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  • 13.09.2013

    Landesarbeitsgericht: Urteil vom 07.08.2013 – 3 Sa 72/12


    In dem Rechtsstreit
    pp.
    hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 07.08.2013 durch die Vizepräsidentin des Landesarbeitsgerichts ... als Vorsitzende und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer und d. ehrenamtliche Richterin ... als Beisitzerin
    für Recht erkannt:

    Tenor:

    Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 17.11.2011 - Az. 2 Ca 540 c/11 - abgeändert:

    1)

    Die Beklagte wird verurteilt, dem Arbeitszeitkonto des Klägers 96 Stunden und 30 Minuten hinzuzufügen.

    2)

    Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte (beide Instanzen).

    3)

    Die Revision wird nicht zugelassen.

    Tatbestand

    Die Parteien streiten um die Gutschrift von 96,5 Zeitstunden auf einem Arbeitszeitkonto für auf Samstage oder Sonntage fallende Feiertage.

    Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 01. Mai 1995 als Rettungsassistent im Rettungsdienst des Kreises S... mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von 48 Stunden wöchentlich bzw. umgerechnet auf eine 5-Tage-Woche von 9,6 Stunden täglich beschäftigt. Sein Einsatz erfolgt in einem 7-Tage-Schichtsystem auf Basis von zuvor erstellten Dienstplänen. Er erhält ein monatliches Bruttogehalt von 3.252,23 € zzgl. Zulagen, soweit sie angefallen sind.

    Die Beklagte erfüllt rund um die Uhr Aufgaben des Rettungsdienstes. Sie war im streitbefangenen Zeitraum nicht tarifgebunden. Für ihre Mitarbeiter werden seit 2004 auf Basis der Betriebsvereinbarung "Arbeitszeit, Dienstplangestaltung" Arbeitszeitkonten geführt. Die Betriebsvereinbarung lautet auszugsweise wie folgt:

    "§ 5 Arbeitszeitkonten

    Für jede Mitarbeiterin und jeden Mitarbeiter wird ein Arbeitszeitkonto eingerichtet. Darin werden die sich aus der monatlich nachträglich erfolgten Auswertung von Soll-Arbeitszeit (Dienstplanvorgabe) und Ist-Arbeitszeit ergebenden Plus- und Minusstunden erfasst.

    ...
    Auf der Grundlage der in dem jeweiligen Monat geleisteten Zeiten wird dem jeweiligen Mitarbeiter ein Monatsjournal ausgedruckt und zur Überprüfung vorgelegt. ...Auf dieser Grundlage erfolgt dann die Übergabe an das Programm GOD zum Zwecke der Abrechnung

    (Bl. 126 d.A. und Anlage B6, Bl. 260 d.A.)

    Auf dem Arbeitszeitkonto werden die von der Beklagten errechneten Sollstunden den verbuchten Ist-Stunden gegenübergestellt. Sich ergebende Differenzansprüche werden entweder als Minusstunden oder als Gutstunden in das Arbeitszeitkonto eingestellt bzw. abgerechnet. Die Arbeitnehmer der Beklagten können Stundenguthaben aufbauen und dann als Freizeitausgleich zusammenhängend z.B. vor Urlaubszeiträumen "einlösen". Sie können aber auch bis zu einer bestimmten Stundenzahl ins Minus gehen und müssen diese Minusstunden innerhalb eines betrieblich festgelegten Zeitraumes abbauen.

    Auf das Arbeitsverhältnis des Klägers finden kraft vertraglicher Vereinbarung die D... - Arbeitsbedingungen in der jeweils geltenden Fassung Anwendung. Sie enthalten keine Regelungen, wie an Wochenendfeiertagen geleistete Arbeitszeit zu erfassen ist.

    Die D...-Arbeitsbedingungen regeln die Vergütung von Arbeit an Feiertagen wie folgt:

    § 39

    Zeitzuschläge, Überstundenvergütung

    (1) Der Mitarbeiter erhält neben seiner Vergütung/seinem Lohn Zeitzuschläge. Sie betragen je Stunde:

    a) ....

    b) ...

    c) ...

    d) für Arbeit an

    aa) Wochenfeiertagen sowie am Ostersonntag und am Pfingstsonntag

    - ohne Freizeitausgleich 135 v.H.

    - bei Freizeitausgleich 35 v.H.

    bb) Wochenfeiertagen, die auf einen Sonntag fallen

    - ohne Freizeitausgleich 150 v.H.

    - bei Freizeitausgleich 50 v.H.

    Der Kläger hat unstreitig an folgenden Wochenendfeiertagen gearbeitet:

    am Ostersonntag, 12.04.2009 7 Stunden 30 Minuten,
    am Pfingstsonntag, 01.05.200912 Stunden,
    am Samstag 03.10.2009 8 Stunden,
    am Weihnachtssamstag, 26.12.2009 12 Stunden,
    am Samstag, 01.05.2010 12 Stunden,
    am Pfingstsonntag, 23.05.2010 8 Stunden,
    am Neujahrssamstag, 01.01.201113 Stunden,
    am Ostersonntag, 24.04.2011 12 Stunden und
    am Sonntag, 01.05.2011 12 Stunden

    Die genannten insgesamt 96,5 Stunden sind dem Kläger auf seinem Arbeitszeitkonto nicht als Zeitgutschrift gutgeschrieben worden.

    Die Beklagte verwendet zur Berechnung der monatlichen Sollarbeitszeit ein Dienstplanprogramm Careman. Dieses berechnet nicht auf Basis einer 7-Tage-Woche, vielmehr auf Basis einer 5-Tage-Woche (Montag bis Freitag) unter Berücksichtigung des Schichtsystems die jeweilige persönliche Arbeitszeit des Arbeitnehmers. Samstage und Sonntage fließen nicht mit in die Berechnung der Sollarbeitszeit ein. Fällt ein Feiertag auf einen Wochentag zwischen Montag und Freitag, so wird dieser Wochentag mindernd von der Sollarbeitszeit abgezogen. Fällt der Feiertag jedoch auf ein Wochenende, so findet eine Reduzierung der Soll-Arbeitszeit nicht statt.

    Mitarbeiter, die an einem normalen Wochenende, also auch an normalen Sonntagen arbeiten, erhalten hierfür neben der Zahlung der entsprechenden Zuschläge eine Gutschrift der Stunden auf dem Arbeitszeitkonto sowie einen Ausgleichstag an einem anderen Tag. Arbeiten sie an Wochenendfeiertagen, gewährt die Beklagte ihnen auf Wunsch der Mitarbeiter keinen Freizeitausgleich. Vielmehr vergütet sie diese Tätigkeit an Wochenendfeiertagen mit Zuschlägen von 135 % oder 150 % (Bl. 120 d.A.). Die an diesen Wochenendfeiertagen geleisteten Stunden schreibt sie dem Arbeitszeitkonto nicht als Ist-Stunden gut (Bl. 119 d.A.). Die Stunden tauchen im Arbeitszeitkonto nicht auf, werden dort nicht registriert. Obgleich Arbeit geleistet wurde, bleibt die Spalte "Ist-Arbeitszeit" an diesen Tagen leer (vgl. nur Anlage B7, Bl. 265 - 289, Anlage B5, ....). So geht die Beklagte ca. seit Ende 2007 vor.

    Trotz unstreitig tatsächlich angefallener Anwesenheit und Arbeitsleistung an den streitbefangenen Wochenendfeiertagen in Höhe von 96 Stunden und 30 Minuten wird sie auf dem Zeitkonto nicht verbucht.

    Der Kläger hat mit seiner am 02.05.2011 eingereichten Klage stets die Ansicht vertreten, ihm müsse für die an den Wochenendfeiertagen geleistete Arbeit sowohl im Arbeitszeitkonto die tatsächlich geleistete Arbeitszeit gutgeschrieben als auch der Feiertagszuschlag von 135 % bzw. 150 % je Stunde gezahlt werden. Die Gutschrift auf dem Arbeitszeitkonto sei daher nachzuholen. Diese zusätzliche Wertung als Arbeitszeit auf dem Arbeitszeitkonto hat er mit diversen außergerichtlichen Schreiben vom 27.10.2009; vom 27.04.2010; vom 30.6.2010 und vom 16.08.2010 geltend gemacht.

    Der Kläger hat beantragt,

    die Beklagte zu verurteilen, seinem Arbeitszeitkonto 96 Stunden und 30 Minuten hinzuzufügen.

    Die Beklagte hat beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Die Beklagte hat vorgetragen, da sie dem Kläger für die geleisteten 96,5 Stunden jeweils den "Stundenzuschlag ohne Freizeitausgleich von 135 % bzw. 150 %" im Sinne des § 39 Abs. 1 d) aa) und bb) der D...-Arbeitsbedingungen gezahlt habe, könne der Kläger nicht noch zusätzlich eine Gutschrift der geleisteten Arbeit auf seinem Arbeitszeitkonto verlangen. Das würde im Endeffekt zu einer Vergütung dieser Arbeitsleistung von 235 % bzw. 250 % führen. Eine solche Vergütung sei nach den D...-Arbeitsbedingungen jedoch nicht vorgesehen.

    Das Arbeitsgericht hat die auf Zeitgutschrift gerichtete Klage vom 02.05.2011, erweitert mit Schriftsatz vom 24.08.2011, mit Urteil vom 17.11.2011 abgewiesen. Das ist im Wesentlichen mit der Begründung geschehen, Ansprüche auf Zeitgutschrift bestünden nicht (mehr). Die Beklagte habe sich entschieden, die erhöhte Vergütung von 135 % bzw. 150 % zu zahlen und keinen Freizeitausgleich zu gewähren. Der Kläger erhielte anderenfalls 235 % bzw. 250 %, wenn er neben der Vergütung die Stundengutschrift bekäme. Das sehe § 39 der D...-Arbeitsbedingungen aber nicht vor. Ob Zahlung tatsächlich erfolgt ist, sei nicht Streitgegenstand. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Tatbestand, Anträge und Entscheidungsgründe des Urteils verwiesen.

    Gegen diese dem Kläger am 24.01.2012 zugestellte Entscheidung hat er am 23.02.2012 (Eingang) Berufung eingelegt, die nach Fristverlängerung bis zum 26.04.2012 am 24.04.2012 begründet wurde.

    Er ergänzt und vertieft im Wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen. Die im Arbeitszeitkonto ausgewiesene Ist-Arbeitszeit spiegele die tatsächlich vom Kläger geleistete Arbeit nicht wieder, da die Wochenendfeiertagsarbeitszeit nicht auftauche. Diese Stunden müssten auch ohne Freizeitausgleich als Plusstunden zusätzlich und neben den geleisteten Stundenzuschlägen von 135 % bzw. 150 % dem Arbeitszeitkonto hinzugefügt werden. Anderenfalls erhalte der Kläger für die Arbeitsleistung an Wochenendfeiertagen keine Grundvergütung.

    Der Kläger beantragt:

    1.

    Das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 17.11.2011 (2 Ca 540 c/11) wird abgeändert.

    2.

    Die Beklagte wird verurteilt, dem Arbeitszeitkonto des Klägers 96 Stunden und 30 Minuten hinzuzufügen.

    Die Beklagte beantragt,

    die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

    Sie hält das angefochtene Urteil sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht für zutreffend. Die Regelung unter § 39 Abs. 1 d) aa) bzw. bb) der D...-Arbeitsbedingungen differenziere zwischen der Möglichkeit, dem Mitarbeiter für die geleistete Tätigkeit Freizeitausgleich zu gewähren oder keinen Freizeitausgleich zu gewähren und eine erhöhte Vergütung zu zahlen. Die Regelung werde so gehandhabt, dass die von den Mitarbeitern geleistete Tätigkeit an Wochenendfeiertagen, die auf einen Samstag fielen, mit 135 % und an Feiertagen, die auf einen Sonntag fielen, mit 150 % vergütet würde. Würde dem Kläger darüber hinaus eine Stundengutschrift auf dem Arbeitszeitkonto gewährt werden, erhalte er mehr als das Zweifache der normalerweise zu zahlenden Vergütung. Einen solchen Anspruch sähen die D...-Arbeitsbedingungen nicht vor.

    Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

    Entscheidungsgründe

    I. Die Berufung ist zulässig.

    1) Sie ist der Beschwer nach statthaft, form- und fristgerecht eingelegt und innerhalb der Berufungsbegründungsfrist auch begründet worden.

    2) Die Klage ist mit der gebotenen Auslegung des Leistungsantrags zulässig. Der Kläger begehrt, dem Arbeitszeitkonto Stunden "hinzuzufügen". Das entspricht dem Inhalt eines Antrages, der darauf gerichtet ist, einem Arbeitszeitkonto Stunden "gutzuschreiben". Ein solcher Antrag ist hinreichend bestimmt. Der Antrag, einem Arbeitszeitkonto Stunden "gutzuschreiben", ist hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wenn der Arbeitnehmer ein Zeitkonto führt, auf dem zu erfassende Arbeitszeiten nicht aufgenommen wurden und noch geschrieben werden können. Gleichermaßen kann der Arbeitnehmer die Korrektur eines oder mehrerer auf seinem Arbeitszeitkonto ausgewiesener Salden beantragen (BAG vom 21.03.2012 - 5 AZR 676/11 [...], Rz. 16; BAG vom 10.11.2010 - 5 AZR 766/09 -[...], Leitsatz und Rz. 11 m.w.N.).

    II. Die Berufung ist auch begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Beklagte ist verpflichtet, dem Arbeitszeitkonto des Klägers die 96 Stunden und 30 Minuten, die er in der Zeit zwischen 2009 und 2011 unstreitig an Wochenendfeiertagen gearbeitet hat, hinzuzufügen. Dieser Anspruch ist nicht bereits dadurch erfüllt im Sinne des § 362 Abs. 1 BGB, dass sie dem Kläger für diese geleisteten Arbeitszeiten angesichts des nicht gewährten Freizeitausgleichs bereits Zeitzuschläge in Höhe von 135 % bzw. 150 % gezahlt hat.

    1) Der Umfang der geleisteten Stunden, über die gestritten wird, ist unstreitig. Die Tage, für die der Kläger wegen unstreitig erbrachter Arbeitsleistung zusätzliche Stundengutschriften begehrt, waren gesetzliche Feiertage. Sie lagen jeweils auf einem Samstag oder Sonntag. Bei den streitbefangenen Tagen handelt es sich um Wochenfeiertage und auf einen Sonntag fallende Feiertage im Sinne der §§ 17 Abs. 4, 39 Abs. 1 d) der D...-Arbeitsbedingungen.

    2) Der Kläger begehrt keine Erfassung von "Mehrstunden" für die an Wochenendfeiertagen geleistete Arbeitszeit. Er begehrt deren Erfassung als Ist-Arbeitszeit überhaupt.

    3) Die hier maßgeblichen Wochenendfeiertage sind nach dem unstreitigen Vorbringen der Parteien nicht vorab von der auf eine 5-Tage-Woche umgerechneten monatlichen Sollarbeitszeit abgezogen worden. Für an den streitbefangenen Wochenendfeiertagen geleistete Arbeit ist dem Kläger auch keine zusätzliche Freizeit an einem anderen Tag gewährt worden. Das ergibt sich bereits aus der Auswertung der von der Beklagten zur Akte gereichten Anlagen B3, B4, B5 und B7.

    4) Der Anspruch des Klägers auf Hinzufügung dieser Stunden folgt aus § 611 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 5 der Betriebsvereinbarung Arbeitszeit, Dienstplan-gestaltung vom 20. Dezember 2004, und zwar in der insoweit unveränderten Fassung vom 18.11.2010.

    a) Als Anspruchsgrundlage für das Begehren, bestimmte Zeiten auf dem vom Arbeitgeber geführten Arbeitszeitkonto "gutzuschreiben", kommt grundsätzlich § 611 Abs. 1 BGB in Verbindung mit gesetzlichen, tariflichen, betrieblichen oder einzelvertraglichen Regelungen in Betracht. Ein Arbeitszeitkonto hält fest, in welchem zeitlichen Umfang der Arbeitnehmer seine Hauptleistungspflicht nach § 611 Abs. 1 BGB erbracht hat oder aufgrund eines Entgeltfortzahlungstatbestands (z.B. § 616 Satz 1 BGB, § 2 Abs. 1 § 3 Abs. 1 EntgeltFG, § 1 BurlG, § 37 Abs. 2 BetrVG) nicht erbringen musste. Es hat Dokumentationsfunktion (vgl. BAG vom 21.03.2012 - 5 AZR 676/11 - [...], Rz. 20 m.w.N.). Es drückt aus, in welchem Umfang der Arbeitnehmer Arbeit geleistet hat und deshalb Vergütung beanspruchen kann, bzw. in welchem Umfang er noch Arbeitsleistung für die vereinbarte Vergütung erbringen muss (BAG vom 19.03.2008 - 5 AZR 328/07, [...], Rz. 10 m.w.N.; BAG vom 10.11.2010 - 5 AZR 766/09, [...], Rz. 16 m.w.N.).

    Bestimmt das Arbeitszeitkonto nach der zugrunde liegenden Abrede der Vertragsparteien den Vergütungsanspruch, hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf korrekte Führung (BAG vom 10.11. 2010, a.a.O.; BAG 5 AZR 328/07, a.a.O mit einer Vielzahl von Nachweisen). Geleistete Arbeit ist gem. § 611 Abs. 1 BGB in das Konto aufzunehmen ("gutzuschreiben"). Dabei können Arbeitsleistungen nach besonderen Regelungen höher (z.B. Mehrarbeit, Feiertagsarbeit) oder niedriger (z.B. Bereitschaftsdienst) bewertet werden, als es ihrem zeitlichen Einsatz entspricht. Die vergütungsrechtliche Bedeutung der Regelung ist ggf. durch Auslegung zu ermitteln. Aus der Gegenüberstellung der gutgeschriebenen Arbeitszeit und der vereinbarten Arbeitszeit ("Arbeitszeitsoll") ergibt sich der für den Vergütungsanspruch und/oder den Umfang der weiteren Arbeitspflicht maßgebliche Arbeitszeitsaldo (BAG vom 19.03.2008 - 5 AZR 328/07 - Rz. 10).

    Allerdings setzt die Gutschrift von Arbeitsstunden voraus, dass die gutzuschreibenden Stunden nicht vergütet wurden oder die dafür geleistete Vergütung vom Arbeitgeber wegen eines Entgeltfortzahlungstatbestandes auch ohne tatsächliche Arbeitsleistung hätte erbracht werden müssen (BAG vom 10.11.2010 - 5 AZR 766/09 - [...], Rz. 16).

    b) Die D...-Arbeitsbedingungen enthalten keine Regelungen dazu, wie die tatsächliche Arbeitszeit festzustellen ist.

    c) Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 der Betriebsvereinbarung "Arbeitszeit, Dienstplangestaltung" (im Folgenden: BV) werden die Plus- und Minusstunden auf dem Arbeitszeitkonto erfasst, die sich aus der Auswertung von Soll-Arbeitszeit (Dienstplanvorgabe) und Ist-Arbeitszeit ergeben. Tatsächlich sich ergebende Änderungen wie Urlaub, Krankheit, Freistellung etc. werden nachträglich eingepflegt. Gemäß § 5 Abs. 2 Satz 4 der BV werden die Daten der in dem jeweiligen Monat geleisteten Zeiten der Mitarbeiter erfasst. Nach Abgleich der in einem sogenannten Monatsjournal aufgeführten erfassten Zeiten erfolgt gemäß § 5 Abs. 2 Satz 9 der BV die Weitergabe zum Zwecke der Abrechnung (Bl. 126; Anl. B 6, Bl. 260 d. A.).

    Damit ergibt sich aus der Gegenüberstellung der auf dem Arbeitszeitkonto gutgeschriebenen Arbeitszeit und der vereinbarten Arbeitszeit ("Arbeitszeitsoll") der für den Vergütungsanspruch und/oder den Umfang der weiteren Arbeitspflicht maßgebliche Arbeitszeitsaldo im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Die Angaben sind mithin für den Vergütungsanspruch verbindlich.

    5) Die Beklagte hat alle an Wochenendfeiertagen erbrachten Arbeitsstunden des Klägers in das Arbeitszeitkonto als geleistete Ist - Stunden aufzunehmen.

    a) Die Betriebsvereinbarung "Arbeitszeit, Dienstplangestaltung" enthält keinerlei Ausnahmevorschriften, aus denen sich ergibt, dass und in welchem Umfang ggf. bestimmte Arbeitsleistungen nicht im Arbeitszeitkonto als geleistete Stunden aufzuführen sind. Jede geleistete Arbeitsstunde ist eine Ist-Stunde und hat im Arbeitszeitkonto ausgewiesen zu werden. Bereits vor diesem Hintergrund sind auch die an den Wochenendfeiertagen geleisteten Stunden als Ist-Stunden zu erfassen. Sie entsprechen der tatsächlich erbrachten Arbeitsleistung. Exakt diese hat sich im Arbeitszeitkonto widerzuspiegeln.

    b) Die Zuschlagsregelung des § 39 D...-Arbeitsbedingungen führt zu keinem anderen Ergebnis. Vor allem hat die Beklagte durch Zahlung der Feiertagszuschläge von 135 % bzw. 150 % für die streitbefangenen Wochenendfeiertage nicht bereits die gutzuschreibenden Stunden vergütet, so dass die Forderung des Klägers auf Gutschrift der Stunden gem. § 362 Abs. 1 BGB als erfüllt anzusehen ist.

    aa) Gem. § 39 Abs. 1 d) aa) bzw. gem. § 39 Abs. 1 d) bb) der D... - Arbeitsbedingungen erhält der Mitarbeiter neben seiner Vergütung/seinem Lohn Zeitzuschläge für Arbeit an Wochenfeiertagen sowie am Ostersonntag und am Pfingstsonntag mit Freizeitausgleich in Höhe von 35 % und ohne Freizeitausgleich in Höhe von 135 %. Für Arbeit an sonstigen Wochenfeiertagen, die auf einen Sonntag fallen, erhält er neben seiner Vergütung mit Freizeitausgleich 50% und ohne Freizeitausgleich 150%.

    bb) Nach dem Wortlaut des § 39 Abs. 1 d) aa) und bb) der D...-Arbeitsbedingungen wird "Arbeit" an gesetzlichen Wochenfeiertagen einschließlich der auf Sonntage fallenden Feiertage mit einem Zuschlag vergütet. Die Zuschlagspflicht setzt damit eine Arbeitspflicht voraus. Zweck der Regelung eines Zuschlags für Arbeit an Feiertagen ist, dass die Lästigkeit von Arbeit an den für die Mehrheit der Arbeitnehmer - immer noch - arbeitsfreien Sonn- und Feiertagen ausgeglichen werden soll. Das zeigt sich auch an der Höhe des Zuschlags, der für Arbeit an einem Wochenfeiertag, auch für Arbeit an einem auf einen Sonntag fallenden Wochenfeiertag, generell höher ist, als für Arbeit an einem Sonntag (vgl. BAG vom 19.09.2012 - 5 AZR 727/11 - [...], Rz. 18).

    cc) Die Parteien, die die D...-Arbeitsbedingungen ausgehandelt haben, differenzieren insoweit nicht zwischen Werktagen und Sonntagen. Im Gegenteil: Sie beziehen nach ihrem Wortlaut ausdrücklich bei der Feiertagszuschlagsregelung allgemein neben den Wochenfeiertagen im Sinne des § 17 Abs. 4 D...-Arbeitsbedingungen alle Sonntage (§ 39 Abs. 1 d) bb) und zudem gem. § 39 Abs. 1 d) aa) die einzigen gesetzlichen Sonntage, die immer Feiertage sind (Ostersonntag und Pfingstsonntag), in die Zuschlagspflicht ein, wenn auch letztere mit dem etwas geringeren Zuschlag, der für alle Werktagsfeiertage einschließlich der Samstage gilt . Hieraus ergibt sich bereits, dass alle diese Tage, wenn an ihnen gearbeitet werden muss, neben der allgemeinen Vergütung entweder mit 135 % bzw. 150 % (ohne Freizeitausgleich) oder mit 35 % bzw. 150% (mit Freizeitausgleich) zu vergüten sind.

    dd) Der Wortlaut des § 39 Abs. 1 d) aa) und bb) der D... - Arbeitsbedingungen ist eindeutig. Der Kläger hat danach für alle auf Wochenfeiertage fallende Tage und alle Sonntagsfeiertage, also alle Wochenendfeiertage, an denen er arbeiten muss, einen Anspruch auf Zeitzuschläge, die neben der Vergütung zu zahlen sind. Die Höhe dieser Zuschläge richtet sich danach, ob ihm Freizeitausgleich gewährt wird oder nicht.

    ee) Ein "Zuschlag" ist nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ein "zusätzlich zu zahlender Betrag" ein "Aufgeld, Aufschlag, Aufpreis" eine "Erhöhung", ein "Mehrbetrag" (so Brockhaus, Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Stichwort "Zuschlag" sowie Duden, Das Synonym-Wörterbuch, Stichwort "Zuschlag"). "Neben" bedeutet "abgesehen von, außer, nicht eingeschlossen, nicht inbegriffen, nicht enthalten", (Duden, Das Synonym-Wörterbuch, Stichwort "neben"). "Freizeitausgleich" ist immer das Substitut der Vergütung. Anstelle von Vergütung kann Freizeitausgleich gewährt werden. "Anstelle" bedeutet "statt"", "stellvertretend für" (vgl. BAG vom 12.12.2001 - 5 AZR 294/00 - [...], Rz. 23 m.w.N.).

    ff) Angewendet auf die Vorschrift des § 39 Abs. 1 d) aa) bzw. gem. § 39 Abs. 1 d) bb) der D... - Arbeitsbedingungen bedeutet das, dass die Beklagte den Arbeitnehmern, die an Wochenendfeiertagen arbeiten müssen, abgesehen von der monatlichen Vergütung einen zusätzlichen Mehrbetrag zahlen muss. Die Höhe des Mehrbetrages ist gestaffelt. Sie richtet sich danach, ob an Stelle von Vergütung bezahlter Freizeitausgleich gewährt wurde (vgl. zum insoweit wortlautidentischen § 39 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe des D...-TV die Entscheidung des BAG vom 22.08.1995, 3 AZR 42/95 - [...], Rz. 13). Ist Letzteres der Fall, reduziert sich der Zuschlag, also der Aufpreis von 135% bzw. 150% auf 35% bzw. 50%. Da vereinbarungsgemäß kein Freizeitausgleich gewährt wird, besteht ein Anspruch auf Zuschläge in Höhe von 135 % bzw. 150 %, die "neben" der monatlichen Vergütung geschuldet sind. § 39 der D...-Arbeitsbedingungen regelt daher in der Tat entgegen der Ansicht der Beklagten insoweit das Bestehen eines Vergütungsanspruches von 235 % für an Wochenendfeiertagen geleistete Arbeit (vgl. zum wortlautidentischen § 8 Abs. 1 d) TVöD die Entscheidung des BAG vom 15.01.2013 - 9 AZR 430/11 - [...], Rz. 40, siehe auch BAG vom 21.03.2002- 6 AZR 194/01 - [...], Rz. 19).

    Angesichts dessen hat die Beklagte durch Zahlung der Zuschläge von 135 % bzw. 150 % für die streitbefangenen Stunden diese Stunden noch nicht bereits vergütet. Die Forderung des Klägers auf Gutschrift der Stunden auf dem Arbeitszeitkonto ist nicht bereits gem. § 362 Abs. 1 BGB durch den Freizeitausgleich als erfüllt anzusehen. Die Beklagte hat die an diesen Wochenendfeiertagen geleisteten Stunden nicht als Ist - Arbeitszeit berücksichtigt. Hierzu ist sie ungeachtet der Zahlung der Freizeitausgleichszuschläge von 135 % bzw. 150 % aber verpflichtet. Gegenwärtig gibt das Konto nicht den Umfang der vom Kläger geleisteten Arbeit und seinen spiegelbildlichen Vergütungsanspruch wieder.

    6) Diesem Ergebnis steht auch keine etwaige anderslautende einvernehmliche Regelung mit den Mitarbeitern der Beklagten aus dem Jahre 2007 oder 2008 entgegen. Es mag zutreffen, dass das Abrechnungssystem auf ausdrücklichem Wunsch der Arbeitnehmer von Freizeitausgleich in Auszahlung der Zuschläge geändert wurde (Ss. der Beklagten v. 25.06.2012 - Bl. 120 d. A.). Ansprüche aus Betriebsvereinbarungen gelten gem. § 77 Abs. 4 BetrVG unmittelbar und zwingend. Auf sie kann nicht verzichtet werden. Auf Ansprüche, die sich aus den D...-Arbeitsbedingungen ergeben, soweit sie überhaupt abdingbar sein sollten, hat jedenfalls der Kläger ausweislich der vorliegenden Korrespondenz gerade nicht - schriftlich - verzichtet. Abgesehen davon ergibt sich aus dem Vorbringen der Beklagten auch nicht, dass die Arbeitnehmer durch Abreden zur Frage des Freizeitausgleichs auf ihnen vertraglich zustehende Vergütungsansprüche verzichten wollten.

    7) Aus den genannten Gründen war das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster abzuändern. Die Beklagte ist verpflichtet, dem Arbeitszeitkonto des Klägers die an Wochenendfeiertagen geleisteten 96 1/2 Arbeitsstunden als geleistete Ist - Stunden hinzuzufügen.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

    Die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor, so dass die Revision nicht zuzulassen war. Vorliegend handelt es sich ausschließlich um eine Einzelfallentscheidung. Die dieser Entscheidung zugrundeliegenden grundlegenden Rechtsfragen sind durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts geklärt.

    Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Revision nicht gegeben; im Übrigen wird auf § 72 a ArbGG verwiesen.

    Verkündet am 07.08.2013

    VorschriftenFeiertagszuschlag, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, § 362 Abs. 1 BGB, § 611 Abs. 1 BGB, § 611 Abs. 1 BGB, § 611 Abs. 1 BGB, § 616 Satz 1 BGB, § 3 Abs. 1 EntgeltFG, § 37 Abs. 2 BetrVG, § 611 Abs. 1 BGB