseinrichtung besuchen, und mehrheitlich wieder erwerbstätig werden, wenn ihre Kinder die Grundschule besuchten.
Hier sei das Kind der Beschwerdeführerin bei ihrem Wiedereintritt in das Erwerbsleben bereits 25 Jahre alt gewesen und habe eine Ausbildung abgeschlossen. Auch unter Berücksichtigung ihres Rechts aus Art. 6 Abs. 1 GG auf selbstbestimmte Gestaltung des Familienlebens sei damit nicht erkennbar, dass die allgemeine Anforderung, zur Erlangung von Rentenansprüchen vor Vollendung des 50. Lebensjahres wieder erwerbstätig zu werden, sie in Grundrechten verletzen würde.
Relevanz für die Praxis
Die Beschwerdeführerin scheiterte auch mit der Rüge der Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG. Das BAG habe Art. 21 Abs. 1 GRCh hinreichend beachtet. Die Auseinandersetzung mit dem Unionsrecht einschließlich der Rechtsprechung des EuGH genüge insoweit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine willkürfreie Entscheidung.
Der EuGH erklärt mittlerweile ausdrücklich, dass Ziele, die im Rahmen von Beschäftigungspolitik und Sozialschutz einen Ausgleich zwischen den verschiedenen beteiligten Interessen schaffen sollen, um eine betriebliche Altersversorgung zu gewährleisten, als im Allgemeininteresse liegende Ziele im Sinne des Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG angesehen werden können. Dieser konkretisiere den Grundsatz des Verbots der Altersdiskriminierung. Regeln zur Betriebstreue seien jedenfalls unter bestimmten Bedingungen zu rechtfertigen und nicht per se alters- oder geschlechtsdiskriminierend (EuGH Ute Kleinsteuber gegen Mars GmbH 13.7.17, C-354/16, NZA 17, 1047).
Weiterführender Hinweis
- Keine Altersdiskriminierung durch Abstandsklausel in betrieblicher Versorgungsordnung: BAG SR 18, 75