03.07.2008 | Arztrecht
Kein Disziplinarverfahren wegen zu häufig abgerechneter Präventionsleistungen
Nach der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) über die Gesundheitsuntersuchung zur Früherkennung von Krankheiten sind die Präventionsleistungen wie zum Beispiel die Gesundheitsuntersuchung nach der Nr. 01732 EBM 2008 „jedes zweite Jahr“ abrechenbar. Dass diese Formulierung ihre Tücken hat, mussten einige Vertragsärzte in Hessen kürzlich feststellen. Diese hatten die Richtlinien nämlich so interpretiert, dass die Leistungen nach Ablauf eines Jahres – also alle 366 Tage anzusetzen – seien. Tatsächlich sollte der Anspruch auf erneute Untersuchung aber frühestens in dem der Untersuchung folgenden übernächsten Kalenderjahr entstehen.
Aus diesem Grund beantragte die KV Hessen unter anderem gegen eine Ärztin aus Hessen, die bei 42 Patienten zu früh die Gesundheitsuntersuchung vorgenommen hatte, die Einleitung eines Disziplinarverfahrens. Der Disziplinarausschuss lehnte jedoch die Eröffnung des Verfahrens ab, weil das Verschulden der Ärztin wegen der Fehlinterpretation nur als gering anzusehen sei. Im Übrigen sei durch das Antragsverfahren bereits dem erzieherischen Zweck genügt, da die Ärztin nachweislich ihre Praxisorganisation entsprechend geändert habe. Es bestehe auch keine Wiederholungsgefahr.
Fazit
Die Entscheidung zeigt in erfreulicher Weise den Zweck des Disziplinarverfahrens auf. Zwar soll dieses auch ein Fehlverhalten eines Vertragsarztes sanktionieren, es hat jedoch vor allem präventiven Charakter. Ziel des Disziplinarrechts ist, die vertragsärztliche Versorgung entsprechend den gesetzlichen Vorgaben sicherzustellen und die Funktionsfähigkeit dieses Sondersystems zu schützen (BSG Urteil vom 11.09.2002, Az: B 6 KA 36/01 R). Ist aber kein oder nur ein sehr geringes Verschulden festzustellen und eine Wiederholungsgefahr nicht gegeben, besteht kein Anlass zur Durchführung eines – den Arzt sehr belastenden – Disziplinarverfahrens.
In der Vergangenheit ist es immer wieder zu Unstimmigkeiten bei der Interpretation von Zeitintervallen auf Grundlage der Richtlinien des G-BA gekommen. Der G-BA hat dieser Unwägbarkeit beispielsweise bei den Krebsvorsorgeuntersuchungen mit seiner sogenannten „Jährlichkeitsrichtlinie“ vom 21. Juni 2007 ein Ende gesetzt und dadurch eine für alle Beteiligten des Gesundheitswesens verbindliche und rechtssichere Konkretisierung geschaffen (vgl. Ausgabe 8/2007, S. 10).
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