01.06.2010 | Fallbeispiel
Die präoperative Untersuchung im Praxisalltag
Immer häufiger werden operative Eingriffe im ambulanten Sektor durchgeführt. Dieser Leistungsbereich (Kapitel 31 des EBM) scheint für viele Hausärzte zunächst irrelevant. Doch die Leistungspositionen dieses Kapitels werden nicht nur außerhalb des Regelleistungsvolumens, sondern auch komplett außerhalb der morbiditätsorientierten Gesamtvergütung (MGV) vergütet. Damit werden sie für Hausärzte interessant. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass Leistungen des Kapitels 31 ausschließlich für ambulante Operationen nach § 115 b SGB V bzw. für Voruntersuchungen und Nachsorge gelten.
Grundsätzliches zum ambulanten Operieren
Als ambulante Operation im Sinne des EBM gelten ärztliche Leistungen mit chirurgisch-instrumenteller Eröffnung der Haut und/oder Schleimhaut oder der Wundverschluss von eröffneten Strukturen der Haut und/oder Schleimhaut mindestens in Oberflächenanästhesie sowie Leistungen entsprechend den OPS-301-Prozeduren des Anhangs 2 gegebenenfalls einschließlich eingriffsbezogener Verbandleistungen.
Dabei spielt es keine Rolle, ob die operative Leistung im Krankenhaus oder in der Praxis eines niedergelassenen Vertragsarztes erbracht wird. Ausschlaggebend ist allein die ambulante Durchführung des operativen Eingriffs. Damit sollte das Interesse an diesen Leistungen und an deren Kombinationsmöglichkeiten gerade bei Hausärzten sprunghaft steigen. Kapitel 31 des EBM umfasst die Gebührenordnungspositionen für ambulante Operationen, Anästhesien, präoperative, postoperative und orthopädisch-chirurgisch konservative Leistungen und ist in sechs Abschnitte unterteilt.
Für Ärzte im hausärztlichen Versorgungsbereich sind vor allem Abschnitt 31.1 und Abschnitt 31.4 im Kapitel 31 des EBM von Bedeutung. Die präoperativen Leistungen des Abschnitts 1 sind dem hausärztlichen Versorgungsbereich (Fachärzte für Allgemeinmedizin, praktische Ärzte, Ärzte ohne Gebietsbezeichnung, Fachärzte für Kinderheilkunde und Fachrärzte für Innere Medizin in der hausärztlichen Versorgung) zugeordnet und auch vorbehalten.
ICD-10-GM*
Diagnose | ICD-10 |
Karpaltunnelsyndrom | G56.0 |
* Zur Abrechnung ist die Zusatzkennung mit A = Ausschluss, G = Gesichert, V = Verdacht, Z = Zustand nach ... zwingend vorgeschrieben. Lokalisationsangabe ist fakultativ: R = rechts, L = links, B = beidseits.
Der Fall
Die Patientin ist 68 Jahre alt und beklagt Schmerzen in der rechten Hand, teilweise auch im gesamten Unterarm sowie ein Taubheitsgefühl in den Fingern. Sie berichtet, dass sie sehr viel Handarbeiten mache und auch sehr viel Stricken würde. Diese Tätigkeiten würden ihr immer schwerer fallen. Schon nach kurzer Zeit treten die Schmerzen in der Hand und vor allem auch am Daumenballen auf. Sie habe zeitweise keine richtige Kraft mehr um zum Beispiel die Teetasse zu halten. Bei der ansonsten rüstigen Dame ist ein Hypertonus bekannt, eine Lipidämie und eine Arthrose der großen Gelenke.
Diagnose, Therapie und Abrechnung
Es wird eine Untersuchung des Bewegungsapparats (HWS, Gelenke, Beweglichkeit) sowie eine neurologische Teiluntersuchung (Sensibilität, Motorik) durchgeführt. Die Untersuchung zeigt neben einer schmerzhaften Bewegungseinschränkung der großen Gelenke sowie muskulären Verspannungen im Bereich der HWS auch eine Sensibilitätsstörung im Versorgungsgebiet des Nervus medianus der rechten Seite. Die Kompression des Karpaltunnels ist deutlich schmerzhaft. Mit der Patientin wird die Verdachtsdiagnose eines KTS sowie die therapeutischen Möglichkeiten (Operation) erörtert. Sie erhält eine Überweisung zum Neurochirurgen.
1. Konsultation: Anamnese, Untersuchung
EBM |
| GOÄ | |||
Ziffern | Punkte | Euro | Legende | Ziffern | Punkte |
03112 | 1020 | 35,75 | Versichertenpauschale/ Beratung | 1 ! | 80 |
- 1) | - | - | Untersuchung | 7! | 160 |
! Die mit einem Ausrufezeichen gekennzeichneten Leistungen der GOÄ werden mit einem erhöhten Faktor abgerechnet. Begründung: „Untersuchung mehrerer Organsysteme“, „beratungsintensives Krankheitsbild” bzw. „zusätzliche neurologische Teiluntersuchung“.
1) Diese Leistungen sind im EBM nicht gesondert berechnungsfähig. Als Bestandteil des Anhang 1 sind sie mit der Versichertenpauschale abgegolten.
Nach wenigen Tagen stellt sich die Patientin mit einer Überweisung des Neurochirurgen zur Durchführung der präoperativen Untersuchung wieder vor. Der Termin zum ambulanten operativen Eingriff ist in zwei Wochen festgelegt und der Operateur hat den Zielauftrag zur Durchführung der präoperativen Diagnostik (Labor, körperlicher Status, EKG) erteilt. Die Untersuchung und die Blutentnahme zur Bestimmung der Gerinnungsparameter, Blutsenkung, Entzündungsparameter, Blutbild, Kreatinin und Kalium wird sechs Tage vor dem geplanten Eingriff durchgeführt. Der Patientin werden zwei Tage später die gesamten Unterlagen ausgehändigt.
2. Konsultation: Präoperative Untersuchung
EBM |
| GOÄ | |||
Ziffern | Punkte | Euro | Legende | Ziffern | Punkte |
01436 | 50 | 1,75 | Konsultationskomplex/Beratung | 1 2) | - |
31013 | 1165 | 40,83 | Präoperative Untersuchung nach dem | 8! | 260 |
- 1) | - | - | EKG | 651 | 253 |
- 1) | - | - | Blutentnahme | 250 | 40 |
- 3) | - | - | Laborleistungen | Einzelparameter |
! Die mit einem Ausrufezeichen gekennzeichneten Leistungen der GOÄ werden mit einem erhöhten Faktor abgerechnet. Begründung: „Zeitaufwand“, „beratungsintensives Krankheitsbild”
1) Diese Leistungen sind im EBM nicht gesondert berechnungsfähig. Als Bestandteil des Anhang 1 sind sie mit der Versichertenpauschale abgegolten.
2) Entsprechend der Allgemeinen Bestimmungen sind die Leistungen nach den Nrn. 1 und/oder 5 nur einmal im Behandlungsfall neben Sonderleistungen der Kapitel „C“ bis „O“ berechnungsfähig. Da Nr. 1 bisher nicht neben einer Leistung nach Nr. 200 und höher abgerechnet wurde, kann Nr. 1 hier berechnet werden.
3) Die Laborleistungen werden durch die Laborgemeinschaft abgerechnet. Werden sie aber in der Praxis erbracht, erfolgt die Abrechnung der Praxis mit der KV.
Da der Operateur eine Überweisung mit dem Zielauftrag „Präoperative Untersuchung“ ausgestellt hat, kann nach EBM die Konsultationspauschale (Nr. 01436) abgerechnet werden.
3. Konsultation: Erörterung/Übergabe des Befundberichts
EBM |
| GOÄ | |||
Ziffern | Punkte | Euro | Legende | Ziffern | Punkte |
- 1) | - | - | Erörterung | 34 2) | 300 |
- 1) | - | - | Brief | 75 | 130 |
1) Diese Leistungen sind im EBM nicht gesondert berechnungsfähig. Als Bestandteil des Anhang 1 sind sie mit der Versichertenpauschale abgegolten. Zudem ist zu beachten, dass der Befundbericht nach Nr. 01601 EBM Bestandteil des präoperativen Untersuchungskomplexes nach Nr. 31013 ist.
2) Der Eingriff ist für die Patientin durchaus ein einschneidendes Ereignis. Die Patientin hat vor allem Bedenken, ihre Handarbeiten nicht weiter durchführen zu können. Diese Dinge werden ausführlich erörtert - ebenso die vorübergehende Reduzierung ihrer Stopf- und Näharbeiten. Das ist für die Patientin zwar nicht lebensbedrohlich, aber durchaus lebensverändernd, wie in der Leistungslegende zur Nr. 34 gefordert wird.