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  • · Fachbeitrag · Reparaturkosten

    Desinfektionskosten: Weitere Urteile, auch zu fiktiver Abrechnung und zu Kasko

    | Jedes Urteil zu den Desinfektionskosten ermöglicht Ihnen die Kenntnis darüber, wie „Ihr“ Gericht in Bezug auf Desinfektionskosten entscheidet. Teilweise kommen auch neue Aspekte hinzu, z. B. die fiktive Abrechnung und Kaskoschäden. |

    Weitere zusprechende Urteile zu Haftpflichtschäden

    Einige Gerichte ordnen die Desinfektionskosten dem Werkstattrisiko zu. Die entsprechenden Urteile sind mit dem Kürzel „WR“ markiert.

     

    • AG Amberg, Urteil vom 29.01.2021, Az. 2 C 624/20, Abruf-Nr. 220415, eingesandt von Rechtsanwalt Michael Schüll, Amberg
    • AG Aschaffenburg, Urteil vom 01.02.2021, Az. 123 C 1851/20, Abruf-Nr. 220437 eingesandt von Rechtsanwalt Philipp Hüller, Aschaffenburg
    • AG Bayreuth, Urteil vom 16.12.2020, Az. 102 C 1032/20, Abruf-Nr. 220276, eingesandt von Rechtsanwältin Anke Elßner, Bayreuth
    • AG Hannover, Urteil vom 02.02.2021, Az. 443 C 11482/20, Abruf-Nr. 220494, eingesandt von Rechtsanwalt Johannes Weber, Buchholz/Nordheide
    • AG Kelheim, Urteil vom 12.01.2020, Az. 1 C 444/20, Abruf-Nr. 220495, eingesandt von Rechtsanwalt Martin Jais, Landshut
    • AG Kerpen, Urteil vom 14.01.2021, Az. 102 C 177/20, Abruf-Nr. 220218, eingesandt von Rechtsanwalt Norbert Kanand, Aachen

    Interessanter Begründungsansatz beim AG Aschaffenburg

    Das AG Aschaffenburg sieht nicht nur den Aufwand der Desinfektion des Fahrzeugs selbst, sondern den Gesamt-Mehraufwand, der durch die Notwendigkeit der Desinfektion entsteht. So sieht es auch das AG Coburg in einem sehr lesenswerten Urteil (AG Coburg, Urteil vom 15.01.2021, Az. 15 C 3241/20, Abruf-Nr. 220217, eingesandt von Rechtsanwalt Ralph Burkard, Meckenheim).

    Halbierung der Kosten wegen rein und raus

    Wie bereits das AG Wolfratshausen (Ausgabe 2/2021, Seite 6) halbiert auch das AG Hannover in einem Urteil (anders als bei dem oben in der Liste aufgeführten) die geltend gemachten Kosten. Das Argument: Die Desinfektion bei der Hereinnahme schütze nur die Mitarbeiter. Nur die Desinfektion vor der Übergabe an den Kunden sei daher erstattungsfähig (AG Hannover, Urteil vom 28.01.2021, Az. 532 C 11097/20, Abruf-Nr. 220287, eingesandt von Rechtsanwalt Lars Kasulke, Hannover).

     

    PRAXISTIPP | Sie sollten in der Rechnung (wahrheitsgemäß!) klarstellen, dass die Kosten die Desinfektion vor der Herausgabe des reparierten Fahrzeugs an den Kunden betreffen.

     

    Ablehnende Urteile

    Das AG Stuttgart hat entschieden, eine Pandemie wie die derzeitige komme alle 100 bis 1.000 Jahre vor und sei deshalb so unwahrscheinlich, dass die Folgen einem Schädiger nicht zuzurechnen seien. Es hat jedoch die Berufung zugelassen, die auch eingelegt wurde. Allerdings hat eine erstinstanzliche Kammer am LG Stuttgart auch bereits entschieden, es fehle an der Zurechenbarkeit („nicht adäquat kausal“) zwischen Virus und Schadenfolge.

     

     

    PRAXISTIPPS | Versicherer werden sich auf diese Urteile berufen. Doch UE liefert Ihnen gute Gegenargumente:

    • Nutzen Sie dazu die entsprechenden Textbausteine auf ue.iww.de.
    • Zitieren Sie folgenden Auszug aus der o. g. Entscheidung des AG Amberg: „Die Desinfektion würde ohne den Unfall auch nicht erforderlich werden, der Unfall ist äquivalent kausal. Die Maßnahme ist auch gerade nicht so weitliegend entfernt, dass sich die adäquate Kausalität ausschließen würde. Es liegt im Gegenteil eine nachvollziehbare, aus infektiologischen Gesichtspunkten gebotene Vorsichtsmaßnahme vor.“
     

    Desinfektionskostenerstattung bei fiktiver Abrechnung

    • Das AG Köln spricht in einem sehr gut begründeten Urteil die Desinfektionskostenerstattung auch für die fiktive Abrechnung zu. Genau wie der BGH denkt es sich die Reparatur und damit auch die Desinfektionskosten. Das Argument, dass der Geschädigte vielleicht erst reparieren lässt, wenn die Pandemie vorüber ist, lässt es nicht gelten. Maßgeblich sei der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (AG Köln, Urteil vom 14.01.2021, Az. 261 C 157/20, Abruf-Nr. 219977, eingesandt von Rechtsanwalt Thomas Engelberg, Siegburg).

     

    • Ein weiteres Urteil zu den Desinfektionskosten bei fiktiver Abrechnung kommt vom AG Amberg: „Das Gericht hält auch die angesetzten Desinfektionskosten für ersatzfähig. Sie sind entstanden in Zusammenhang mit den notwendigen Coronaschutzmaßnahmen. Es handelt sich auch insoweit um Kosten, die bei einer stattgehabten Reparatur auch tatsächlich anfallen würden“ (AG Amberg, Urteil vom 28.12.2020, Az. 1 C 535/20, Abruf-Nr. 220497).

     

    • Ablehnend entschied hingegen das AG Nordhorn. Seine Begründung: „Eine Desinfektion dürfte zwar in Zeiten der Corona-Pandemie nach erfolgter Reparatur eines Fahrzeugs, die ein Berühren des Fahrzeugs durch Dritte erfordert, notwendig sein. Ein Fall konkreter Abrechnung nach erfolgter Reparatur ist vorliegend aber nicht gegeben“ (AG Nordhorn, Urteil vom 15.12.2020, Az. 3 C 476/20, Abruf-Nr. 220498).

     

    PRAXISTIPP | Das AG Nordhorn verfehlt die Rechtsprechung des BGH zur fiktiven Abrechnung: Der stellt auf die „gedachte Reparatur“ ab (BGH, Urteil vom 18.02.2020, Az. VI ZR 115/19, Rz. 15, Abruf-Nr. 215406). Und bei der gedachten Reparatur läge ein Berühren vor. Das Argument „es wurde ja nicht desinfiziert“ zieht bei der fiktiven Abrechnung nicht. Denn es wurde ja auch nicht repariert. Es kommt nur darauf an, ob desinfiziert worden wäre und ob die Werkstatt, die für die gedachte Reparatur das Maß der Dinge ist, die Kosten berechnet hätte.

     

    Desinfektionskostenerstattung bei Kaskoschäden

    Nach dem AG Aachen (Ausgabe 1/2021, Seite 1) haben nun auch das AG Kerpen und das AG Kelheim die Desinfektionskosten auch für Kaskoschäden zugesprochen. Denn für den Fall, dass der Kaskovertrag dazu nichts enthält, ist als Auslegungshilfe für die n„erforderlichen Kosten der Reparatur“ das Haftpflichtschadenrecht heranzuziehen.

     

    • AG Kerpen, Urteil vom 14.01.2021, Az. 102 C 177/20, Abruf-Nr. 220218, eingesandt von Rechtsanwalt Norbert Kanand, Aachen
    • AG Kelheim, Urteil vom 12.01.2020, Az. 1 C 444/20, Abruf-Nr. 220495, eingesandt von Rechtsanwalt Martin Jais, Landshut

     

    Das bedeutet in der Konsequenz: Die Gerichte, die die Desinfektionskosten bei einem Kaskoschaden als erstattungsfähig ansehen, sehen sie auch bei Haftpflichtschäden als erstattungsfähig an.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Anwaltstextbaustein RA031: Desinfektionskosten und der Gemeinkostenaspekt ‒ Klagebegründung → Abruf-Nr. 46669171. Dieser enthält nun Ausführungen zum Problem „adäquat kausal“ und zur fiktiven Abrechnung
    • Textbaustein 511: Mit Desinfektionskosten ist zu rechnen (H/K) → Abruf-Nr. 47006610. Dieser ist speziell an die Bedürfnisse der Werkstätten angepasst. Allerdings glauben wir nicht, dass Versicherer daraufhin einknicken.
    • Anwaltstextbaustein RA030: Das Grundprinzip der fiktiven Abrechnung ‒ Schriftsatz → Abruf-Nr. 46646853
    • Urteile, die die Kosten „nur“ zusprechen und keine Besonderheiten aufweisen, wird UE ab April nur noch in der Liste unter der Abruf-Nr. 47041768 aufnehmen.
    Quelle: Ausgabe 03 / 2021 | Seite 7 | ID 47132496