06.11.2009 · IWW-Abrufnummer 092830
Bundesarbeitsgericht: Urteil vom 22.04.2009 – 5 AZR 292/08
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL
5 AZR 292/08
Verkündet am 22. April 2009
In Sachen
hat der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der Beratung vom 22. April 2009 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Müller-Glöge, die Richter am Bundesarbeitsgericht Prof. Dr. Mikosch und Breinlinger sowie die ehrenamtlichen Richter Rehwald und Dr. Dombrowsky für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 23. Januar 2008 - 7 Sa 864/06 - wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand:
Die Parteien streiten noch über die Vergütung von Wegezeiten.
Der im Jahre 1949 geborene, in H wohnhafte Kläger ist seit 1968 bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin als Kundendienstmitarbeiter - Wartung und Reparatur - beschäftigt. Er wurde, zuletzt im Außendienst, ausschließlich in der Niederlassung W eingesetzt. Von hier aus führte er sämtliche Kundenbesuche durch. Seit dem Jahr 2000 konnte er für die Fahrten von seiner Wohnung zur Niederlassung ein Dienstfahrzeug benutzen, wobei die einfache Fahrzeit etwa 20 Minuten betrug. Die durchschnittliche Arbeitszeit des Klägers betrug zuletzt 163 Stunden/Monat bei einer Vergütung von 2.714,23 Euro brutto. Die gesamte Fahrzeit von der Niederlassung zu den Kunden und zurück zur Niederlassung wurde als Arbeitszeit anerkannt und vergütet.
Zum Ende des Jahres 2004 löste die Beklagte die Niederlassung W auf und richtete ihren Technikern sog. Home-Offices ein. Eine "Gesamtbetriebsvereinbarung (GBV) zum Einsatz des mobilen AMS [Auftragsmanagementsystems]" vom 10. Dezember 2004 verhält sich hierüber ua. wie folgt:
"Zur wirksamen Steuerung der Firma und der zu erbringenden Dienst- und Serviceleistungen werden die Fahr-Außendienst-Techniker jeweils mit einem Notebook sowie dazu passendem Drucker ausgestattet. Auf dem Notebook befindet sich u.a. die Software des Auftragsmanagementsystems (AMS), mit dessen Unterstützung die Fahr-Außendienst-Techniker ihre Reparaturaufträge erledigen.
1. Geltungsbereich
Diese Rahmenvereinbarung gilt für alle Techniker, die mit der oben genannten Hardware und der mobilen AMS-Komponente Reparaturaufträge der Firma erledigen.
2. Änderung der Arbeitsorganisation durch AMS mobil
AMS mobil stellt alle wesentlichen Daten, die für die Tätigkeit der Fahr-Außendienst-Techniker notwendig und heute bereits größtenteils über den Papier-Belegweg verfügbar sind, elektronisch auf einem Notebook zur Verfügung.
Mit dieser Technologie wird es auch möglich, dass Techniker ihre jeweilige Tagestour unabhängig von der Niederlassungsstruktur der Firma beginnen, beenden und abrechnen. Üblicherweise werden die Techniker zu Hause eine an ihren Telefon-Anschluss gekoppelte T-DSL-Datenleitung haben. Über die T-DSL-Datenleitung werden von der Firma die Reparaturaufträge für die Tagestour auf das Notebook überspielt. In der Regel nach Abschluss der Tagestour überspielt der Techniker die Daten aus der Tagestour an die Firma und zieht sich die neuen Aufträge für die nächstfolgende Tagestour.
Die Firma rüstet die Techniker mit dem erforderlichen Equipment aus, insbesondere stellt sie Dienst-Fahrzeug, Notebook, Drucker, Transporttasche für die DV-Hardware. Ferner trägt die Firma die Kosten für die Bereitstellung des T-DSL-Anschlusses und die monatlichen Gebühren für die T-DSL-Leitung. Grundsätzliche Voraussetzung für eine Datenfernübertragung (DFÜ) ist eine zugängliche betriebsbereite Telefonanschlußdose (TAE-Dose). Es ist vorab zu klären, ob ein vorhandener Anschluss ausreicht und genutzt werden darf. Die Firma P unterstützt die für die Errichtung eines neuen Telefonanschlusses notwendigen Maßnahmen und trägt die Errichtungskosten des neuen oder erweiterten Anschlusses.
3. Ausgleichregelungen
1. Bei der Tätigkeit der Fahr-AußendienstTechniker handelt es sich um eine Einsatzwechseltätigkeit. Der Arbeitseinsatz erfolgt beim Kunden.
Die Arbeitszeit der Fahr-Außendienst-Techniker beginnt beim ersten Kunden und endet beim letzten Kunden. Anfahrt und Abfahrt zur Arbeit liegen grundsätzlich in der Obliegenheit des Mitarbeiters. Für den Fall, dass es der Firma nicht gelingt, den ersten und letzten Kunden für den Techniker wohnortnah zu disponieren, gilt folgendes:
Eine Fahrtzeit von 30 Minuten ab der Wohnung des Technikers zum ersten Kunden gilt als zumutbar für den Mitarbeiter. Darüber hinausgehende Anfahrtszeit ist dann Arbeitszeit. Analog gilt bei der Rückfahrt vom letzten Kunden: 30 Minuten sind zumutbar und darüber hinausgehende Fahrtzeit gilt als Arbeitszeit.
2. Als Ausgleich für besondere Aufwände des jeweiligen Fahr-Außendienst-Technikers und für die Bereitschaft zur Vornahme des Datentransfers in der Wohnung werden dem jeweiligen Fahr-Außendienst-Techniker monatlich 30,-- € gezahlt. Diese Aufwandsentschädigung wird neben der monatlichen Zahlung der Firma für die T-DSL-Leitung gezahlt. Vor- und Nachbereitungszeiten sowie Störzeiten werden im Tätigkeitsnachweis als Arbeitszeiten erfasst.
3. Sonderfälle werden individuell gelöst. Die Lösung für Sonderfälle wird mit dem GBR abgestimmt. Die Lösungen werden in Protokollnotizen zu dieser GBV festgehalten.
4. Datenschutz
...
5. Gültigkeit
Diese GBV tritt in Kraft am 01.01.2005. Sie kann mit einer Frist von 3 Monaten zum Ende eines Geschäftsjahres gekündigt werden und wirkt nach."
Seit dem 1. Januar 2005 ist der Kläger im Einsatzgebiet Ruhrgebiet dem Service-Center West zugeordnet. Er besucht jetzt die Kunden mit einem Servicefahrzeug der Beklagten von seiner Wohnung aus. Die Beklagte lässt dieses Fahrzeug durch ein beauftragtes Transportunternehmen über Nacht mit den benötigten Ersatzteilen bestücken. Der Kläger erbringt Büro- und Verwaltungstätigkeiten nunmehr unter Verwendung eines von der Beklagten zur Verfügung gestellten Notebooks und Druckers in seiner Wohnung. Die Beklagte vergütet die vom Kläger hierfür angegebenen Arbeitszeiten und zahlt die monatliche Aufwandspauschale iHv. 30,00 Euro.
Die Beklagte vergütet die Zeiten der Anfahrt des Klägers von seiner Wohnung bis zum ersten Kunden und der Rückfahrt des Klägers vom letzten Kunden zur Wohnung nur, soweit sie jeweils 30 Minuten überschreiten. Das hält der Kläger nicht für gerechtfertigt. Die Software, die die Beklagte für die täglich online an sie zu versendenden Arbeitsberichte zur Verfügung gestellt hat, bietet nicht die Möglichkeit, die genannten Zeiten als Arbeitszeit anzugeben. Der Kläger hat sie jeweils mit dem Zusatz "Zwangspause" gekennzeichnet. Mit Schreiben vom 30. Mai 2005 hat er die weite Entfernung seines Einsatzgebietes beanstandet und in einem Personalgespräch am 21. Juni 2005 die Vergütung der gesamten Fahrzeit geltend gemacht. Eine schriftliche Geltendmachung von Ansprüchen erfolgte mit Anwaltsschreiben vom 19. Juli 2005 und 22. Dezember 2005.
Der Kläger hat vorgetragen, die Fahrten zu den jeweiligen Kunden gehörten zu seiner Hauptleistungspflicht. Die abweichende Regelung in der Gesamtbetriebsvereinbarung sei unwirksam. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass die Fahrten zur Niederlassung W entfallen seien. Hinsichtlich der Höhe der Forderungen hat der Kläger im Einzelnen die monatlich aufgewendeten unvergüteten Zeiten für die Fahrten zum ersten Kunden und vom letzten Kunden zurück dargelegt. Die Gesamtzeit von 145,02 Stunden im Zeitraum vom 6. Juni 2005 bis zum 31. Mai 2006 multipliziert mit einem Stundenlohn von 16,65 Euro ergibt die Gesamtforderung von 2.414,59 Euro.
Der Kläger hat, soweit in der Revision noch von Interesse, beantragt,
die Beklagte zur Zahlung von 2.414,59 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach einer bestimmten zeitlichen Staffelung zu verurteilen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die in Rede stehenden Fahrzeiten seien keine Arbeitszeit. Die Arbeit beginne an der ersten Einsatzstätte. Zu Hause verrichte der Kläger lediglich Vorbereitungs- und Abschlussarbeiten. Eine einzelvertragliche Vereinbarung über die Wegezeiten sei nicht zustande gekommen. Die Gesamtbetriebsvereinbarung sei wirksam und verbessere die Rechtslage zugunsten des Klägers durch die Ber ücksichtigung der 30 Minuten überschreitenden Fahrzeiten. Die Situation habe sich für den Kläger schon dadurch verbessert, dass die unvergütete Fahrzeit zwischen Wohnung und Niederlassung W von täglich insgesamt 40 Minuten entfallen sei. Diese Zeit müsse berücksichtigt werden. Im Übrigen habe sich der Kläger mit der Neuregelung ab 2005 konkludent einverstanden erklärt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht dem bezeichneten Klageantrag stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte weiterhin die Zurückweisung der Berufung.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist nicht begründet.
I. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, bei den geltend gemachten Fahrzeiten handele es sich um vergütungspflichtige Arbeitszeit gemäß dem Arbeitsvertrag der Parteien. Der Kläger erbringe eine Arbeitsleistung für die Beklagte, weil er zum Lenken eines Fahrzeugs und damit zu einer belastenden Tätigkeit verpflichtet sei. Die Fahrten zum Kunden, ohne die die Außendiensttätigkeit nicht ausgeübt werden könne, gehörten zu der vertraglich versprochenen Hauptleistungspflicht. Die Beklagte habe diese Tätigkeit bis zur Schließung der Niederlassung W vereinbarungsgemäß vergütet. Es könne dahinstehen, ob die Regelung in der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 10. Dezember 2004 wirksam sei; denn der Kläger habe einen gegenüber dieser Regelung günstigeren einzelvertraglichen Anspruch. Auch wenn der Kläger die Arbeit nicht mehr in der Betriebsstätte der Beklagten beginne, habe sich an der Vergütungspflicht der Fahrten zum ersten und vom letzten Kunden zurück nichts geändert. Der Kläger sei verpflichtet, den Servicewagen zu steuern, und könne die Zeit nicht für andere Tätigkeiten nutzen. Eine ergänzende Vertragsauslegung sei nicht geboten, weil es bereits an einer Regelungslücke im Vertrag fehle. Geändert hätten sich allein die tatsächlichen Umstände, unter denen die gleiche Arbeitsleistung wie zuvor zu erbringen sei.
II. Diese Ausführungen sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
1. Die Revision meint, der Arbeitsvertrag enthalte nichts zu der Frage, ob Fahrten von einem Home-Office zum ersten Kunden bzw. vom letzten Kunden zum Home-Office zurück als vergütungspflichtige Arbeitszeit zu werten seien. Die Frage der Vergütung der Fahrzeit sei nicht davon zu trennen, ob die Fahrt von der Betriebsstätte oder von einem Home-Office aus angetreten werde. Demgegenüber hat das Landesarbeitsgericht aus dem Verhalten der Parteien, insbesondere aus der Vergütung durch die Beklagte, auf den Willen der Parteien geschlossen, die Arbeit solle nicht erst beim ersten Kunden beginnen und nicht schon beim letzten Kunden enden. Vielmehr wurden die Fahrten zum ersten Kunden und vom letzten Kunden zurück wie die Fahrten zwischen den Kunden als vergütungspflichtige Arbeitszeit behandelt. Der Kläger durfte die Handhabung der Beklagten als bindende Erklärung (§ 145 BGB) verstehen, der Vertrag ist durch Annahme gem. § 151 BGB zustande gekommen. Dass die Beklagte nur die Fahrten ab und bis zur Betriebsstätte berücksichtigte, war demgegenüber selbstverständlich. Wegezeiten von der Wohnung zur Arbeit sind in jeder Hinsicht allein Sache des Arbeitnehmers. Insbesondere wenn allein der Arbeitnehmer festlegt, wo er wohnt, bestimmt er, welche unvergütete Fahrzeiten er bis zum Arbeitsbeginn in Kauf nimmt, während der Arbeitgeber den Standort des Betriebs und die Toureneinteilung zu den Kunden bestimmt. Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass mit der Schließung der Niederlassung W der Weg zur Arbeit in diesem Sinne weggefallen ist. Der Weg zum ersten Kunden tritt nicht an dessen Stelle. Die arbeitsvertragliche Verpflichtung der Fahrt zu den (und zwar sämtlichen) Kunden und der Rückfahrt mit dem Servicefahrzeug zum Standort hat sich nicht geändert. Damit knüpft die Vergütungspflicht ab dem Jahr 2005 an die Abfahrt des Klägers von seiner Wohnung an.
2. Die Auslegung des Landesarbeitsgerichts wird insbesondere dadurch gestützt, dass die dem Streit der Parteien zugrundeliegenden Fahrten zum ersten Kunden und vom letzten Kunden zurück nach wie vor eine Arbeitsleistung für die Beklagte darstellen. Es liegt nahe, dass die Parteien Arbeitsleistung entsprechend vergüten wollten.
a) Arbeit ist jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient (BAG 8. März 1961 - 4 AZR 71/59 - BAGE 11, 23, 26; 11. Oktober 2000 - 5 AZR 122/99 - BAGE 96, 45, 51; 16. Januar 2002 - 5 AZR 303/00 - zu I 1 a der Gründe, AP EntgeltFG § 2 Nr. 7 = EzA EntgeltfortzG § 2 Nr. 2; 14. November 2006 - 1 ABR 5/06 - BAGE 120, 162, 169). Keine Arbeit wird für den Arbeitgeber durch den Weg zur Arbeit erbracht (BAG 21. Dezember 2006 - 6 AZR 341/06 - BAGE 120, 361, 365). Dagegen gehört die Reisetätigkeit bei Außendienstmitarbeitern zu den vertraglichen Hauptleistungspflichten (§ 611 Abs. 2 BGB). Mangels festen Arbeitsorts können sie ihre vertraglich geschuldete Arbeit ohne dauernde Reisetätigkeit nicht erfüllen. Das wirtschaftliche Ziel der Gesamttätigkeit ist darauf gerichtet, verschiedene Kunden zu besuchen, wozu die jeweilige Anreise zwingend gehört (BAG 28. März 1963 - 5 AZR 209/62 - zu II 2 b der Gründe, AP BGB § 611 Wegezeit Nr. 3; 3. September 1997 - 5 AZR 428/96 - BAGE 86, 261, 265; 14. November 2006 - 1 ABR 5/06 - aaO.). Das gilt nicht nur für die Fahrten zwischen den Kunden. Die Fahrten zum ersten Kunden und vom letzten Kunden zurück bilden mit der übrigen Tätigkeit eine Einheit und stellen nach der Verkehrsanschauung jedenfalls bei Außendienstmitarbeitern, Vertretern, "Reisenden" uä. insgesamt die Dienstleistung iSd. §§ 611, 612 BGB dar. Das ist unabhängig davon, ob der Fahrtantritt ab der Betriebsstätte des Arbeitgebers oder ab der Wohnung des Arbeitnehmers erfolgt. Solche Fahrten sind nicht mit Fahrten zu mehrwöchigen Einsätzen in anderen Betrieben (hierzu BAG 30. Januar 2002 - 10 AZR 441/01 - Rn. 35) gleichzusetzen. In jedem Falle ist eine dem Arbeitgeber zugute kommende Arbeitsleistung dann anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer bei An- und Abreise selbst tätig werden muss und die Fahrt vom Arbeitgeber kraft Direktionsrechts bestimmt wird (vgl. BAG 16. Januar 2002 - 5 AZR 303/00 - zu I 1 b der Gründe, aaO.; 14. November 2006 - 1 ABR 5/06 - aaO.).
b) Danach hatte der Kläger als Außendienstmitarbeiter auch hinsichtlich seiner Reisetätigkeit Arbeit für die Beklagte zu erbringen. Der Ausgangs- und Endpunkt seiner Fahrten ist nicht maßgebend. Das Landesarbeitsgericht hat bindend festgestellt (§ 559 Abs. 2 ZPO), der Kläger sei zum Lenken eines Fahrzeugs verpflichtet gewesen. Das Bestreiten der Beklagten in der Revision ist unzulässig. Zudem widerspricht sich die Beklagte selbst, wenn sie andererseits vorträgt, der Kläger müsse seine Tour ab dem ersten Kunden unter Benutzung des Servicewagens durchführen. Das setzt die Anfahrt mit diesem Fahrzeug zwingend voraus. Auch die Rückfahrt zur Wohnung hat mit dem Servicewagen zu erfolgen, weil dieser dort über Nacht bestückt wird und morgens für die nächste Tour einschließlich aller Werkzeuge und Ersatzteile zur Verfügung stehen muss.
3. Bei der Auslegung des Landesarbeitsgerichts handelt es sich nicht um eine ergänzende Vertragsauslegung. Zwar dürften die Parteien die Schließung der Niederlassung und die Einrichtung von Home-Offices bei Vertragsschluss nicht in Betracht gezogen haben. Dieser Fall wird aber von ihrer Vertragsregelung, An- und Abfahrt zu vergüten, mit umfasst. Der Arbeitsvertrag enthält keine Lücke, die für den Fall der Aufhebung der Niederlassung zu schließen wäre. Davon abgesehen hätte eine ergänzende Vertragsauslegung, die der Senat aufgrund des feststehenden Sachverhalts selbst vornehmen könnte, kein anderes Ergebnis: Es entspricht dem Parteiwillen, auch die An- und Abfahrten zu vergüten. Da die Toureneinteilung in den Händen der Beklagten liegt und mehrere Kundendienstfahrer zum Einsatz kommen, ist der Ausgangs- und Endpunkt der Tour für die Vergütungsfrage von eher untergeordneter Bedeutung.
4. In Betracht kommt eine Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB. Jedoch liegen die Voraussetzungen dieser Bestimmung nicht vor. Die Beklagte kann eine Anpassung des Vertrags weder wie in der Gesamtbetriebsvereinbarung geregelt noch durch Anrechnung der früheren 20-minütigen Fahrten des Klägers von und zur Arbeit verlangen. Es kann unterstellt werden, dass das Bestehen der Niederlassung in W Grundlage der vereinbarten Vergütungspflicht war und die Schließung der Niederlassung eine schwerwiegende Veränderung darstellt. Auch hätte die Beklagte möglicherweise den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie die Veränderung vorausgesehen hätte. Ihr ist das Festhalten am unveränderten Vertrag aber keinesfalls unzumutbar. Die Schließung der Niederlassung fällt in den Risikobereich der Beklagten. Sie kann sich hinsichtlich der erforderlich werdenden An- und Rückfahrten der Außendienstmitarbeiter im Ganzen gesehen zugunsten oder zulasten der Beklagten, die allein für die Toureneinteilung zuständig ist, auswirken. Die Beklagte hatte dies vor ihrer Entscheidung zusammen mit den sonstigen Vor- und Nachteilen der Neuregelung abzuwägen. Zwar profitiert der Kläger von dem Wegfall der Fahrten zur Arbeitsstätte. Die Fahrt zur Arbeit und was der Kläger hier täglich auf sich nimmt, betrifft freilich allein seinen privaten Lebensbereich. Der Wegfall wirkt sich bei den Außendienstmitarbeitern zudem unterschiedlich aus. Eine unzumutbare Verschiebung von Leistung und Gegenleistung ist weder im Falle des Klägers noch bezogen auf alle Mitarbeiter ersichtlich.
5. Die Beklagte durfte nicht die Vergütung für diejenige Zeit abziehen, die der Kläger ab 2005 durch den Wegfall des Wegs zur Betriebsstätte ersparte. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht ausgeführt, dass die Grundsätze der Senatsentscheidung vom 8. Dezember 1960 (- 5 AZR 304/58 - zu 4 der Gründe, AP BGB § 611 Wegezeit Nr. 1 = EzA BGB § 611 Nr. 3) im Streitfall nicht einschlägig sind. Kann sich der Arbeitnehmer von seiner Wohnung aus unmittelbar zu einem außerhalb gelegenen Arbeitsplatz begeben, anstatt den Umweg über den Betrieb nehmen zu müssen, kommt die Anrechnung einer Ersparnis in Betracht. Besteht kein Betrieb, in dem die Arbeit "an sich" beginnt, und rechnet die Fahrt zur Einsatzstelle vertraglich zur Arbeitszeit, liegt kein derartiger Sonderfall vor und die vom Senat angenommene Billigkeit kommt nicht zum Tragen.
III. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die Parteien im Zusammenhang mit der Organisationsänderung keine Änderung der Vergütungsregelung vereinbart haben. Hieran ist der Senat, soweit dem tatsächliche Feststellungen zugrunde liegen, gem. § 559 Abs. 2 ZPO gebunden. Die Revision erhebt keine durchgreifenden Verfahrensrügen. Materiellrechtliche Fehler liegen nicht vor.
1. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts fehlt es an ausdrücklichen Erklärungen der Parteien. Entgegen der Auffassung der Revision kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte den Betriebssitz verlegt oder ausschließlich die Niederlassung W geschlossen hat und welche Bedeutung der Einrichtung des Home-Office beim Kläger zukommt.
2. Konkludente Erklärungen liegen nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ebenfalls nicht vor. Zwar war dem Kläger die Einschätzung der Beklagten und der Betriebspartner zur Vergütung der streitgegenständlichen Fahrzeiten bekannt. Die Beklagte hatte ihre Rechtsauffassung kundgetan, aufgrund der Gesamtbetriebsvereinbarung bestehe kein Anspruch auf Vergütung. Darin liegt aber kein Angebot auf Vertragsänderung. Erst recht konnte die Beklagte das Verhalten des Klägers nicht als Annahme verstehen. Das Unterlassen eines sofortigen Widerspruchs stellt nicht die konkludente Erklärung einer Zustimmung dar. Mit dem Vermerk "Zwangspause" hat der Kläger darüber hinaus seine Ablehnung bekundet.
IV. Die Regelung in Ziff. 3.1 der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 10. Dezember 2004, wonach die Arbeitszeit beim ersten Kunden beginnt und beim letzten Kunden endet und nur eine Fahrzeit von mehr als 30 Minuten ab der Wohnung bzw. zur Wohnung zurück Arbeitszeit ist, steht dem Anspruch nicht entgegen. Auf ihre Wirksamkeit (vgl. hierzu BAG 10. Oktober 2006 - 1 ABR 59/05 - Rn. 18 bis 30, AP BetrVG 1972 § 77 Tarifvorbehalt Nr. 24 = EzA BetrVG 2001 § 77 Nr. 18) kommt es nicht an. Sie ist jedenfalls nicht zweiseitig zwingend. Vielmehr gilt entsprechend § 4 Abs. 3 TVG das Günstigkeitsprinzip (vgl. BAG 21. September 1989 - 1 AZR 454/88 - BAGE 62, 360, 374; 16. September 1986 - GS 1/82 - BAGE 53, 42, 60 ff.). Die arbeitsvertragliche Festlegung ist für den Kläger günstiger, weil sie die Anfahrts- und Rückfahrtszeiten in vollem Umfang in die Arbeitszeit einbezieht. Es handelt sich um eine einzelvertragliche Bestimmung über den Umfang der Arbeitspflicht mit Auswirkungen auf die Höhe der Vergütung. Die Parteien haben sie weder ausdrücklich noch konkludent "betriebsvereinbarungsoffen" ausgestaltet, insbesondere nicht unter den Vorbehalt einer ablösenden Betriebsvereinbarung gestellt (vgl. BAG 12. August 1982 - 6 AZR 1117/79 - BAGE 39, 295, 299 ff.; 3. November 1987 - 8 AZR 316/81 - BAGE 56, 289, 296 ff.; 20. November 1987 - 2 AZR 284/86 - BAGE 57, 30, 46 f.).
V. Die Ansprüche sind nicht verfallen und nicht verwirkt.
1. Ob, wie das Landesarbeitsgericht ohne Begründung angenommen hat, der Manteltarifvertrag für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen (MTV) Anwendung findet, kann dahinstehen, weil die Voraussetzungen eines Verfalls nach § 24 MTV nicht vorliegen.
a) Die streitgegenständlichen Ansprüche sind nicht auf "Abgeltung der Überstunden" (§ 24 Abs. 1 Buchst. a MTV) gerichtet. Die Beklagte hat nicht zusätzliche Arbeit angeordnet oder geduldet. Es geht auch nicht um die Notwendigkeit zusätzlicher Arbeit, sondern um die Bewertung der Leistung. Die Parteien streiten über den Umfang der "regulären" Arbeit. Deshalb ist die Verfallfrist des § 24 Abs. 1 Buchst. c MTV von sechs Monaten nach Fälligkeit einschlägig, innerhalb derer die Ansprüche schriftlich geltend gemacht werden müssen, § 24 Abs. 2 MTV.
b) Der Kläger hat die Ansprüche für den Zeitraum vom 6. Juni 2005 bis einschl. Dezember 2005 mit Anwaltsschreiben vom 22. Dezember 2005, für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. März 2006 mit der Klageerweiterung vom 11. April 2006 und für die Zeit vom 1. April bis zum 31. Mai 2006 mit der Klageerweiterung vom 19. Juni 2006 und damit insgesamt rechtzeitig geltend gemacht. Dass er dabei einen etwas zu hoch angesetzten Stundenlohn von 16,92 Euro sowie zusätzlich einen 25 %igen Zuschlag für Überstunden verlangt hat, ist unschädlich.
2. Ob eine Verwirkung im Hinblick auf § 4 Abs. 4 Satz 2 TVG und angesichts der kurzen tariflichen Ausschlussfristen überhaupt in Betracht kommt, kann dahingestellt bleiben. Der Kläger hat mit der Geltendmachung weder unangemessen zugewartet noch ein Vertrauen bei der Beklagten darauf geweckt, eine Geltendmachung werde nicht mehr erfolgen. Die Beklagte hat sich nicht schutzwürdig auf die von ihr angenommene Rechtslage eingerichtet. Vielmehr hat der Kläger die betreffenden Fahrten mit dem Zusatz "Zwangspause" gekennzeichnet und damit seine ablehnende Haltung gegenüber einer Neuregelung der Vergütung ausgedrückt. Bereits mit Schreiben vom 30. Mai 2005 hat er eine Vergütung für die An- und Rückfahrten angemahnt.
VI. Die Höhe der Forderungen ist vom Kläger schlüssig begründet und von der Beklagten nicht bestritten worden. Die Zinsansprüche ergeben sich aus § 286 Abs. 1 Satz 1 in Verb. mit Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 BGB.
VII. Die Beklagte hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.