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  • · Fachbeitrag · Restwert

    Neue Attacke eines Versicherers auf die Restwertangebote

    | Das Restwertthema führt zu immer neuen Variationen in der Argumentation der Haftpflichtversicherer. Ein aktueller Angriff einer Gesellschaft ist Grundlage der folgenden Leserfrage eines Rechtsanwalts: Danach will der Versicherer das Restwertangebot des Autohauses nicht akzeptieren, welches das Gutachten „in Auftrag gegeben“ hat. |

     

    Frage: Ist Ihnen Rechtsprechung zu folgender Konstellation bekannt? Die gegnerische Haftpflichtversicherung schreibt: „Das Autohaus XY hat das Gutachten in Auftrag gegeben; das Fahrzeug wurde dort besichtigt; die Fa. XY hat dann auch das höchste Angebot abgegeben. Dies können wir nicht akzeptieren. Wir legen deshalb weiterhin das Restwertangebot von EUR 7.800,00 unserer Abrechnung zugrunde.“ Dieser Einwand ist uns neu. Die Restwertrechtsprechung des BGH, wonach sich der Geschädigte auf den am örtlichen Markt ermittelten und im Gutachten dreifach belegten Restwert verlassen darf, ist uns im Detail bekannt. Wir wollen nur ausschließen, eine neue Entwicklung übersehen zu haben.

     

    Antwort: Diese Argumentation eines Versicherers kennen wir bisher auch nicht. Sie ist in mehrfacher Hinsicht falsch.

    Das Autohaus ist nicht der Auftraggeber

    Zum einen hat nicht das Autohaus den SV beauftragt (dann gäbe es ja gar keinen Erstattungsanspruch), sondern der Geschädigte, der dazu die Werkstatt als Erklärungsboten nutzte.

     

    PRAXISHINWEIS | Hier müssen die Sachverständigen besser aufpassen. Nicht selten heißt es im Vorspann des Gutachtens „Auftrag durch: Autohaus“ oder Werkstatt, Abschleppunternehmer und Ähnliches. Diese Ungenauigkeiten provozieren solche Einwendungen des Versicherers, obwohl das auslegungsfähig ist. Richtig muss das heißen: „Auftrag durch: Geschädigten, Kontakt über Werkstatt“. Allerdings stellt sich durchaus die Frage, warum dazu überhaupt etwas geschrieben wird.

     

    Restwertkauf durch das Autohaus nicht zu beanstanden

    Zum anderen heißt es in der Ur-Entscheidung des BGH (Urteil vom 21.1.1992, Az. VI ZR 142/91, Abruf-Nr. 010376) ausdrücklich in Bezug auf den Geschädigten: „Hat er z.B. das Fahrzeug der ihm vertrauten Vertragswerkstatt oder einem angesehenen Gebrauchtwagenhändler bei dem Erwerb eines Ersatzwagens in Zahlung gegeben, so kann der Schädiger gegenüber deren Ankaufangebot nicht auf einen höheren Restwerterlös verweisen, der nur auf einem dem Geschädigten erst durch ihn eröffneten Sondermarkt, etwa durch Einschaltung spezialisierter Restwerte-Aufkäufer, zu erzielen wäre.“

     

    Der Verkauf an das Autohaus, das der Geschädigte kontaktiert hat, ist also der prototypische Fall, den der BGH vor Augen hat.

    Auch die Verknüpfung ist nicht problematisch

    Der Versicherer stößt sich daran, dass die Auswahl des Sachverständigen eventuell durch das Autohaus erfolgte. Doch das kann man nicht ernsthaft als Kriterium gegen den laut BGH nur anzurechnenden Restwert aus dem Schadengutachten anführen.

     

    Ein Kraftfahrer hat statistisch betrachtet zirka alle 13 Jahre (und wenn es nur fünf oder acht oder zehn Jahre sein sollten, macht das keinen Unterschied) einen Unfall, der unter Haftpflichtschadengesichtspunkten das Recht auf ein Schadengutachten trägt. Dass er in der Situation nicht selbst weiß, wer ein vertrauenswürdiger Sachverständiger ist, liegt auf der Hand. Es ist für ihn mehr als naheliegend, nun im vertrauten Autohaus nachzufragen, welcher Sachverständige zu empfehlen sei, und dieser Empfehlung zu folgen.

     

    Die in der Argumentation des Versicherers liegende Unterstellung, ein Schadengutachter sei mit den Ergebnissen des Schadengutachtens dem Empfehler gefällig, mag darauf beruhen: Der Versicherer erwartet gegebenenfalls solches vom Sachverständigen, wenn er selbst Auftraggeber oder Empfehler ist. Eine Verallgemeinerung dieser Art verbietet sich jedoch. Im Übrigen bleibt dem Versicherer noch immer der Weg, den Schadengutachter in Regress zu nehmen auf der Grundlage des „Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter“. Dann hat er aber die volle Vortrags- und Beweislast dafür, dass der ermittelte Restwert nicht den BGH-Kriterien entspricht.

     

    PRAXISHINWEIS | Mit dem Textbaustein 398 können Sie die Argumente des Versicherers entkräften.

    Der Klassiker vom Unfallhelferring

    In dem Anwurf des Versicherers schimmert mal wieder der Klassiker vom „Unfallhelferring>“ durch. So nannte man früher Konstellationen von Werkstätten oder Abschleppunternehmern auf der einen und Sachverständigen und Rechtsanwälten auf der anderen Seite, die zum Nachteil des Geschädigten nur die eigenen Interessen verfolgten.

     

    In diesem Zusammenhang ist bis heute die Entscheidung des BGH (Beschluss vom 20.6.2006, Az. VI ZB 75/05, Abruf-Nr. 062568) maßgeblich. Auf das Argument „Unfallhelferring“ kann sich der Versicherer demnach nur berufen und gegebenenfalls die Leistung verweigern, wenn aufgrund konkreter Umstände festgestellt wird, dass Schadendienstleister zum Nachteil des Geschädigten zusammenarbeiten.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Textbaustein 398: Restwert: „Auswahl“ des SV durch Autohaus (H)
    Quelle: Ausgabe 09 / 2015 | Seite 7 | ID 43558205