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· Fachbeitrag · Agenturvertrag

OLG Oldenburg lehnt Rückzahlung von Garantien wegen „Kündigungserschwernis“ ab

von Rechtsanwalt Dr. Michael Wurdack, Anwaltskanzlei Küstner, v. Manteufel & Wurdack, Göttingen

| Des Öfteren wird nach der Kündigung von Vertreterverträgen um die Rückzahlung von Garantien gestritten, insbesondere bei Vertretern, die erst kurze Zeit tätig waren. Dreh- und Angelpunkt des Streits ist, ob der Vertreter die Garantien deshalb nicht zurückzahlen muss, weil ihm das Unternehmen die Kündigung unzulässig erschwert hat. Einen solchen Streit hat das OLG Oldenburg zugunsten des Vertreters entschieden. |

Kündigungsfristen bei Agenturverträgen

Kurz zum Hintergrund: Verträge mit Versicherungsvertretern, die auf unbestimmte Zeit geschlossen werden, sind nach dem gesetzlichen Leitbild für beide Parteien jederzeit ordentlich kündbar. Lediglich die Kündigungsfristen müssen eingehalten werden. Werden die gesetzlich vorgesehenen Mindestkündigungsfristen (§ 89 Abs. 1 HGB) vertraglich verlängert, so darf die Frist zur Kündigung eines Handelsvertretervertrags für den Unternehmer nicht kürzer sein als für den Handelsvertreter (§ 89 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 HGB).

 

Ein Verstoß gegen dieses Verbot ungleicher Kündigungsfristen wird von der Rechtsprechung nicht nur dann angenommen, wenn eine Vertragsbestimmung direkt eine kürzere Kündigungsfrist für den Unternehmer regelt. Vielmehr ist anerkannt, dass auch sonstige Nachteile, die sich an den Ausspruch einer Kündigung durch den Handelsvertreter knüpfen, diesem die Kündigung faktisch erschweren und damit dem Grundgedanken des § 89 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 HGB zuwiderlaufen können. Gleichfalls kommt dann ein Verstoß gegen § 89a Abs. 1 Satz 2 HGB in Betracht, nach dem das Recht zur fristlosen Kündigung weder ausgeschlossen noch beschränkt werden darf.

 

Einen solchen Fall einer „unzulässigen Kündigungserschwernis“ hat das OLG Oldenburg jüngst zu entscheiden. 

Kündigung durch Vertreter in der Garantiefrist

Ein Unternehmen (hier Maklerunternehmen) beschäftigte einen Handelsvertreter auf Basis eines Vertretervertrags, der binnen der ersten 36 Monate die Zahlung einer monatlichen „Garantie“ in Höhe von bis zu 3.000 Euro vorsah. Voraussetzung für die volle oder anteilige Auszahlung der „Garantie“ war die monatliche Einwerbung einer Mindestanzahl von Maklermandaten und von Sachversicherungsverträgen mit einem bestimmten Prämienaufkommen.

 

Die „Garantien“ sollten nach den vertraglichen Vereinbarungen in voller Höhe zurückzuzahlen sein, wenn das Vertragsverhältnis vor Ablauf von 36 Monaten gekündigt wurde und

  • entweder der Vertreter die Vereinbarung gekündigt hat, es sei denn, dass ein Verhalten des Maklerunternehmens hierzu begründeten Anlass gegeben hat, oder
  • das Maklerunternehmen die Vereinbarung bzw. den Vertretungsvertrag gekündigt hat und im Zeitpunkt der Kündigung ein wichtiger Grund wegen schuldhaften Verhaltens des Vertreters vorlag.

 

Nachdem der Vertreter den Vertrag vor Ablauf der 36 Monate gekündigt hatte, verlangte das Maklerunternehmen von ihm insgesamt 21.750 Euro gezahlte Garantien zurück. Damit hatte das Maklerunternehmen in erster Instanz noch Erfolg. Das OLG Oldenburg wies jedoch im Berufungsverfahren die Klage ab. Der Vertreter braucht die 21.750 Euro also nicht zurückzuzahlen (OLG Oldenburg, Urteil vom 26.11.2013, Az. 13 U 30/13; Abruf-Nr. 141184).

Unzulässige Kündigungserschwernis

Nach Ansicht des OLG handelt es sich um eine „unzulässige Kündigungserschwernis“, die sowohl gegen § 89 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 HGB als auch gegen § 89a Abs. 1 Satz 2 HGB verstößt.

 

Vertragsbeendigung mit erschwerenden Nachteilen für Vertreter

§ 89 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 HGB stelle als zwingende gesetzliche Regelung eine Schutzvorschrift zugunsten des im Allgemeinen wirtschaftlich schwächeren Handelsvertreters dar. Sie solle verhindern, dass der schwächere Vertragsteil einseitig in seiner Entschließungsfreiheit beschnitten werde.

 

Eine solche einseitige Beschränkung der Entschließungsfreiheit sei nicht nur unmittelbar durch die Vereinbarung ungleicher Kündigungsfristen gegeben. Sie könne auch mittelbar dadurch geschehen, dass an die Kündigung des Handelsvertreters wesentliche, eine Vertragsbeendigung erschwerende Nachteile geknüpft würden. Da diese Nachteile den Handelsvertreter regelmäßig von einer Kündigung abhalten würden, führe dies im Ergebnis dazu, dass der Unternehmer regulär mit der gesetzlichen oder der vertraglich vereinbarten - formal für beide Vertragspartner gleich langen - Frist kündigen könne, während dem Handelsvertreter diese Möglichkeit faktisch verwehrt sei.

 

Rückzahlung der „Garantie“-Zahlungen belastend

So verhielt es sich nach Ansicht des OLG auch im zu entscheidenden Fall: Die aufgrund der Vereinbarung erbrachten „Garantie“-Zahlungen seien zurückzuzahlen, wenn der Handelsvertretervertrag vom Versicherungsvertreter gekündigt werde. Das folge aus dem Sinn und Zweck der Regelung und ihrem systematischen Zusammenhang. Damit war ein Nachteil gegeben.

 

Wichtig | Ob die an eine Vertragsbeendigung geknüpften finanziellen Nachteile von solchem Gewicht sind, dass sie zu einer unzulässigen Kündigungserschwernis führen, ist nach Ansicht des OLG Oldenburg eine Frage des Einzelfalls. Dabei komme es insbesondere

  • auf die Höhe der gegebenenfalls zurückzuerstattenden Zahlungen und
  • auf den Zeitraum, für den die Zahlungen zurückzuerstatten sein sollen, an.

Angesichts von Zahlungen, die bei Erfüllung der Voraussetzungen aufgrund der Vereinbarung bereits nach zwölf Monaten einen Betrag von 36.000 Euro erreichen konnten, bedurfte es nach Ansicht des OLG keiner näheren Erläuterung, dass

  • die drohende Rückzahlungsverpflichtung geeignet sei, den Handelsvertreter von einer fristgemäßen Kündigung des Vertretervertrags abzuhalten, und
  • sie ihn regelmäßig veranlassen werde, mit einer Kündigung bis zum Ablauf der Garantievereinbarung nach 36 Monaten zu warten.

 

Es sei weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Versicherungsvertreter Provisionen in einer Höhe erhalten hätte, neben der die monatlichen Garantiezahlungen von bis zu 3.000 Euro und eine mögliche Pflicht zur Rückerstattung dieser Zahlungen kein besonderes Gewicht gehabt hätten.

 

Vergleich mit anderen Entscheidungen

Bei dieser Würdigung sah sich das OLG Oldenburg im Einklang mit der Beurteilung ähnlicher Klauseln durch andere Gerichte:

 

So sei unter anderem entschieden worden, dass Vereinbarungen in einem Handelsvertretervertrag, nach denen freiwillige Leistungen (zum Beispiel Bonifikationen oder Sondergratifikationen) zurückzuzahlen seien, wenn der Handelsvertretervertrag innerhalb von zwölf Monaten nach der Zahlung beendet werde, grundsätzlich unwirksam seien. Denn sie führten zu einer Behinderung der Berufsfreiheit des Handelsvertreters in einem Ausmaß, das durch den mit der Sonderzuwendung verfolgten Zweck nicht mehr gerechtfertigt sei (LG Münster, Urteil vom 16.9.2010, Az. 24 O 94/09; Abruf-Nr. 141418; OLG Naumburg, Urteil vom 16.2.2010, Az. 6 U 164/09; Abruf-Nr. 141419 und LG Rostock, Urteil vom 25.9.2009, Az. 8 O 11/09; Abruf-Nr. 093621).

 

Soweit das OLG Celle in einem entsprechenden Fall eine andere Auffassung vertreten habe, führe das nicht zu einer anderen Beurteilung. In dem vom OLG Celle entschiedenen Fall sei es um eine für ein Jahr zurückzuzahlende Sonderbonifikation in Höhe von rund 5.700 Euro gegangen. Das OLG Celle sei zu dem Ergebnis gekommen, dass der Betrag der zurückzugewährenden Sonderbonifikation in Anbetracht der Einkommenssituation des Handelsvertreters nicht so hoch gewesen sei, dass die Rückzahlungsverpflichtung geeignet gewesen wäre, ihn von der außerordentlichen Kündigung abzuhalten (OLG Celle, Urteil vom 29.10.2009, Az. 11 U 36/09; Abruf-Nr. 141420).

 

Nichtige Rückzahlungsverpflichtung als Folge

Eine Angleichung der Kündigungsfristen, wie sie § 89 Abs. 2 Satz 2 HGB im Fall ungleicher Kündigungsfristen vorsieht, komme nicht in Betracht. Daher sei die Rückzahlungsverpflichtung als kündigungsbeschränkende Vereinbarung nach Ansicht des OLG gemäß § 134 BGB nichtig, ohne dass dies gemäß § 139 BGB zur Nichtigkeit der Garantievereinbarung insgesamt führen würde.

 

Wichtig | Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus den Entscheidungen des OLG Hamm und in der Vorinstanz des LG Dortmund. In jenem Verfahren sei der Handelsvertreterin ein Darlehen von 2 Mio. DM gewährt worden. Das OLG Hamm habe dazu entschieden, dass eine eventuelle Kündigungserschwernis durch bestimmte Regelungen im Darlehensvertrag nicht zur Unwirksamkeit des Darlehensvertrags an sich führe. Dieser Gedanke lasse sich aber auf den vorliegenden Fall nicht übertragen. Denn hier sei dem Vertreter kein Darlehen gewährt worden (OLG Hamm, Urteil vom 10.12.2009, Az. 2 U 111/09; Abruf-Nr. 141421 und LG Dortmund, Urteil vom 29.4.2009, Az. 7 O 13/09).

 

Die Rückzahlungsverpflichtung sei schließlich auch gemäß § 89a Abs. 1 Satz 2 HGB, § 134 BGB unwirksam, weil sie auch das Recht des Handelsvertreters zur Kündigung des Vertragsverhältnisses aus wichtigem Grund unzulässig erschwere:

 

  • Die Rückzahlungsverpflichtung solle zwar nach der vertraglichen Regelung nicht bestehen, wenn ein Verhalten des Unternehmers begründeten Anlass zur Kündigung gegeben habe.

 

  • Durch diese Einschränkung werde aber das Recht des Vertreters zur Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 89a Abs. 1 HGB nicht hinreichend sichergestellt: Die Einschränkung gelte nur für Fälle, in denen ein Verhalten des Unternehmers begründeten Anlass zur Kündigung gegeben habe. Als wichtige Gründe für eine Kündigung des Handelsvertreters kämen aber auch Umstände in Betracht, die nicht in einem Verhalten des Unternehmers bestehen.

 

FAZIT | Trotz Orientierung der vertraglich vorgesehenen Rückzahlungsvoraussetzungen an den gesetzlichen Regelungen zum Ausschluss des Ausgleichsanspruchs in § 89b Abs. 3 Nr. 1 und 2 HGB gelangt das OLG Oldenburg zu dem Ergebnis, dass eine unzulässige Kündigungserschwernis vorlag. Die Entscheidung fördert noch einmal klar die Umstände zu Tage, die bei der notwendigen Einzelfallbetrachtung und -bewertung maßgeblich sind, nämlich

  • die Höhe möglicher finanzieller Nachteile sowie
  • der Zeitraum, für den zurückzuerstatten sein soll.

 

Unterstützungsleistungen für Verteter, Untervertreter und -vermittler, die über eine zeitlich und betragsmäßig kurz bemessene Anschubfinanzierung hinausgehen und gegebenenfalls zurückgefordert werden sollen, sind daher für Versicherer, Generalagenturen und Makler zunehmend riskanter.

 

Weiterführende Hinweise

  • Beitrag „Auskunft über Fremdvermittlung und Vorschussrückforderung bei Kündigung“, WVV 11/2012, Seite 5 und 6
  • Beitrag „Viele Klauseln über Vertragsstrafen und Provisionskürzungen sind unwirksam“, WVV 3/2011, Seite 5 und 6
  • Beitrag „Unternehmer darf unverdiente Provisionsvorschüsse nicht zurückfordern“, WVV 7/2009, Seite 5 und 6
Quelle: Ausgabe 06 / 2014 | Seite 5 | ID 42647106