· Fachbeitrag · Verbringungskosten
So wehren Sie willkürliche Kürzungen der Versicherer bei Verbringungskosten erfolgreich ab
| Es wird heftig gestritten, um die Verbringungskosten. Z. B. über die Erstattungsfähigkeit der Verbringungskosten an sich im Haftpflicht- und im Kaskofall sowie deren Höhe bei konkreter Reparatur oder fiktiver Abrechnung. UE verschafft Ihnen einen Überblick und liefert Ihnen dazu Textbausteine, mit denen Sie Ihre Rechte gegen kürzungswütige Versicherer durchsetzen können. |
Verbringungskosten im Haftpflichtfall erstattungsfähig
Seit Langem sind die Verbringungskosten im Fokus der Versicherer. In einem Verfahren vor dem AG München hatte der Versicherer kühn vorgetragen, markengebundene Fachwerkstätten hätten nahezu ausnahmslos eine eigene Lackiererei, und die wenigen, die keine hätten, würden keine Verbringungskosten berechnen.
Das wurden dann teure Verbringungskosten. Denn das Gericht hat dazu ein Sachverständigengutachten eingeholt, dessen Ergebnis Kenner des Markts keineswegs überrascht: Der Sachverständige konnte diese These des Versicherers nicht bestätigen. Die Verbringungskosten wurden zugesprochen (AG München, Urteil vom 11.12.2014, Az. 333 C 32338/13, Abruf-Nr. 143864).
PRAXISHINWEIS | Bei konkreter Abrechnung nach durchgeführter Reparatur ist die Durchsetzung einfach: Der Geschädigte muss ganz sicher nicht so lange suchen, bis er eine Werkstatt findet, die keine Verbringungskosten berechnet. Also sind die Verbringungskosten erforderlich i. S. v. § 249 Abs. 2 BGB. |
Es ist selbstverständlich, dass der eintrittspflichtige Haftpflichtversicherer diese Kosten übernehmen muss, denn sie gehören zu den erforderlichen Kosten der Reparatur. Dazu liegen diverse Urteile vor:
- Für die Zuerkennung der Verbringungskosten als Schadenposition genügt es dem AG Arnsberg, dass gerichtsbekannt alle Markenwerkstätten in der Umgebung Verbringungskosten berechnen und dass sich der geltend gemachte Betrag im gerichtsbekannten ortsüblichen Rahmen hält. Es ging um ein zweieinhalb Jahre altes Fahrzeug, bei dem die Reparatur in der Markenwerkstatt ein selbstverständliches Recht ist. Auf die Abrechnungspraxis der Werkstätten außerhalb der Markenwelt kam es daher von vorneherein nicht an (AG Arnsberg, Urteil vom 08.03.2019, Az. 3 C 340/18, Abruf-Nr. 207784.
- Bei einer tatsächlich durchgeführten Reparatur in einer Markenwerkstatt, die keine eigene Lackiererei hat, gehören die Verbringungskosten zum vom gegnerischen Haftpflichtversicherer zu ersetzenden Schaden (AG Günzburg, Urteil vom 06.09.2011, Az. 1 C 164/11, Abruf-Nr. 113208).
PRAXISHINWEIS | Bei der konkreten Abrechnung nach durchgeführter Reparatur muss der Versicherer die Verbringungskosten erstatten, die in der Reparaturrechnung aufgeführt sind. Das gilt insbesondere, wenn die Verbringungskosten auch in der berechneten Höhe im Schadengutachten vorgesehen waren. Die Übersicht „Verbringungskosten in Reparaturrechnung und Gutachten: Versicherer muss in voller Höhe erstatten“, zeigt Ihnen, welche Gerichte dieser Linie folgen. Sie finden die Übersicht auf ue.iww.de → Abruf-Nr. 44799232.
- Der Versicherer kann vom Geschädigten nicht verlangen, dass er eine Werkstatt sucht, die eine eigene Lackiererei hat, um Verbringungskosten zu vermeiden (AG Backnang, Urteil vom 16.08.2012, Az. 6 C 225/12, Abruf-Nr. 122655).
- Der eintrittspflichtige Haftpflichtversicherer muss bei einer tatsächlich durchgeführten Reparatur die berechneten Verbringungskosten erstatten, wenn die sich im Rahmen dessen halten, was im Schadengutachten prognostiziert war. Denn solche Verbringungskosten darf der Geschädigte schadenrechtlich für erforderlich halten, entschied das AG Hattingen (Urteil vom 18.03.2016, Az. 11 C 211/15, Abruf-Nr. 146765)
- Wenn eine Reparaturfirma die firmen- oder gruppeneigene Lackiererei räumlich ausgelagert hat, sind Verbringungskosten zu ersetzen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.01.2010, Az. I-1 U 140/09, Abruf-Nr. 101049). Im Prozess vor dem OLG Düsseldorf ging es um eine Mercedes-Niederlassung. Diese ist an mehreren Standorten präsent. Sie unterhält eine an einem weiteren Standort angesiedelte Lackiererei, die zentral für alle Standorte tätig ist.
PRAXISHINWEIS | Das Urteil ist übertragbar auf jede Werkstatt, die eine eigene ausgelagerte Lackiererei unterhält. Eine Ausnahme gilt wohl, wenn sich die Lackiererei direkt auf dem Nachbargrundstück befindet.
Die Höhe der Verbringungskosten
Wie immer im Haftpflichtschadenrecht muss unterschieden werden zwischen
- der werkvertraglichen Frage im Verhältnis zwischen der Werkstatt und dem Geschädigten und
- der schadenrechtlichen im Verhältnis vom Geschädigten zum gegnerischen Versicherer.
Wenn bei einem Werkvertrag über die Gesamtkosten oder über einzelne Positionen der Rechnung keine konkrete vorherige Vereinbarung vorliegt, darf die Werkstatt gemäß § 632 Abs. 2 BGB „das Übliche“ berechnen.
PRAXISHINWEIS | Allgemeingültige Beträge gibt es hier nicht. Diese sind regional unterschiedlich. Jeder Schadengutachter müsste den Überblick haben, welche Betriebe in der Region welche Beträge berechnen. Daraus lässt sich „das Übliche“ ermitteln, also die Bandbreite „von ... bis“. Das Übliche mit dem Durchschnitt gleichzusetzen, wäre falsch. Denn dann wäre der Durchschnitt die Obergrenze. Das würde sofort zu einem neuen Durchschnitt führen. |
Das, was die Werkstatt in nach § 632 Abs. 2 BGB zulässiger Weise an den Geschädigten berechnet, muss der Versicherer auch erstatten. Das kann er nicht durch willkürlich ersonnene Beträge ersetzen.
Mit dem AG Landshut und dem AG Mühlhausen haben zwei Gerichte die Position von Kfz-Werkstätten gegenüber den Versicherern gestärkt: Beide Gerichte halten bei den Verbringungskosten einen Aufwand von 1,5 Stunden für angemessen. Der Versicherer darf nicht kürzen.
- AG Landshut: Berechnet die Werkstatt Verbringungskosten (hin und zurück) mit einem Aufwand von 1,5 Stunden, ist das jedenfalls bei den konkreten Umständen des Falls nicht zu beanstanden. Im Übrigen sind die Kosten dem Geschädigten in Rechnung gestellt und schon von daher erstattungspflichtig (AG Landshut, Urteil vom 10.06.2016, Az. 3 C 565/16, Abruf-Nr. 187107).
- Ebenso sieht es das AG Mühlhausen: Bei einer einfachen Transportentfernung von 12,5 km sind 1,5 Stunden angemessen. So war es auch im Schadengutachten notiert und so ist es berechnet, und schon deshalb ist das aus Sicht des Geschädigten erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB (AG Mühlhausen, Urteil vom 24.06.2016, Az. 3 C 90/16, Abruf-Nr. 187227).
Verbringungskosten, wenn nur lackiert werden muss
Auch wenn die Schadenbeseitigung allein durch Lackierungsarbeiten erfolgt, darf der Geschädigte das Fahrzeug zur Reparatur in einer Werkstatt der Marke zur Reparatur geben. Das ergibt sich aus einer Entscheidung des AG Berlin-Mitte (Urteil vom 06.05.2015, Az. 112 C 3004/15, Abruf-Nr. 144508).
Der Fall ist ja wirklich bemerkenswert: Durch den Unfall entstand ausschließlich ein Lackschaden. Die Markenwerkstatt hat keine eigene Lackiererei und verbringt das Fahrzeug zum Lackierer. Noch bemerkenswerter: Das war eine fiktive Abrechnung. Also genauer gesagt: Die Werkstatt „würde“ das Fahrzeug zur Lackiererei verbringen. Das Urteil ist nur sehr knapp gehalten. Von der einsendenden Rechtsanwältin wissen wir: Es war ein Lkw, und der war jünger als drei Jahre. Da spielen dann die Überlegungen des BGH mit hinein, dem es um den Schutz des Geschädigten vor dem Herstellereinwand „Garantieverlust wegen Fremdgehens“ geht.
Mit den gleichen Argumenten funktioniert das also erst recht bei einer tatsächlich durchgeführten Reparatur. Schwierig wird es aber, wenn der Geschädigte eine freie Werkstatt aufsucht. Das Garantieschutzargument greift dann nicht, und dann fiele es dem Versicherer leichter, wenn er argumentiert, unter diesen Umständen hätte der Geschädigte gleich die Lackiererei beauftragen müssen.
PRAXISHINWEIS | Verwenden Sie im Fall der konkreten Abrechnung den Textbaustein 393: Verbringungskosten, wenn nur lackiert wird (H) auf ue.iww.de → Abruf-Nr. 43423277. |
Selbstverbringung zur Schadenminderung nicht erforderlich
Der Schädiger kann vom Geschädigten nicht verlangen, dass dieser das Fahrzeug nach der Karosseriereparatur selbst zur Lackiererei fährt, um die Verbringungskosten zu ersparen. Eine solche Mithilfe bei der Reparatur ist dem Geschädigten nicht zumutbar, entschied das AG Hamburg-Bergedorf.
Zu diesem Schluss wird ein vernunftbegabter Schadensachbearbeiter auch ohne Gericht kommen, aber dieses Schmankerl wollten wir Ihnen nicht vorenthalten (AG Hamburg-Bergedorf, Urteil vom 21.04.2017, Az. 409 C 195/16, Abruf-Nr. 193937).
Angebliche Aufklärungspflicht der Werkstatt
Die neueste Posse kommt von einem Stuttgarter Versicherer. Er schreibt an den Anwalt des Geschädigten: „Bitte befragen Sie Ihren Mandanten, ob er vom Autohaus bei der Auftragserteilung über die Notwendigkeit einer Verbringung und deren Höhe aufgeklärt wurde.“
Da neigt man angesichts der Formulierung erst mal zu dem Spott, was denn die „Höhe einer Verbringung“ sein soll. Aber wohlwollend kann man erkennen, dass die Höhe der Kosten gemeint ist.
Gibt es eine solche Aufklärungsverpflichtung der Werkstatt? Die Antwort ist ein klares Nein. Denn wenn es überhaupt Aufklärungspflichten gibt, dann beziehen die sich nie auf Selbstverständlichkeiten, sondern auf Besonderheiten. Da kaum noch eine Werkstatt eine eigene Lackiererei unterhält, ist die Verbringung eine Selbstverständlichkeit. Und darüber hinaus: Der Geschädigte wurde durch das Schadengutachten über die Notwendigkeit der Verbringung und die Höhe der zu erwartenden Kosten aufgeklärt.
PRAXISHINWEIS | Es ist zu erwarten, dass diese Frage in Zukunft auch direkt an die Werkstatt gestellt wird und dass andere Versicherer auf den Zug aufspringen. UE hat daher in den Textbaustein 111: Verbringungskosten bei durchgeführter Reparatur (H) auf ue.iww.de → Abruf-Nr. 42639870 ein weiteres Textmodul eingefügt. |
Verbringungskosten und Transport durch Lackierer
Im großen Stil wenden Versicherer ein, die Verbringung sei ja vom Lackierer durchgeführt worden. Doch es ist eindeutig: Es kommt nicht darauf an, wie der Lackierer und die Reparaturwerkstatt im Innenverhältnis abrechnen, wenn der Transport zur Lackiererei und zurück vom Lackierer durchgeführt wurde. Es kommt nur darauf an, dass das Fahrzeug überhaupt verbracht wird (AG Bremen, Urteil vom 28.04.2017, Az. 19 C 509/16, Abruf-Nr. 194191).
Das Urteil formuliert eine Selbstverständlichkeit. Dass der Generalunternehmer auch dann nach außen abrechnet, wenn ein Subunternehmer Leistungen erbringt, ist der Normalfall. Die interne Kalkulation, so auch das AG Bremen, muss nicht offengelegt werden.
Auch das AG Duisburg-Ruhrort (Urteil vom 25.01.2017, Az. 8 C 140/15, Abruf-Nr. 191624) ordnet diese Frage dem Innenverhältnis von Werkstatt und Lackierbetrieb zu. Das ist auch richtig so. Denn anders kann es vor dem Hintergrund der Generalunternehmer- und Subunternehmerbeziehung gar nicht sein:
- Immerhin hat die Werkstatt in den Fällen, in denen der Lackierer den Transport übernahm, nicht nur nicht transportiert, sondern auch nicht lackiert. Denn auch das hat der Lackierer gemacht.
- Dann mag in manchen Fällen noch ein weiterer Subunternehmer die Firmenbeschriftung aufgebracht haben.
- Und noch nie hat jemand ernsthaft behauptet, die Werkstatt dürfe die fremd zugekauften Leistungen nach außen nicht berechnen.
Verbringungskosten, wenn es näher gelegene Lackiererei gäbe
Stimmen die in Rechnung gestellten Verbringungskosten mit der Prognose aus dem Gutachten überein, kann der Versicherer dem Geschädigten keine vermeintlichen Fehler der Werkstatt entgegenhalten. Er muss die berechneten Verbringungskosten erstatten (AG Weiden, Urteil vom 02.10.2018, Az. 2 C 448/18, Abruf-Nr. 204782).
Was aus dem Urteil nicht hervorgeht, uns aber von der einsendenden Anwältin berichtet wurde: Die vom Geschädigten mit der Reparatur beauftragte Werkstatt in Weiden arbeitet mit einer Lackiererei weit außerhalb Weidens zusammen. Es gibt deutlich näher liegende Lackierereien, bei denen der Aufwand der Verbringung entsprechend geringer gewesen wäre, jedenfalls im Hinblick auf den reinen Fahrtanteil. Der Versicherer hatte eingewandt, die Verbringungskosten müssten so erstattet werden, wie sie bei Nutzung der näher liegenden Lackiererei entstanden wären. Aber hier gilt dasselbe wie immer: Der Geschädigte wird kaum wissen, mit welcher Lackiererei die Werkstatt zusammenarbeitet, und Einfluss hat er darauf auch nicht.
Verbringung zum Vermessen
Verbringungsaufwand entsteht auch auf dem Weg zum Vermessen des Fahrwerks, wenn die Werkstatt, die den Unfallschaden beseitigt, keine eigenen Möglichkeiten zur Vermessung hat. Diese Position beschäftigt die Rechtsprechung zwar seltener. Doch musste nun das AG Tettnang entscheiden, dass da alles genauso zu sehen ist, wie bei den Verbringungskosten zum Lackierer. Jedenfalls verwendet das Gericht wortgleich dieselben Urteilsbausteine (AG Tettnang, Urteil vom 19.05.2017, Az. 8 C 60/17, Abruf-Nr. 194366).
Verbringung ist mehr als die reine Fahrzeit
Aus der Sicht eines Geschädigten ist es nicht von Bedeutung, wie weit der Weg von der Reparaturwerkstatt zur Lackiererei ist. Auch ein Laie erkennt, dass der Aufwand für das Auf- und Abladen des zu transportierenden Fahrzeugs ebenso wie der Aufwand für die Ladungssicherung stets gleich ist. Die Fahrtstrecke ist deshalb nicht der einzige Maßstab im Rahmen einer laienhaften Plausibilitätsprüfung, entschied das AG Hamburg-Bergedorf (Urteil vom 21.04.2017, Az. 409 C 195/16, Abruf-Nr. 193937).
In die gleiche Kerbe schlägt das AG Unna: „Für die Verbringung eines Fahrzeugs ist nicht die reine Fahrzeit zwischen der Werkstatt und der Lackiererei maßgeblich. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das Fahrzeug auf- und wieder abgeladen werden muss. Außerdem fallen die Fahrzeiten für den Hin- und den Rückweg, mithin doppelt an.“
Originell ist dann auch noch die Bemerkung zu den offenbar einem Routenplaner entnommenen Fahrzeiten, von denen der Versicherer ausging: „Darüber hinaus sind die von der Beklagten vorgebrachten 12 Minuten, wie der erkennenden Richterin, die selbst in Lünen wohnt, bestens bekannt ist, nur unter günstigsten Verkehrsverhältnissen, die üblicherweise nicht vorliegen, zu erreichen sind. Daher ist der Ansatz von 1 Stunde nachvollziehbar.“
Und bei alledem ist dem Gericht, wie die weiteren Ausführungen im Urteil zeigen, bewusst, dass es darauf nur hilfsweise ankommt. Entscheidend ist nur, ob der Geschädigte einen Fehler bei der Auswahl und Beauftragung der Werkstatt gemacht hat (AG Unna, Urteil vom 23.05.2017, Az. 15 C 127/17, Abruf-Nr. 194367).
Verbringungskosten in der Autohausgruppe sind zu erstatten
Verbringungskosten sind auch dann zu erstatten sind, wenn die Verbringung innerhalb einer Autohausgruppe in eine dazugehörige Lackiererei erfolgt (AG Speyer, Urteil vom 24.10.2017, Az. 31a C 104/17, Abruf-Nr. 197760).
In die gleiche Kerbe schlägt das AG Hamburg mit einer Randbemerkung zur Abrechnung der Werkstatt mit dem Kunden: „Unerheblich ist, ob der Lackierbetrieb zum Unternehmen des Rechnungsstellers gehört. Auch dann sind im Rahmen der gebotenen Wirtschaftlichkeitsrechnung dem Kunden die Kosten der Verbringung in Rechnung zu stellen.“ (AG Hamburg, Urteil vom 29.11.2017, Az. 12 C 95/17, Abruf-Nr. 198252).
PRAXISHINWEIS | Verbringungskosten-schädlich kann es sich auswirken, wenn ein Kfz-Betrieb auf seiner Homepage damit wirbt, es sei ein „angeschlossener Lackierbetrieb“ vorhanden. Das AG Lörrrach verneint in diesem Fall den Anspruch auf Erstattung der Verbringungskosten. Denn daraus müsse der Geschädigte den Schluss ziehen, dass keine Verbringungskosten entstünden, sodass er sie auch nicht im Sinne von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB für erforderlich halten dürfe (AG Lörrach, Urteil vom 17.10.2017, Az. 3 C 734/17, Abruf-Nr. 198248). Das Urteil sollte für Werkstattinhaber Anlass sein, den Internetauftritt auf solche Ungereimtheiten zu überprüfen. Es darf nicht der Eindruck entstehen, die „angeschlossene Lackiererei“ sei auf dem eigenen Betriebsgelände. |
Verbringungskosten auch fiktiv
Die Verbringungskosten stehen dem Geschädigten auch fiktiv zu, wenn sie bei einer konkreten Reparatur anfallen würden. Denn die Reparaturkosten können bei der fiktiven Abrechnung nicht in „angefallene“ und „nicht angefallene“ Einzelposten unterteilt werden (BGH, Urteil vom 19.02.2013, Az. VI ZR 401/12, Abruf-Nr. 131159). Das ist auch völlig logisch, denn bei einer konsequent fiktiven Abrechnung, bei der der Geschädigte überhaupt nichts repariert, fällt ja gar nichts an.
Allerdings kommt es auf Folgendes an: Erst ist anhand der Rechtsprechung des BGH zu ermitteln, welche Werkstatt der Maßstab der Abrechnung ist:
- Ist das beschädigte Fahrzeug nicht älter als drei Jahre oder ‒ wenn älter ‒ konsequent markenwerkstattgepflegt, ist die Messlatte das Autohaus der Marke am Ort. Würde das bei einer gedachten Reparatur Verbringungskosten berechnen, sind die auch fiktiv zu erstatten.
- Kann der Versicherer den Geschädigten aber auf andere Werkstätten verweisen, kommt es darauf an, wie die abrechnen würden.
Die Situation bei Kaskoschäden
Bei Kaskoschäden außerhalb von Schadensteuerungsvereinbarungen ist ‒ wie immer bei Fragen zu Reparaturkosten im Kaskobereich ‒ ein Blick in den Vertrag zu werfen. Es ist zu prüfen, ob die Klauseln zu den Reparaturkosten Regelungen zu den Verbringungskosten enthalten.
Wenn ja, gilt das Vereinbarte. Wenn es aber keine Regelung dazu gibt, dann gilt das Gleiche wie bei den Haftpflichtschäden. Denn die werkvertragliche Frage ist identisch zu beurteilen, weil der Werkvertrag unabhängig von der Versicherung zu beurteilen ist. Ohne Sonderregelungen schuldet auch der Kasko-Versicherer die „erforderlichen Kosten“ der Reparatur.
Verbringungskosten auch bei Kaskofällen erforderliche Reparaturkosten
Das bestätigen nun zwei Urteile des AG Fürth. Die ordnen die Verbringungskosten den erforderlichen Reparaturkosten zu (AG Fürth, Urteil vom 14.09.2017, Az. 340 C 1325/17, Abruf-Nr. 197672; Urteil vom 07.11.2017, Az. 310 C 1324/17, Abruf-Nr. 197651).
In einem der beiden Urteile heißt es wörtlich (wobei das Gericht einmal „Abschleppkosten“ schreibt, aber eindeutig die Verbringungskosten meint): „Die hier geltend gemachten weiteren Abschleppkosten gehören zu den „erforderlichen“ Reparaturkosten, unabhängig davon, ob, wie die beklagte Partei behauptet, diese Verbringungskosten tatsächlich nicht marktüblich und marktfremd überhöht sind. Denn im Bereich der Kaskoversicherung kommt es bezüglich der Erstattungsfähigkeit von Aufwendungen des Versicherungsnehmers darauf an, ob der Versicherungsnehmer solche Aufwendungen für geboten halten durfte, Fehleinschätzungen und Fehlreaktionen sind dabei bis an die Grenze der groben Fahrlässigkeit unschädlich.“
Wichtig | In beiden Verfahren hat der Versicherungsnehmer selbst geklagt. Damit wurde das Problem „Abtretung bei Kasko“ vermieden.
Versicherer könnten auf solche Urteile für die Zukunft reagieren
Solche Urteile sind immer nur ein Etappensieg. Versicherer können (und UE vermutet: werden) in ihren Bedingungswerken die Verbringungskosten gesondert regeln, entweder, indem sie die Erstattung aus dem Leistungsversprechen herausnehmen oder der Höhe nach begrenzen.
Möglicherweise haben einzelne Versicherer das auch schon getan. So muss man immer erst nachschauen, ob die Verbringungskosten im Kaskovertrag des Kunden eine gesonderte Regelung erfahren haben. Nur wenn das nicht der Fall ist, treffen die beiden Urteile auf den Fall des Kunden zu.
PRAXISHINWEIS | Der Textbaustein 426 „Verbringungskosten bei Kaskoschäden (K)“ → Abruf-Nr. 44400093 wurde um einen Hinweis auf die aktuelle Rechtsprechung erweitert.
PRAXISHINWEIS | Der Textbaustein 426 „Verbringungskosten bei Kaskoschäden (K)“ → Abruf-Nr. 44400093 wurde um einen Hinweis auf die aktuelle Rechtsprechung erweitert. |
Strafanzeigen wegen Verbringungskosten
Eine Anwaltskanzlei informierte die UE-Redaktion, dass ein großer Versicherer Strafanzeigen gegen Werkstattinhaber oder Geschäftsführer gestellt habe. Der Vorwurf: Die Werkstatt berechne Verbringungskosten zum Lackierer, obwohl der von der Werkstatt als Subunternehmer beauftragte Lackierer die Fahrzeuge kostenlos abhole. Somit berechne die Werkstatt eine Leistung, die nicht erbracht werde. Was ist davon zu halten?
Entscheidend ist zunächst einmal, ob der Aufwand für die Verbringung entsteht. Die Verbringung ist ja mehr als der reine Transport. Jedenfalls bei teilzerlegten Fahrzeugen gehören auch Sicherungsmaßnahmen dazu, damit sich beim Transport keine Türen und Klappen öffnen und keine Teile lösen.
Wo der Aufwand entsteht, ist nach unserer Auffassung nicht entscheidend. Denn der Aufwand für die Lackierung als solcher entsteht ja auch nicht bei der Werkstatt, sondern beim Subunternehmer. Dennoch berechnet die Werkstatt auch die Lackierkosten, weil im Verhältnis zum Kunden die Lackierung eben doch durch die Werkstatt erledigt wird. Dass sich die Werkstatt eines Subunternehmers bedient, spielt dabei keine Rolle. Also darf die Werkstatt auch den Verbringungsaufwand abrechnen. Es ist sachlich auch nicht richtig, dass der Lackierer das Fahrzeug kostenlos abholt. Möglicherweise tut er das ohne gesonderte Berechnung. Aber dann ist der Aufwand in die Lackierkosten einkalkuliert. UE wird die Vorgänge beobachten und weiter berichten.
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Weiterführende Hinweise
- Übersicht „Verbringungskosten in Reparaturrechnung und Gutachten: Versicherer muss in voller Höhe erstatten“ → Abruf-Nr. 44799232
- Textbaustein 111: Verbringungskosten bei durchgeführter Reparatur (H) → Abruf-Nr. 42639870
- Textbaustein 393: Verbringungskosten, wenn nur lackiert wird (H) → Abruf-Nr. 43423277
- Textbaustein 401: Keine Kürzung von Verbringungskosten (H/K) → Abruf-Nr. 43633144
- Textbaustein 426: Verbringungskosten bei Kaskoschäden (K) → Abruf-Nr. 44400093