01.06.2005 | Individualbudgets
Budget ist ausgeschöpft: Können dann GKV-Patienten abgelehnt werden?
Vertragsärztliche Leistungserbringung über die Ausschöpfung von Individualbudgets bzw. zukünftig der Regelleistungsvolumina hinaus ist finanziell wenig attraktiv, wenn in dieser Zeit auch Privatpatienten behandelt werden könnten. Dürfen GKV-Patienten aus diesem Grund abgewiesen werden oder aber auf in der fernen Zukunft (mindestens im nächsten Quartal liegende) Termine verwiesen werden, wenn ein Termin für eine Privatbehandlung unproblematisch kurzfristig vergeben werden kann? Mit dieser nicht nur ethisch brisanten, sondern auch rechtlich interessanten Frage befasst sich das viel beachtete Urteil des Sozialgerichts (SG) Düsseldorf vom 21. Juli 2004 (Az: S 14 KA 260/02, Abruf-Nr. 051126). Es gibt wertvolle Hinweise für die Praxis, lässt aber auch viele Fragen offen.
Fall und Urteil
Grundlage der Entscheidung ist ein Disziplinarverfahren der KV Nordrhein gegen einen Augenarzt. GKV-Patienten hatten sich bei der KV beschwert, dass der Augenarzt mehrfach keinen oder einen Termin mit sehr langer Wartezeit (bis zu fünf Monaten) angeboten hatte, wohingegen Privatpatienten jederzeit einen Termin erhalten konnten. Unter anderem wurde eine Patientin mit der Begründung abgelehnt, dass die Praxis keine Patienten annehme, die fünf Jahre und länger nicht in der Sprechstunde der Praxis gewesen seien. Notfallbehandlungen würden jedoch vorgenommen.
Im Rahmen des Disziplinarverfahrens rechtfertigte sich der Arzt damit, er sei wegen der Budgetknappheit gehalten, den Umfang seiner vertragsärztlichen Tätigkeit nicht weiter auszudehnen. Bei Privatpatienten unterliege er diesen Restriktionen nicht. Die KV hielt dem entgegen, dass ein Vertragsarzt nach den für ihn verbindlichen Regelungen der Bundesmantelverträge die Behandlung eines Versicherten nur in begründeten Fällen ablehnen dürfe. Budgetgründe seien kein solcher Grund. Der Disziplinarausschuss kam zu dem Ergebnis, dass eine Verwarnung des Arztes nicht ausreiche und erteilte einen Verweis mit der Folge einer Eintragung in das Arztregister. Diese Entscheidung wurde vom Sozialgericht Düsseldorf aufgehoben.
Umfang der Behandlungspflicht von GKV-Patienten
Ausgangspunkt der rechtlichen Überlegungen zur Behandlungspflicht von GKV-Patienten ist der Umstand, dass ein Vertragsarzt letztlich nicht frei entscheiden kann, wen er behandelt. Nach § 95 Abs. 3 SGB V bewirkt die Zulassung, dass der Arzt zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigt und verpflichtet ist. Diese Teilnahmeverpflichtung umfasst insbesondere die Erfüllung der gesetzlichen Leistungsansprüche der Versicherten auf ärztliche Behandlung. Konsequenterweise konkretisieren die Bundesmantelverträge diese Pflicht dahingehend, dass ein Vertragsarzt die Behandlung eines Versicherten nur ablehnen darf, wenn
- der volljährige Versicherte nicht seine Krankenversichertenkarte vorlegt und die Zuzahlung in Höhe von 10 Euro leistet (Ausnahme: Notfall) oder
- „im Übrigen nur in begründeten Fällen“ (§ 13 Abs. 7 BMV-Ä bzw. § 13 Abs. 6 EKV-Ä).
Wann liegt ein „begründeter Fall“ für eine Ablehnung vor?
Das SG Düsseldorf teilt im Ansatz die Auffassung der KV, dass finanzielle Überlegungen des Arztes keinen solchen begründeten Fall für die Ablehnung eines GKV-Patienten darstellen könnten. Geklärt sei nämlich in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung, dass eine unzureichende Honorierung einer Einzelleistung den Arzt nicht dazu berechtigt, den Patienten auf eine kostendeckende Privatbehandlung zu verweisen. Der vertragsärztlichen Vergütung liege insgesamt eine „Mischkalkulation“ zu Grunde, bei der der Vertragsarzt keinen Anspruch auf eine hinreichende Honorierung seiner einzelnen Leistungen habe, sondern nur einen Anspruch auf eine insgesamt angemessene Teilhabe an der von den gesetzlichen Krankenkassen an die KV gezahlten Gesamtvergütung.
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