· Fachbeitrag · Reparaturkosten
Erstattung der MwSt bei Beschädigung eines finanzierten/geleasten Fahrzeugs und privatem Nutzer
| In der Ausgabe 5/2021 berichtete UE, dass ein Versicherer bei finanzierten oder geleasten Fahrzeugen und privaten Nutzern die Reparaturkosten regelmäßig nur netto erstattet. Seine Auffassung: Es sei auf die Bank oder auf die Leasinggesellschaft als Sicherungseigentümer abzustellen. Die sei zum Vorsteuerabzug berechtigt. UE hielt das für falsch, weil der Kredit- oder Leasingnehmer in seiner Rolle als Nutzer des finanzierten oder geleasten Fahrzeugs der Bank gegenüber zur Reparatur im eigenen Namen verpflichtet ist, weshalb auf ihn abzustellen sei. Genauso hat es nun die Berufungskammer des LG Coburg in mehreren Urteilen entschieden. |
Die Finanzierungsfälle und die Reparaturverpflichtung
Ist der Darlehensnehmer und Fahrzeugnutzer finanzierungstypisch kreditvertraglich verpflichtet, das verunfallte Fahrzeug im eigenen Namen und auf eigene Rechnung reparieren zu lassen, entsteht ihm dem Schädiger gegenüber ein eigener Schadenersatzanspruch wegen der Fahrzeugbeschädigung. Dem steht nicht entgegen, dass das Fahrzeug im Sicherungseigentum der Bank steht. Denn dieser eigene Anspruch ist der sog. und in der Rechtsprechung nahezu lückenlos anerkannte „Haftungsschaden“. Deshalb ist insoweit auf die Verhältnisse des Fahrzeugnutzers abzustellen. Ist der nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, muss der Schädiger die Reparaturkosten brutto erstatten (LG Coburg, Urteil vom 28.05.2021, Az. 32 S 7/20, Abruf-Nr. 222651, eingesandt von Rechtsanwalt Dr. Ralph Burkard, Meckenheim).
Klausel im Darlehensvertrag ist keine unzumutbare Benachteiligung
Die Klausel im Darlehensvertrag, die dem Darlehensnehmer die Pflicht zur Reparatur aufbürdet, ist nicht wegen unangemessener Benachteiligung des Darlehensnehmers unwirksam. Sie entspricht der Interessenlage der am Darlehensvertrag Beteiligten: Die Bank hat überhaupt keine Sachnähe zu dem Fahrzeug, sie sieht es nicht, sie nutzt es nicht.
Kein unzulässiger Vertrag zulasten Dritter
Ein unzulässiger Vertrag zulasten eventueller Schädiger ist das auch nicht. Denn es ist ohnehin vom Zufall abhängig, ob der Schädiger auf einen vorsteuerabzugsberechtigten Geschädigten trifft. Außerdem ist die höhere Belastung des Schädigers durch die Aufbürdung der Reparaturpflicht auf den Geschädigten nicht die direkte Folge des Vertrags, sondern nur ein Reflex des Vertrags.
Wichtig | Das LG Coburg hat angesichts der nahezu einhelligen gleichen Sichtweise anderer Gerichte die Revision zum BGH nicht zugelassen (LG Coburg, Urteile vom 28.05.2021, Az. 32 S 3/21; 32 S 7/21; 32 S 19/21; 33 S 93/20, Abruf-Nr. 222651, eingesandt von Rechtsanwalt Dr. Ralph Burkard, Meckenheim).
Zusatzargument: Umsatzsteuerfreiheit bei Banken hat Grenzen
Einen weiteren Begründungsstrang konnten die Berufungskammern außer Acht lassen, weil es wegen der Hauptbegründung darauf nicht mehr ankam:
Die Prämisse, die Bank sei im Hinblick auf das beschädigte Fahrzeug vorsteuerabzugsberechtigt, ist bereits grundfalsch. Das ergibt sich aus dem Umsatzsteuer-Anwendungserlass vom 01.10.2010, BStBl I, S. 846, Stand März 2021 (UStAE): Rund um Kreditvergaben unterliegen Banken nicht der Umsatzsteuer, 4.8.2 UStAE. Alles, was mit Sicherheiten für das Darlehen zu tun hat, gilt als unselbstständiges Nebengeschäft zur Darlehensgewährung und wird umsatzsteuerlich wie die Hauptsache behandelt. Bei einem ordnungsgemäß bedienten Kredit und damit dem Stadium des Sicherungseigentums wäre die Reparatur des Sicherungsgegenstandes nicht „für das Unternehmen“ der Bank erfolgt. Damit fehlt es an der elementaren Voraussetzung (15.2. Abs. 2 Ziff. 3 UStAE) für den Vorsteuerabzug durch die finanzierende Bank. Also gäbe es den Vorteil der Erstattung der Mehrwertsteuer durch den Fiskus auch dann nicht, wenn die Bank der Auftraggeber der Reparatur wäre.
Die Leasingfälle bei privatem Leasingnehmer
Bei den Leasingfällen hingegen ist der Leasinggeber als Eigentümer des Fahrzeugs zwar eindeutig vorsteuerabzugsberechtigt, weil das Fahrzeug eben nicht nur als Sicherheit dient. Stattdessen wird es aus dem Betriebsvermögen des Leasinggebers heraus langzeitvermietet. Doch das ändert nichts daran, dass der Schädiger die Reparaturkosten dann brutto erstatten muss, wenn der Leasingnehmer zum einen leasingvertraglich zur Reparatur des Fahrzeugs nach einem Unfall verpflichtet und zum anderen selbst nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.
Es ist leasingtypisch, dass der Leasinggeber die Reparaturverpflichtung dem Leasingnehmer aufbürdet. Nach Auffassung der von der Präsidentin des Landgerichts geleiteten Berufungskammer des LG Coburg geht das auch in Ordnung, weil der Leasingnehmer faktisch im Besitz des Fahrzeugs ist. Auch das ist also das Argument der Sachnähe. Weil nun der Leasingnehmer gegenüber dem Leasinggeber zur Reparatur des Fahrzeugs nach dem Unfallschaden verpflichtet ist, entsteht ihm ‒ genauso wie oben dargestellt dem Darlehensnehmer bei den Finanzierungsfällen ‒ ein Haftungsschaden, für den der Schädiger ersatzpflichtig ist.
Auch insoweit hat das LG die Revision wegen Übereinstimmung mit der „absolut herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur“ nicht zugelassen (LG Coburg, Urteil vom 28.05.2021, Az. 33 S 10/21, Abruf-Nr. 222776, eingesandt von Rechtsanwalt Dr. Ralph Burkard, Meckenheim)
Weiterführende Hinweise
- Aktualisiert ist der Textbaustein 359: Sicherungsübereignung und Mehrwertsteuer (H) → Abruf-Nr. 42389468. Aktualisiert ist der speziell auf Rechtsanwälte zugeschnittene Textbaustein: RA039: Schadenersatz bei finanziertem Fahrzeug in Privathand brutto ‒ Klagebegründung → Abruf-Nr. 47330956
- Neu ist der Textbaustein 519: Schaden an geleastem Fahrzeug in Privathand: Schadenersatz brutto auf Seite 19 dieser Ausgabe → Abruf-Nr. 47456388.
- Neu ist RA043 Schadenersatz bei geleastem Fahrzeug in Privathand brutto ‒ Klagebegründung → Abruf-Nr. 47452901