· Fachbeitrag · Der praktische Fall
Fünf aktuelle Betriebsprüfungsfälle mit internationalem Bezug
von StB Marc Oppermann, Düsseldorf und M. Sc. Mustafa Sezer, Düsseldorf
| Nachfolgend werden fünf aktuelle Betriebsprüfungsfälle aus Sicht der Finanzverwaltung sowie der Beraterschaft näher beleuchtet (zu den letzten fünf Fällen, s. Oppermann, PIStB 23, 129 ), um kritische Aspekte und mögliche Stellschrauben herauszustellen. Diesmal werden ausschließlich Umwandlungsfälle diskutiert, wobei Auswirkungen der Änderungen durch das KöMoG ebenso wie die Auswirkungen des durch das zum 1.3.23 in Kraft getretene Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie (UmRUG) jeweils kurz separat dargestellt werden. |
1. KöMoG und UmRUG
Durch das KöMoG wurde eine im Grundsatz erfreuliche Erweiterung des persönlichen Anwendungsbereichs im § 1 UmwStG für Umwandlungen nach dem 31.12.21 vollzogen. Eine vollständige Internationalisierung ist nicht erfolgt, vielmehr bestehen zum einen die bisherigen Beschränkungen des § 1 Abs. 4 UmwStG für Vorgänge nach den §§ 20 bis 23, 25 UmwStG fort. Zum anderen sind Umwandlungen mit unmittelbarer Beteiligung von Drittstaaten-Gesellschaften gesellschaftsrechtlich nach wie vor nicht möglich.
Kern des UmRUG ist die Umsetzung der europäischen Mobilitätsrichtlinie in deutsches Recht. Die neuen Regelungen zu grenzüberschreitenden Spaltungen und Formwechseln für Kapitalgesellschaften wurden in einem neuen Sechsten Buch in das Umwandlungsgesetz integriert. Dorthin wurden auch die bisher schon vorhandenen Regelungen zu grenzüberschreitenden Verschmelzungen verschoben.
2. Grenzüberschreitender Upstream Merger
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Ein US-amerikanischer börsennotierter Konzern verfügt über eine europäische Zwischenholding in den Niederlanden (nachfolgend M-BV), welche 100 % der Anteile an einer inländischen Tochter-GmbH (nachfolgend T-GmbH) hält. Die T-GmbH wurde zum steuerlichen Übertragungsstichtag 31.12.20 auf die M-BV verschmolzen. Die bisherige Geschäftstätigkeit wurde in Form einer Betriebsstätte weitergeführt. Ausländisches Betriebsvermögen besaß die T-GmbH nicht. Sämtliche Wirtschaftsgüter waren vielmehr zweifelsfrei im Inland ‒ d. h. in der deutschen Betriebsstätte der T-GmbH ‒ steuerverstrickt. |
Solche grenzüberschreitenden Upstream Merger sind seit Inkrafttreten des SEStEG im Jahre 2006 grundsätzlich steuerneutral möglich. In Betriebsprüfungen werden insbesondere zwei Aspekte diskutiert:
- 1. Die Entstrickung von Wirtschaftsgütern anlässlich der Verschmelzung sowie
- 2. eine fiktive Vollausschüttung der offenen Rücklagen.
Zu 1) Mögliche Entstrickung auf Ebene der T-GmbH: Eine wesentliche Voraussetzung für die Möglichkeit einer steuerneutralen Verschmelzung zu Buchwerten ist, dass das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich der übertragenen Wirtschaftsgüter nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird (§ 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UmwStG). Da regelmäßig nach der Hinausverschmelzung eine Betriebsstätte in Deutschland verbleibt, greift insoweit ein Besteuerungsrecht nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) EStG i. V. m. Art. 13 Abs. 3 DBA-Niederlande für diejenigen Wirtschaftsgüter, die nach wie vor der deutschen Betriebsstätte zugeordnet werden können.
Problematisch ist die Zuordnung von sog. ungebundenem Vermögen, d. h. Wirtschaftsgütern, welche für die Funktion eines Betriebs keine wesentliche Bedeutung haben und daher der Betriebsstätte nach der Umwandlung nicht zwangsweise zugeordnet werden müssen. Insbesondere bei Beteiligungen, dem Firmenwert, Patenten sowie anderen immateriellen Wirtschaftsgütern wird bisweilen durch die Betriebsprüfung unter Rückgriff auf Rn. 11.09 i. V. m. Rn. 03.20 S. 2 UmwStE eine Zuordnung zum ausländischen Stammhaus aufgrund der sog. „Zentralfunktion des Stammhauses“ vertreten, sodass insoweit stille Reserven nach § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UmwStG i. V. m. Art. 13 Abs. 5 DBA-Niederlande aufzulösen und wegen § 4g Abs. 1 S. 4 EStG auch sofort zu versteuern wären.
Aus Beratersicht ist allerdings fraglich, ob die Theorie der Zentralfunktion des Stammhauses unter Geltung des Authorised OECD Approach (AOA) seit 2013 ‒ wonach im Grundsatz Stammhaus und Betriebsstätte zueinander wie fremde Dritte zu behandeln sind ‒ überhaupt noch Bestand haben kann. Das BMF hat sich mit der auf § 1 Abs. 6 AStG gestützten Verordnung zur Zuordnung von Wirtschaftsgütern und Einzelheiten des Fremdvergleichsgrundsatzes positioniert. Entscheidende Bedeutung für die Betriebsstättengewinnermittlung hat danach die in der Betriebsstätte ausgeübte Personalfunktion erhalten (§ 1 Abs. 2 BsGaV i. V. m. § 2 Abs. 3 BsGaV). Eine pauschale Zuordnung des ungebundenen Vermögens zum Stammhaus scheidet hiernach aus. Vielmehr kann die Beteiligung an der Vertriebs-GmbH weiterhin auch nach der Umwandlung der inländischen Betriebsstätte zugeordnet werden, wenn die Beteiligung im funktionalen Zusammenhang zur Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte steht (§ 7 Abs. 1 S. 2 BsGaV); dies ist im vorliegenden Sachverhalt unstreitig erfüllt, da die Vertriebstätigkeit mit der Produktionstätigkeit der ehemaligen T-GmbH im funktionalen Zusammenhang steht.
PRAXISTIPP | Liegt eine Entstrickung anlässlich der Verschmelzung vor, kann ggf. trotz der Regelung des § 4g Abs. 1 S. 4 EStG eine Sofortversteuerung mit Hinweis auf das EuGH-Urteil vom 29.11.11 (C-371/10, National Grid Indus) vermieden werden. Dies gilt auf jeden Fall, wenn mit der Betriebsprüfung Einigkeit darüber erzielt werden kann, dass die Herausverschmelzung keine rückwirkende Auswirkung auf die abkommensrechtliche Zuordnung der Wirtschaftsgüter zum steuerlichen Übertragungsstichtag hatte, sondern erst mit Eintragung der Umwandlung wirkt. Dann greift nämlich § 12 Abs. 1 KStG i. V. m § 4g EStG ein (so auch Schaumberger/Stößel, FR 20, 1123 und vgl. Dötsch/Stimpel, in: Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Körperschaftsteuer, § 11 UmwStG, Tz. 76, 77 [September 2022]). |
Zu 2) Fiktive Vollausschüttung der offenen Rücklagen: Insbesondere bei hohen Rücklagen sowie fehlender Freistellungsbescheinigung für Dividenden nach § 50c Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG wird in Betriebsprüfungen teilweise eine fiktive Vollausschüttung nach § 12 Abs. 5 UmwStG angenommen, die gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 S. 1 Buchst. a) EStG zu einer beschränkten Steuerpflicht in Deutschland führt.
Aus Beratersicht ist dies eindeutig abzulehnen. § 12 Abs. 5 UmwStG fingiert eine kapitalertragsteuerpflichtige Vollausschüttung der offenen Gewinnrücklagen ‒ ähnlich zu § 7 UmwStG bei der Verschmelzung einer Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft ‒ an den übernehmenden (nicht steuerpflichtigen oder steuerbefreiten) Rechtsträger. Nach h. M. ist § 12 Abs. 5 für Fälle der grenzüberschreitenden Verschmelzung nicht anwendbar, da das Gesetz den Vermögensübergang in den nicht steuerpflichtigen oder steuerbefreiten „Bereich“ des übernehmenden Rechtsträgers fordert, der bei ausländischen Körperschaften mangels Steuerbarkeit in Deutschland nicht existiert, und die Vorschrift zudem nicht an einen Ausschluss oder die Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts anknüpft (vgl. Herfort/Viebrock in: Haase/Hofacker, UmwStG, 3. Aufl. 2021, § 12 UmwStG, Tz. 227 ff.). Eine anderweitige Auslegung würde außerdem einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 der Fusionsrichtlinie bedeuten (vgl. Benecke/Staats, ISR 13, 18).
PRAXISTIPP | Soweit § 50d Abs. 3 EStG einer vollen (aufgrund von § 43b Abs. 1 S. 1 EStG auf 0 % lautenden) Freistellungsbescheinigung für Dividenden nicht entgegensteht und offene Rücklagen leicht ausgeschüttet werden können, empfiehlt sich durchaus ein „Leerschütten“ vor der Verschmelzung (so auch Viebrock/Hagemann, FR 09, 740). So besteht im Falle des Leerschüttens der Vorteil, dass der Dividenden-Nullsteuersatz laut Mutter-Tochter-Richtlinie gewährt wird, wohingegen bei einer fiktiven Vollausschüttung der Nullsteuersatz der Mutter-Tochter- Richtlinie wegen § 43b Abs. 1 S. 4 EStG keine Anwendung fände und daher zumindest eine definitive KapESt-Belastung nach Abkommensrecht von regelmäßig 5 % (so auch Art. 10 Abs. 2 S. 1 Buchst. a) DBA-Niederlande) entstünde. |
3. Grenzüberschreitender Formwechsel
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Im Jahre 2020 nimmt die deutsche Real Estate GmbH ‒ welche über umfangreichen in Deutschland belegenen Grundbesitz verfügt ‒ eine Sitzverlegung nach Luxemburg mit gleichzeitigem (sog. rechtsformkongruenten) Formwechsel in eine luxemburgische Sarl (GmbH aus deutscher Sicht) ohne Liquidierung der GmbH und Neugründung der Sarl vor. Diese seit einigen Jahren neue Variante der Umwandlung über die Grenze basierte bis zur Umsetzung des UmRUG lediglich auf der Rechtsprechung des EuGH und der deutschen OLG (vgl. hierzu Wilke, PIStB 18, 97). Hintergrund war eine Betriebsprüfung für die Jahre 2016 bis 2018, in der nach langen Diskussionen die Anwendbarkeit der sog. „erweiterten Grundstückskürzung“ seitens der Betriebsprüfung aufgrund des Vorliegens von schädlichen Betriebsvorrichtungen versagt wurde. Daher unterlagen die Vermietungseinnahmen der Real Estate GmbH in den Jahren 2016 bis 2018 der Gewerbesteuer. Im Rahmen der aktuellen Betriebsprüfung für die Jahre 2019 bis 2021 wird diskutiert, welche Auswirkung der Formwechsel aus deutscher Sicht hat. |
Mit der Betriebsprüfung besteht Einigkeit dahin gehend, dass der identitätswahrende Formwechsel als Wechsel des Rechtskleids ‒ ähnlich zum Formwechsel einer GmbH in eine Aktiengesellschaft ‒ keine Liquidationsbesteuerung nach § 11 KStG und mangels Übergang von Vermögen auch keine Grunderwerbsteuer auslöst.
Das UmwStG ist aufgrund fehlender Rechtsgrundlage insoweit nicht anwendbar (vgl. Schönhaus/Müller, IStR 13, 178). Allerdings kann sich eine Aufdeckung stiller Reserven potenziell aus einer Entstrickungsbesteuerung nach § 12 Abs. 1 KStG ergeben. Mit Blick auf eine fiktive Vollausschüttung analog zu § 12 Abs. 5 UmwStG wird seitens der Betriebsprüfung ein Missbrauch nach § 42 AO geprüft.
Aus Beratersicht ist hierzu Folgendes zu konstatieren:
Zu 1) Entstrickungsbesteuerung: Nach dem grenzüberschreitenden Formwechsel unterliegt die Real Estate Sarl immer noch der (beschränkten) Steuerpflicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f) S. 1 und 4 EStG, die abkommensrechtlich gemäß Art. 6 sowie Art. 13 Abs. 1 DBA-Luxemburg nicht eingeschränkt wird. Das Entfallen der Gewerbesteuerpflicht, vorausgesetzt die Real Estate Sarl verfügt nicht doch „versehentlich“ über eine deutsche Betriebsstätte gemäß § 2 Abs. 1 GewStG, sollte analog zu Rn. 3.18 UmwSt-Erlass unschädlich sein.
Zu 2) Fiktive Vollausschüttung: Hierzu kann im Wesentlichen auf die Ausführungen unter Fall 1 verwiesen werden. Bei hohen Rücklagen sowie u. a. dem Nichtvorliegen einer Freistellungsbescheinigung für Dividenden besteht die Gefahr, dass der grenzüberschreitende Formwechsel seitens der Finanzverwaltung als Gestaltungsmissbrauch im Sinne von § 42 AO gewertet werden könnte und § 12 Abs. 5 UmwStG ggf. analog anzuwenden wäre. Zukünftige Dividenden der formgewechselten Real Estate Sarl unterliegen mangels inländischer Geschäftsleitung oder inländischen Sitzes nicht mehr der deutschen Kapitalertragsteuer (vgl. § 43 Abs. 3 S. 1 EStG).
Der Vorwurf eines Gestaltungsmissbrauchs sollte sich in der Regel entkräften lassen. Schließlich ist der grenzüberschreitende Formwechsel wesentlich kosten- und zeitgünstiger als eine Liquidation in Deutschland gefolgt von einer Neugründung in Luxemburg. Daneben werden in der Praxis vielfach noch weitere wirtschaftliche und außersteuerliche Vorteile existieren, wenn ein Formwechsel in den Staat des Anteilseigners vollzogen wird.
Beachten Sie | Zusätzlich sollte die Betriebsprüfung auf ein aktuelles Urteil zur Kapitalertragsteuererstattung für Gewinnausschüttungen während der Liquidationsphase hingewiesen werden (FG Köln 26.10.22, 2 K 2446/19). Auch im Falle einer tatsächlichen Liquidation kommt entgegen der Auffassung des Finanzamtes der Nullsteuersatz nach der Mutter-Tochter-Richtlinie grds. in Betracht, soweit es sich um Gewinne aus der Zeit vor der Auflösung der Gesellschaft und damit um Erträge nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG handelt, da diese Erträge nicht gemäß § 43b Abs. 1 S. 4 EStG anlässlich der Liquidation zufließen.
PRAXISTIPP | Ähnlich wie in Fall 1 kann die Einholung einer Freistellungsbescheinigung für Dividenden gefolgt von einem „Leerschütten“ zweckmäßig sein, um vorausschauend etwaige Besteuerungsrisiken zu reduzieren. |
4. Downstream Merger mit ausländischen Anteilseignern
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Die US-amerikanische börsennotierte M-Corporation-Gruppe ist ein globaler Player mit weltweiten Produktionsstätten und Vertriebseinheiten. Zur M-Corporation-Gruppe gehören auch zwei Gesellschaften in Deutschland, die T-GmbH sowie die E-GmbH. Zum 31.12.17 als steuerlichem Übertragungsstichtag wird die deutsche T-GmbH downstream auf die E-GmbH verschmolzen, wobei die Beteiligung an der E-GmbH indes an die US-amerikanische Anteilseignerin der T-GmbH ausgekehrt wurde. Mit Blick auf die zu diesem Zeitpunkt vorliegenden überzeugenden FG-Urteile (FG Düsseldorf 22.4.16, 6 K 1947/14 K, G und FG Rheinland-Pfalz 12.4.16, 1 K 1001/14) wird auch für das Wirtschaftsgut „Beteiligung an der E-GmbH“ der Buchwertansatz gemäß § 11 Abs. 2 S. 2 UmwStG gewählt und entsprechend veranlagt. |
Als eine zentrale Voraussetzung für eine steuerneutrale Verschmelzung zu Buchwerten fordert das UmwStG, dass das deutsche Besteuerungsrecht an den in den übertragenen Wirtschafsgütern ruhenden stillen Reserven weder ausgeschlossen noch beschränkt wird (vgl. 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UmwStG). Diese Anforderung ist entgegen der Sichtweisen der FG auch für das Wirtschaftsgut „Beteiligung an der übernehmenden Enkelgesellschaft“ im Rahmen einer Abwärtsverschmelzung nach Ansicht des BFH zu erfüllen (vgl. BFH 30.5.18, I R 31/16, BStBl II 19, 136 und I R 35/16, BFH/NV 219, 46 sowie hierzu ausführlich Kahlenberg, PIStB 19, 33).
Der in § 11 Abs. 2 S. 1 UmwStG verwendete Begriff „übergehende Wirtschaftsgüter“ sei nach BFH-Sichtweise eindeutig. Sofern in § 11 Abs. 2 UmwStG weitere Anforderungen an die „übernehmende Körperschaft“ gestellt werden, ist ‒ bezogen auf die Beteiligung an der Enkelgesellschaft ‒ auf diejenige Person abzustellen, die diese erwirbt (Anteilseignerin). Insofern wird aber das deutsche Besteuerungsrecht gemäß Art. 13 Abs. 5 DBA-USA ausgeschlossen, weshalb § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UmwStG nicht erfüllt ist.
In der Betriebsprüfung für die Jahre 2017 bis 2019 wird mit Blick auf die BFH- Urteile aus 2018 nunmehr der Ansatz der Beteiligung an der E-GmbH mit dem gemeinen Wert vorgenommen, weil das deutsche Besteuerungsrecht ausgeschlossen wird. Der Gewinn sei zwar gemäß § 8b Abs. 2 KStG außer Ansatz zu lassen; allerdings gelten nach § 8b Abs. 3 KStG 5 % des Gewinns als nicht abziehbare Betriebsausgaben und erhöhen somit den Übertragungsgewinn der Tochter-GmbH.
Aus Beratersicht ist der Betriebsprüfung zuzustimmen, dass man angesichts der BFH-Rechtsprechung wohl keine (Billigkeits-)Lösung zugunsten des Steuerpflichtigen ‒ d. h. Beibehaltung des Buchwertansatzes ‒ im Rahmen der Betriebsprüfung erreichen kann. Gleichwohl wird diese BFH-Rechtsprechung zum Teil sehr kritisch gesehen (vgl. insbesondere Kempf/Nitzschke, IStR 22, 73), sodass der nachfolgende Aufruf von Kempf und Nitzschke ggf. in Abhängigkeit der Höhe der stillen Reserven eine Option darstellt: „Es wäre begrüßenswert, wenn die Finanzgerichtsbarkeit nochmals Gelegenheit bekäme, sich mit den [… aufgezeigten offenen ...] Fragen zu beschäftigen. Ein erstinstanzliches FG könnte die europarechtlichen Fragen auch aus eigener Initiative dem EuGH vorlegen, ohne von der umwandlungssteuerrechtlichen Sichtweise des BFH abzuweichen.“
PRAXISTIPP | Im Rahmen der Gestaltungsberatung empfiehlt sich derzeit insbesondere die oben grafisch dargestellte Abwandlung, um eine Aufdeckung stiller Reserven in den Anteilen der E-GmbH zu vermeiden. Im Rahmen der Verschmelzung gehen alle Anteile der T-GmbH an der E-GmbH auf diese über, statt an die US-amerikanische Anteilseignerin übertragen zu werden. Die E-GmbH gibt stattdessen im Rahmen einer ‒ gemäß § 54 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 UmwG zulässigen (vgl. Vetter, in: Lutter, Umwandlungsgesetz, § 54 UmwG, Rz. 51 [2019]) ‒ Kapitalerhöhung neue Anteile an die neue Muttergesellschaft in den USA aus. Die von der T-GmbH auf die E-GmbH übergegangenen Anteile werden bei Letzterer zu eigenen Anteilen, die anschließend ohne steuerliche Auswirkung eingezogen werden können (so explizit auch Kempf/Nitzschke, IStR 22, 73; zu weiteren Gestaltungsoptionen s. Kahlenberg, PIStB 19, 33). |
5. Drittstaaten-Sidestream-Merger mit deutschem Anteilseigner
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Die im Inland ansässige M-GmbH hielt jeweils 100 % der Anteile an der US-amerikanischen LLC-1 und LLC-2, welche nach dem deutschen Rechtstypenvergleich unzweifelhaft ebenso wie die Enkelgesellschaft LLC-3 als Kapitalgesellschaften zu behandeln sind. Alle US-Gesellschaften haben keinen Anknüpfungspunkt zum Inland (insbesondere keine deutsche Betriebsstätte, in Deutschland belegenen Grundbesitz oder deutsche Kapitaleinnahmen). LLC-1 wurde seitwärts auf die LLC-2 ohne jegliche Steuerfolgen in den USA verschmolzen, da aus US-Sicht eine Disregarded Transaction aufgrund der Check-the-Box-Regelung vorliegt. Abschließend sei darauf hingewiesen, dass die LLC-1 sog. passiven Handel im Sinne des AStG betreibt und eine Beteiligung an der LLC-3 besitzt, die „Kapitalanlageassets“ nach § 7 Abs. 6a AStG a. F. hält. |
In Betriebsprüfungen für Fälle solcher Drittstaatenverschmelzungen bis einschließlich 31.12.21 werden zwei Aspekte häufig geprüft bzw. diskutiert:
- 1. Anwendbarkeit des § 13 UmwStG
- 2. Eingreifen der Hinzurechnungsbesteuerung
Zu 1) Anwendbarkeit des § 13 UmwStG: Im Zuge des Sidestream Mergers gehen die Anteile an der LLC-1 auf Ebene der deutschen Mutter unter. Für die untergehenden Anteile gewährt die LLC-2 als aufnehmender Rechtsträger der M-GmbH neue Anteile. Eine steuerneutrale Übertragung der in den Anteilen an der LLC-1 enthaltenen stillen Reserven ist nach § 13 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UmwStG i. V. m. Art. 13 Abs. 5 DBA-USA möglich, vorausgesetzt der Anwendungsbereich des UmwStG ist eröffnet.
§ 13 Abs. 2 UmwStG findet keine unmittelbare Anwendung, da die beteiligten Gesellschaften nach § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UmwStG a. F. EU-/EWR-Gesellschaften sein mussten.
Allerdings kam eine Steuerneutralität durch Anwendung des § 12 Abs. 2 S. 2 KStG a. F. in Betracht, sofern
- es sich um einen vergleichbaren ausländischen Vorgang i. S. d. § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UmwStG handelt und soweit das Besteuerungsrecht Deutschlands sichergestellt ist,
- die übertragende und übernehmende Gesellschaft zum selben Drittstaat zugehörig sind.
Zusätzlich wird in Betriebsprüfungen zum Teil auch gefordert, dass der übertragende Rechtsträger in Deutschland beschränkt steuerpflichtig ist. Dies ergebe sich aus § 12 Abs. 2 S. 2 KStG, welcher einen vollumfassenden Rechtsgrundverweis auf § 12 Abs. 2 S. 1 begründe.
Aus Beratersicht ist darauf hinzuweisen, dass die letztgenannte zusätzliche Voraussetzung der beschränkten Steuerpflicht aus Verwaltungssicht seit dem Inkrafttreten der endgültigen Körperschaftsteuerrichtlinien für 2015 am 6.4.16 keine Gültigkeit mehr besitzen sollte. Schließlich wurde die im Entwurf der Körperschaftsteuerrichtlinien enthaltene Forderung bzw. Titelüberschrift „Beschränkte Steuerpflicht der übertragenden Körperschaft“ ersatzlos gestrichen. Da die Richtlinienstelle zu R 12 KStR 2015 in der finalen Fassung unbesetzt ist, hält die Finanzverwaltung stillschweigend nicht mehr am Kriterium der beschränkten Steuerpflicht des übertragenden Rechtsträgers fest (vgl. hierzu insbesondere Polt, Ubg, 17, 134, die eine explizite Klarstellung der Aufgabe der restriktiven Auslegung im Update des UmwSt Erlasses vom 10.11.16 unter Tz. 13.04 als wünschenswert erachtet hätte).
Beachten Sie | Aktuelle Rechtslage seit 1.1.22: Ein Buchwertansatz nach § 13 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UmwStG erfordert „nur“ noch, dass es sich um einen vergleichbaren ausländischen Vorgang i. S. d. § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UmwStG handelt und dass das Besteuerungsrecht Deutschlands sichergestellt ist (zu den Vergleichbarkeitskriterien s. UmwSt-Erlass unter Tz. 1.21 ff.).
Zu 2) Eingreifen der Hinzurechnungsbesteuerung: Bis zum 31.12.21 waren Umwandlungen, die ungeachtet der Ansässigkeitsvoraussetzungen der § 1 Abs. 2 und 4 des UmwStG zu Buchwerten hätten erfolgen können, grundsätzlich nach § 8 Abs. 1 Nr. 10 AStG a. F. aktiv. Dies galt nur nicht, d. h. die Umwandlung war passiv, soweit eine Umwandlung den Anteil an einer Kapitalgesellschaft erfasste, der „Kapitalanlage-Assets“ beinhaltete (vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG a. F.).
Auch im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung ist ‒ wie oben für § 13 UmwStG ‒ aufgrund der Buchwertvoraussetzung von Bedeutung, dass die ausländische Umwandlung einer inländischen Umwandlung des UmwStG vergleichbar ist. Ansonsten liegen vollumfänglich passive Einkünfte vor. Bezogen auf den Sachverhalt ist festzuhalten, dass die vorliegend vergleichbare Verschmelzung zu aktiven Einkünften hinsichtlich des (passiven) Handelsbetriebs und zu passiven Einkünften hinsichtlich der in den Anteilen an der LLC-3 enthaltenen stillen Reserven führt.
Beachten Sie | Nach der aktuellen Rechtslage seit dem 1.1.22 sind Umwandlungen im Grundsatz weiterhin aktiv. Eine Ausnahme greift für Einkünfte aus der Übertragung von Wirtschaftsgütern, die der Erzielung von passiven Einkünften (hier im BP-Fall: passiver Handelsbetrieb) dienen. Insoweit liegen passive Umwandlungseinkünfte vor, wenn nicht die Rückausnahme eingreift. Danach kann der Steuerpflichtige nachweisen, dass die Umwandlung im Inland ungeachtet der Ansässigkeitsvoraussetzungen des UmwStG zu Buchwerten erfolgen könnte und im Ausland tatsächlich zu Buchwerten erfolgt ist (vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG n. F.). Die Rückausnahme hinsichtlich der Passivqualifikation von Einkünften, die auf Beteiligung an Gesellschaften mit Kapitalanlageeinkünften entfallen, wurde zudem gestrichen.
Im Ergebnis kann für den vorliegenden Sachverhalt nach neuem Recht eine vollkommene Einstufung als „aktiv“ in Betracht kommen, wenn die Verschmelzung die Vergleichbarkeitskriterien erfüllt und die Rückausnahme ‒ d. h. der Buchwertansatz (wegen der Check-the-Box-Regelung) ‒ eingreift.
6. Steuerneutrale Abspaltung des operativen Geschäftsbetriebs mit anschließendem Share Deal
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Die US-amerikanische M-Corporation hält 100 % der deutschen Tochter-GmbH, welche neben einem operativen Geschäftsbetrieb auch als Organträger für zahlreiche deutsche Organgesellschaften fungiert. Zum 31.12.19 erfolgte mit steuerlicher Rückwirkung die Abspaltung des operativen Geschäftsbetriebs auf eine NewCo-GmbH steuerneutral zum Buchwert. Noch im Jahr 2020 kurz nach der Eintragung der Abspaltung im Handelsregister erfolgte der Verkauf der Anteile der NewCo-GmbH durch die M-Corporation. |
In Betriebsprüfungen wurde bis zum BFH-Urteil vom 11.8.21 (I R 39/18, BFH/NV 22, 297) die Auffassung vertreten, dass die Missbrauchsvermeidungsregelung des § 15 Abs. 2 S. 2 bis 4 UmwStG auf den obigen Fall Anwendung findet.
MERKE | § 15 Abs. 2 S. 2 bis 4 UmwStG regelt, dass die im Rahmen der Abspaltung übergehenden Wirtschaftsgüter zwingend mit dem gemeinen Wert anzusetzen sind, wenn durch die Spaltung eine Veräußerung an außenstehende Personen vollzogen wird oder durch die Spaltung die Voraussetzungen für eine Veräußerung geschaffen werden. Eine Auf- oder Abspaltung soll steuerlich nicht begünstigt werden, wenn sie zu einer gegenüber der Veräußerung von qualifizierten Einzelwirtschaftsgütern günstigeren Besteuerung führt. Nach § 15 Abs. 2 S. 4 UmwStG ist von der Schaffung der Voraussetzungen für eine Veräußerung durch die Spaltung auszugehen, wenn innerhalb von fünf Jahren nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag Anteile an einer an der Spaltung beteiligten Körperschaft, die mehr als 20 % der vor Wirksamwerden der Spaltung an der Körperschaft bestehenden Anteile ausmachen, veräußert werden. |
In Betriebsprüfungen wurde die Auffassung vertreten, dass es sich bei den Sätzen 3 und 4 des § 15 Abs. 2 UmwStG um eigenständige nebeneinanderstehende Missbrauchsvermeidungsregelungen handelt und nicht ‒ wie in der Beratungspraxis häufig zu Recht vertreten ‒ um eine einheitliche Regelung.
Der BFH hat die für den Steuerpflichtigen positive Sichtweise bestätigt. § 15 Abs. 2 S. 3 UmwStG hat ohne die weitere Regelung in § 15 Abs. 2 S. 4 UmwStG keinen eigenständigen Regelungsinhalt, sodass beide Sätze eine einheitliche Missbrauchsvermeidungsregelung bilden. In der Praxis ist diese Auffassung insbesondere bei Veräußerungen unterhalb der 20 %-Grenze oder nach Ablauf der Fünfjahresfrist von Bedeutung. Schließlich schafft eine Spaltung per se immer die Voraussetzungen für eine separate Veräußerung von Anteilen, sodass der Tatbestand des § 15 Abs. 2 S. 3 UmwStG bei einer sehr weiten Auslegung faktisch auch ohne tatsächliche Veräußerung in der Zukunft erfüllt wäre. Ein solches Verständnis vermochte nicht zu überzeugen, da die Regelung des S. 4 letztlich überflüssig wäre.
Beachten Sie | In der Gestaltungsberatung ist zukünftig die Einhaltung der 20 %-Grenze für potenzielle nachfolgende Veräußerungen innerhalb der Fünfjahresfrist von entscheidender Bedeutung. Ein Unterschreiten der 20 %-Grenze lässt sich z. B. durch gezielte Einlagen des ausländischen Anteilseigners durch die Kette, d. h. über die T-GmbH in die Organgesellschaften, erzielen. Hierbei sollten die Einlagen so strukturiert werden, dass keine erfolgswirksame Behandlung im Inland aufgrund des materiellen Korrespondenzprinzips eintritt (vgl. zur „verdeckten“ Einlage als Steuerfalle bei grenzüberschreitenden Vorgängen Oppermann, PIStB 23, 129).
FAZIT | Bei internationalen Umwandlungen ergeben sich ‒ wie aufgezeigt ‒ einige Fallstricke. Deren Kenntnis vorausgesetzt lassen sich Umwandlungen häufig steueroptimiert gestalten, sodass sich Prüfungsfeststellungen in späteren Betriebsprüfungen minimieren lassen. |