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  • · Fachbeitrag · Wildschaden

    Die Rechtsprobleme bei Kasko und Teilkasko rund um den Wildschaden im Überblick

    | Herbstzeit ist Wildschadenzeit. Die frühe Dämmerung, wenn noch viel Verkehr ist, Unruhe im Wald durch die Jagd und im Übergang zum Herbst das teils unkontrollierte Brunftverhalten steigern das Risiko von Kollisionen mit den Tieren. Die folgende Übersicht über die wiederkehrenden Probleme rund um die Regulierung eines Wildschadens bringt Ihr Wissen auf den aktuellen Stand. |

    Der „Wildschaden“ in den Musterbedingungen

    In den Musterbedingungen für die Kraftfahrtversicherung des Gesamtverbandes der Versicherungswirtschaft (GDV) ist der der Teilkaskokomponente zugeordnete Wildschaden wie folgt definiert:

     

    • „Zusammenstoß mit Haarwild“

    A.2.2.4: Versichert ist der Zusammenstoß des in Fahrt befindlichen Fahrzeugs mit Haarwild im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Bundesjagdgesetzes (z. B. Reh, Wildschwein).“

     

    Weitgehend unproblematisch ist der tatsächliche Zusammenstoß mit lebendem Wild, wenn das Stück Wild dann auch beweisbar an der Unfallstelle ist. Da gibt es die üblichen Reibereien rund um die Schadenhöhe. Business as usual sozusagen.

     

    Für alle Wildunfälle, sei es mit, sei es ohne Berührung, gilt aber: Was nicht in der Liste steht, führt nicht zum Teilkaskoanspruch. Das Rentier, mit dem der Versicherungsnehmer im Norwegenurlaub kollidiert ist, ist zwar dem Haarwild zuzuordnen, es ist aber nicht in § 2 Abs. 1 Bundesjagdgesetz gelistet. Weil die Teilkaskoklausel aber eindeutig auf diese Liste Bezug nimmt, hat das OLG Frankfurt (Urteil vom 25.6.2003, Az. 7 U 190/02) richtigerweise geurteilt, das sei kein versicherter Fall. Dasselbe gilt für den Wolf.

     

    Wichtig | Wer hat, kann dann aber seine Vollkaskoversicherung in Anspruch nehmen. Denn das Tier wirkt ja mit mechanischer Gewalt plötzlich von außen auf das Fahrzeug ein. Damit ist der Unfallbegriff erfüllt.

     

    Der Problemfall „Kollision mit bereits totem Wild“

    Ein Problemfall allerdings ist die Kollision mit einem bereits toten Stück Wild. So selten kommt das gar nicht vor, denn nicht jedes verunfallte Tier wird sofort von der Straße geräumt. Lkw-Fahrer zum Beispiel bemerken die Kollision gar nicht, wenn sie das Wild mit dem Anhänger oder Auflieger treffen. Es bleibt auf der Autobahn oder der Landstraße liegen, der Folgeunfall ist nur eine Frage der Zeit. Wenn der ein oder andere Autofahrer das auf der Straße liegende Wild bereits per Mobiltelefon der Polizei gemeldet hat, ist ja auch bewiesen, dass das Tier nicht „vor das Auto gesprungen“ ist.

     

    Und da stellt sich die Frage: Ist ein Wildschaden nur dann gegeben, wenn das Tier plötzlich auf der Fahrbahn erscheint? Das und nur das sei die versicherte „typische Wildgefahr“, behaupten Versicherer gerne, und finden in einer entsprechenden Entscheidung des OLG München (Urteil vom 31.1.1986, Az. 10 U 4630/85) eine Stütze.

     

    Diverse andere Gerichte sehen das aber nicht so. Das LG Stuttgart hat die Versicherung zur Zahlung verurteilt (Urteil vom 7.2.2007, Az. 5 S 244/06; Abruf-Nr. 071456). Zwei tragende Gründe:

     

    • Wenn nur ein plötzlich auf der Fahrbahn erscheinendes Stück Wild den Versicherungsfall auslösen solle, wären auch Fälle ausgeschlossen, bei denen das Tier regungslos, weil geblendet, auf der Straße stehe. Auch ein krankes oder bereits verletztes sich auf der Fahrbahn dahinschleppendes Tier wäre ausgeschlossen.

     

    • Zudem bestehe die spezifische Tiergefahr auch darin, dass Wild unkontrolliert auf die Straße laufe. Diese Gefahr habe sich auch dann verwirklicht, wenn in Folge dessen das Tier bereits überfahren auf der Fahrbahn liege.

     

    So sehen es auch das OLG Nürnberg (Urteil vom 27.1.2004, Az. 8 U 2961/93; Abruf-Nr. 061956) und das OLG Saarbrücken (Urteil vom 30.4.2003, Az. 5 U 389/02-50; Abruf-Nr. 061957).

    Teilkasko führt nicht zum Vollersatz des Schadens

    Es ist gut, wenn man den Schutz aus der Teilkaskoversicherung hat und bekommt. Doch die deckt vertragsgemäß nicht alle Schadenpositionen ab. Deshalb wird immer wieder versucht, noch einen anderen Verantwortlichen zu finden, um jenem gegenüber auch die Wertminderung oder den Ausfallschaden wie Nutzungsausfallentschädigung oder Mietwagenkosten und auch den Ersatz der Selbstbeteiligung durchzusetzen. Das dürfte in den meisten Fällen aussichtlos sein. Dennoch gibt es vereinzelte Urteile dazu.

     

    Wer sich nicht um angefahrenes Wild kümmert…

    Wer einen Wildunfall hat, muss sich darum kümmern, was mit dem Stück Wild geschehen ist und die Unfallstelle absichern. Fährt man einfach weiter in der Annahme, das Tier liege tot im Straßengraben, haftet man für einen Folgeunfall, der sich ereignet, weil es (wieder) auf der Straße ist (LG Saarbrücken, Urteil vom 9.4.2010, Az. 13 S 219/09; Abruf-Nr. 101326).

     

    Weil aber unaufklärbar blieb, ob das Reh tatsächlich im Graben war oder von Anfang an auf der Straße blieb und weil der Beteiligte aus dem Zweitunfall möglicherweise zu schnell fuhr, um vor dem Tier zu halten, wurde die Haftung jedoch geteilt.

     

    PRAXISHINWEIS | Unterstellt, auch der Zweite hatte eine Teilkaskoversicherung, wäre es sicher klüger gewesen, den Wildschaden zunächst mit der abzurechnen. Da hätten sich alle Beweisprobleme gar nicht gestellt, weil ja die Kollision mit dem Reh offensichtlich war. Dann hätte man mit dem Ersten nur um die Reste streiten müssen. Eine solche Kombination der Abrechnung mit beiden Versicherern ist unproblematisch möglich.

     

    Unfall im zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit einer Jagd

    Wenn das Wildtier auf der Flucht vor einer Jagd die Straße querte, will mancher auch den Jäger oder den Jagdpächter verantwortlich machen. Im Grundsatz haftet der Jagdpächter nicht für Schäden, die das Wild anrichtet, denn er ist kein Tierhalter. Das ist ja gerade der historische Ursprung der Wildschadenkomponente in der Teilkaskoversicherung.

     

    Wird allerdings Wild in Richtung der Straße getrieben und ist ein Unfall daher vorhersehbar und vermeidbar, haftet der Veranstalter der Jagd und bei einer Einzeljagd der Jäger für seinen eigenen Fehler, diese Gefährdungssituation herbeigeführt zu haben. Treibt er es jedoch von der Straße weg und flüchtet das Wild unplanmäßig „nach hinten“, ist das eine andere Situation. Das Ganze läuft unter dem Stichwort der sogenannten Verkehrssicherungspflicht (BGH, Urteil vom 10.2.1976, Az. VI ZR 160/74).

     

    Eine Haftung kann sich auch aus der Hundehalterhaftung ergeben, wenn der Jagdhund das Wild unkontrolliert in die gefährliche Richtung hetzt. Die Durchsetzung wird aber regelmäßig schwierig sein.

     

    PRAXISHINWEIS | Für die Werkstatt gilt ohnehin: In solche Haftungsfragen dürfen Sie sich nicht einmischen. Damit würden Sie massiv mit dem Rechtsdienstleistungsgesetz kollidieren. Stellen sich also solche Fragen, empfehlen Sie dem Kunden den Gang zu einem qualifizierten Rechtsanwalt.

     

    Der „berührungslose Wildschaden“

    In § 82 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) ist bestimmt, dass der Versicherungsnehmer das versicherte Gut vor drohendem Schadeneintritt bewahren muss. Entsteht bei einem solchen Rettungsversuch ein Schaden, muss der Versicherer für diese -auch vergeblichen - Rettungsaufwendungen aufkommen (§ 83 VVG). Man muss sich bewusst machen, dass es nicht um die Rettung des Tiers geht, sondern um die Rettung des Versicherers vor der Zahlungspflicht hinsichtlich der Schadenkosten.

     

    Der bekannteste Fall dieser Kategorie ist der „berührungslose Wildschaden“: Der Fahrer weicht zum Beispiel einem Reh oder einem Wildschwein aus, kommt dabei aber von der Straße ab. Das Fahrzeug wird beschädigt. Zum Zusammenstoß mit dem Wild kam es nicht. Die größte Hürde dabei ist, zu beweisen, dass der Unfall tatsächlich wegen des Wildes geschah. Gelingt das, und war das Wild so groß, dass beim Zusammenstoß nennenswerter Schaden am teilkaskoversicherten Fahrzeug entstanden wäre, gilt:

     

    PRAXISHINWEIS | Anspruchsgrundlage ist dann nicht mehr der Versicherungsvertrag mit seiner darin festgelegten Selbstbeteiligung. Vielmehr entsteht der Anspruch direkt aus dem Versicherungsvertragsgesetz. Und darin ist von einer Selbstbeteiligung keine Rede. Das OLG Hamm hat bestätigt, dass im Rettungskostenfall die Selbstbeteiligung nicht angesetzt werden darf (OLG Hamm, Urteil vom 7.5.2004, Az. 20 U 48/04; Abruf-Nr. 042864).

     

    Das Tier muss aber groß genug sein

    Das alles gilt aber nur, wenn das Tier, dem ausgewichen wurde, so groß war, dass bei der Kollision Schaden am Fahrzeug entstanden wäre. Denn sonst gibt es ja hinsichtlich eines drohenden Fahrzeugschadens nichts zu retten.

     

    Dass ein Kaninchen zu klein ist, hat bereits der BGH entschieden. Und wenn das Fahrzeug bei einer Kollision mit einem die Straße querenden Eichhörnchen von der Straße abkommt, ist das kein Wildschaden im Sinne der Teilkaskoversicherung. Denn zum einem ist das Eichhörnchen zu klein und zweitens gar kein Tier aus der Liste des Bundesjagdgesetzes (LG Coburg, Urteil vom 29.6.2010, Az. 23 O 256/09; Abruf-Nr. 103462).

     

    PRAXISHINWEISE |

    • Wichtig ist, dass der Geschädigte bzw. sein Anwalt zum Größenverhältnis vom Tier zum Fahrzeug vorträgt. Ein Fuchs mag für einen hochbeinigen Geländewagen zu klein sein, um daran Schaden anzurichten. Für einen flachen verspoilerten Sportwagen ist er aber allemal groß genug.
    • Ist das Tier zu klein, kann jedoch - wenn vorhanden - die Vollkaskoversicherung in Anspruch genommen werden. Das gilt auch, wenn die Rettungskostensituation nicht beweisbar ist.
     

    Wer nicht Anspruchsteller ist, kann Zeuge sein

    Der Versicherungsnehmer muss den vollen Nachweis führen, dass das Wild (und auch hier muss das ein Stück Wild aus der Liste des § 2 BJagdG sein, denn es geht ja darum, den Versicherungsfall zu vermeiden) unfallursächlich war. Am besten sind natürlich neutrale Zeugen. Wenn aber der Fahrer nicht gleichzeitig der Versicherungsnehmer ist, kommt auch der als Zeuge in Betracht.

     

    So hat es zum Beispiel das LG Limburg (Urteil vom 17.2.2010, Az. 2 O 137/09; Abruf-Nr. 101921) entschieden. Dort ging es um die beiden Töchter des Versicherungsnehmers, von denen eine Beifahrerin war und die andere als Fahrerin einem Reh ausweichen wollte. Beide waren Zeuginnen, und ihnen wurde geglaubt. Auch die Dienstwagenfälle oder die Fälle, bei denen Firmenmitarbeiter während der Arbeit einen Firmenwagen fahren, ebenso die Fälle, bei denen Kunden mit Fahrzeugen des Autohauses oder der Werkstatt fahren, gehören in die Fallgruppe, in der der Fahrer Zeuge sein kann.

     

    Beachten Sie | Es dürfte sich von selbst verstehen, dass die regelmäßig komplizierten und wegen der ihnen innewohnenden Missbrauchsgefahr von den Versicherern durchaus zu Recht mit spitzen Fingern angefassten Rettungskostenfälle anwaltlicher Unterstützung bedürfen.

    Quelle: Ausgabe 12 / 2014 | Seite 14 | ID 43085502