Recht
Säumiger Zahler: Wie erwirke ich einen “Titel”?
Welcher Kassenarzt kennt das nicht: Da kommt ein Patient in die Praxis, gibt an, “privat versichert” zu sein, hat womöglich noch Sonderwünsche – und wenn es dann an´s Bezahlen geht, wird die Rechnung nicht beglichen. Die erste, zweite und dritte Mahnung folgen, doch auf dem Praxiskonto rührt sich nichts.
Nun gibt es im Prinzip drei Möglichkeiten. Die erste: Man verzichtet auf das Geld. Oder, zweitens: Der Vorgang wird – was wohl der Normalfall sein dürfte – zwecks Eintreibung an einen Rechtsanwalt weitergegeben. Vorteile: kein Streß, keine Laufereien, keine Terminverwaltung. Nachteil: Falls der Patient nicht zahlt, weil er nichts hat, dann verliert der Arzt nicht nur sein Honorar, sondern er muß auch noch der Rechtsanwalt aus eigener Tasche bezahlen, dessen Kosten ansonsten der säumige Schuldner hätte übernehmen müssen. Und die Rechtsanwaltskosten können schnell viel höher sein als die eigentliche Forderung.
Dritte Möglichkeit: Man macht sich selbst an die Arbeit und erwirkt bei Gericht einen sogenannten “Titel”, mit dessen Hilfe der Patient zur Bezahlung gezwungen werden kann. Nachteil: Wenn der Schuldner nichts hat, ist auch hier zunächst nichts zu holen. Aber die Rechtsanwaltsgebühren sind gespart. Und man hat ein Papier in der Hand, mit dem man in den folgenden Jahren und Jahrzehnten immer wieder durch den Gerichtsvollzieher die Forderung plus Zinsen eintreiben kann. Die Gültigkeit eines sogenannten “Vollstreckungs-bescheids” beträgt immerhin dreißig Jahre!
Das alles klingt kompliziert, ist aber auch für den Laien eigentlich ganz einfach. Wir erklären Ihnen im folgenden Beitrag, was Sie tun müssen.
Zunächst einmal muß klar sein: Die Forderung ist fällig und der Patient befindet sich “im Verzug.” Das ist in der Regel der Fall, denn nach der GOÄ hat der Patient die Pflicht zur sofortigen Zahlung. Damit ist ein Zahlungsziel von vierzehn Tagen ausreichend. Und eine Mahnung haben die meisten Ärzte, Verrechnungsstellen und Computerprogramme ohnehin verschickt, bevor sie an den Klageweg denken.
Wie wird ein Mahnbescheid erwirkt?
Wenn also diese Voraussetzungen vorliegen, wird zunächst beim zuständigen Amtsgericht ein Mahnbescheid erwirkt, dem sich dann ein Vollstreckungsbescheid anschließt. Das funktioniert wie folgt:
a) Zunächst muß ein Formular besorgt werden, das bei Gericht eingereicht werden kann. Ein selbst formuliertes Schreiben reicht in diesem Falle nicht, denn es herrscht Formularzwang. Das ist aber auch gut so, weil ein frei formuliertes Schreiben viel mehr Arbeit machen würde. Einen derartigen Vordruck, der aus mehreren selbstdurchschreibenden Blättern besteht, gibt es im Schreibwarengeschäft. Meistens nennt er sich “Mahnbescheid-Antrag”. Erstes Blatt ist in der Regel ein sogenanntes “Entwurfsblatt”, auf dem der Ungeübte zunächst in´s Unreine schreiben kann.
b) Nun geht es an´s Ausfüllen. Dies muß, der Leserlichkeit und Unzweideutigkeit wegen, mit einer Schreibmaschine geschehen. Jetzt nehmen Sie sich unsere Abbildung I zur Hand.
c) Ganz oben auf dem Mahnbescheidantrag – im ersten Feld – ist das zuständige Amtsgericht mit Postleitzahl und Ort zu bezeichnen. Das ist in der Regel das Amtsgericht, in dem der beantragende Arzt wohnt.
d) In das zweite Feld wird die Anschrift des Schuldners, also des zahlungspflichtigen Patienten, eingetragen. Sollten Sie im Zweifel sein, ob er noch unter der Ihnen bekannten Adresse wohnt, so kann bei der Meldebehörde im Rathaus der Gemeinde nachgefragt werden. Die Auskunft kostet Gebühren, sie muß zudem schriftlich eingeholt werden. Am besten fügen Sie einen Verrechnungsscheck bei, nachdem Sie telefonisch “den Preis” erfragt haben. Sollte der Säumige verzogen sein, so erfahren Sie bei der Meldebehörde, ordnungsgemäße Abmeldung vorausgesetzt, die neue Anschrift.
e) In das dritte Feld schreiben Sie nun Ihre Adresse mit Bankverbindung, damit der Schuldner, möglicherweise durch den Mahnbescheid erschreckt, unverzüglich zahlen kann. Das vierte Feld “als Gesamtschuldner” lassen Sie frei.
f) Im fünften Feld müssen Sie nun Ihren Anspruch spezifizieren. Hier könnte stehen: “Unbezahlte Rechnung vom 6. Mai 1996, Rechnung Nr. 123456789”.
g) Jetzt muß unter Punkt sechs Ihre Forderung, nämlich der Betrag aus der Arztrechnung, eingetragen werden. Also zum Beispiel 557,70 DM.
h) Unter “Nebenforderung”, Punkt sieben des Formulars, tragen Sie die Zinsen ein. Deren Berechnung wird im nebenstehenden Feld “Zinsen, Bezeichnung der Nebenforderung” im Detail dargelegt. Die Berechnung erfolgt taggenau. Also etwa vierzehn Tage nach der Rechnungsstellung bis zum Tag des Einreichens dieses Mahnbescheidantrags. Der Zinsfuß für die Hauptforderung ist nicht an die vier Prozent gebunden, die Ihnen das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) als sogenannten “gesetzlichen Mindestschaden” zubilligt. Hier dürfen Sie die Zinsen ansetzen, die Ihnen Ihre Bank bei einer Überziehung des Kontos abknöpft.
Die einzutragende Zeile könnte somit lauten: “12,50 Prozent aus 557,70 DM ab dem 21. Mai 1996”. Wieviel das nun ist, errechnen Sie mittels eines Dreisatzes und des Zinsjahres, das 360 Tage umfaßt. Den so ermittelten Betrag tragen Sie nun unter “Nebenforderung” ein.
i) Feld acht weist die Kosten des Verfahrens aus. Weil Sie alles selbst machen, dürfen Sie nur die “Gerichtskosten” und Ihre eigenen Kosten, die “Auslagen des Antragstellers”, ansetzen. Die Gerichtskosten betragen 25 DM bei Forderungen bis zu 600 DM. Bei Forderungen bis zu 1.200 DM sind 35 DM fällig. Sie müssen im Vorwege an das Amtsgericht gezahlt werden. Zwar sind in der Regel Gebührenmarken erforderlich, die Sie bei Gericht kaufen können. Aber ein Anruf in der Geschäftsstelle der Justiz lohnt sich, denn meistens werden auch Überweisungen auf das Konto des Gerichts oder Verrechnungsschecks als Zahlungsmittel akzeptiert.
Diese Gebühr tragen Sie unter “Gerichtskosten” in den Antrag ein. “Auslagen des Antragstellers” sind tatsächlich entstandene Kosten, also zum Beispiel das Porto für das Versenden des Antrags an das Gericht, Kosten für den Briefumschlag, die Gebühr für die Auskunft beim Einwohnermeldeamt und der Preis des Vordrucksatzes im Schreibwarengeschäft. Auch diese Auslagen müssen Sie im Zweifel belegen können. Deshalb dürfen Sie sich auch nicht für das Ausfüllen des Antrags einen Stundenlohn zubilligen. Der steht Ihnen nicht zu, Ihre Arbeit erfolgt kostenfrei.
Die Summe aus “Gerichtskosten” und “Auslagen des Antragstellers” tragen Sie nun unter “Kosten dieses Verfahrens” ein und bilden schließlich, Feld neun des Vordrucks, eine Gesamtsumme. Die Posten “Zuzüglich der laufenden Zinsen” brauchen Sie nicht selbst zu berechnen, das macht anfangs der Gerichtsvollzieher für Sie.
k) Nun müssen Sie Feld zehn ausfüllen. Hierhinein kommt das Gericht, vor dem gestritten werden soll, falls der Patient trotz des Mahnbescheids nicht zahlen will. Zuständig bis zu einem Betrag von 10.000 DM ist das Amtsgericht, darüber das Landgericht. Örtlich zuständig ist das Gericht, in dessen Bezirk der Antragsgegner wohnt.
l) Nun sind Sie fast fertig. Unter Feld elf tragen Sie jetzt nochmals Ihre Anschrift ein, rechts daneben Ort und Datum des Tages, an dem Sie den Antrag zum Gericht schicken und bis zu welchem Sie in Feld sieben die Zinsen berechnet haben. Feld zwölf kreuzen Sie an, denn Sie wollen ja Ihren Anspruch durchsetzen, notfalls mit Hilfe des Gerichts. Und auch Feld dreizehn kreuzen Sie an, denn Ärzte sind nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Feld vierzehn bleibt frei. Nun müssen Sie noch unterschreiben, den Antrag eintüten und wegschicken.
Wie geht es weiter?
Das Amtsgericht schickt den Gerichtsvollzieher los, der dem Patienten den Mahnbescheid – siehe Abbildung II – persönlich zustellt. Sie selbst werden mittels Abbildung III von der Aktion des Gerichtsvollziehers unterrichtet.
Jetzt kann Dreierlei passieren:
- Der säumige Patient zahlt. Dann ist die Angelegenheit erledigt.
- Der Patient widerspricht Ihrer Forderung ganz oder in Teilen. Dann geht die Sache vor Gericht.
- Der Patient stellt sich weiter stur. Vierzehn Tage lang rührt sich auf Ihrem Konto nichts. Nun sind Sie erneut gefordert!
Wie wird ein Vollstreckungsbescheid erwirkt?
Nehmen Sie Ihre Benachrichtigung zur Hand und beantragen Sie nun den “Vollstreckungsbescheid” mit Hilfe der Abbildung III. Hier kreuzen Sie Feld zwei an, Feld drei lassen Sie unbeachtet. Hat Ihr Patient nur eine Teilzahlung geleistet, so müssen Sie im Feld vier diese Summe angeben und zugleich im Feld sechs das rechte Kästchen “nur die oben angegebenen Zahlungen” ankreuzen. In´s Feld fünf schreiben Sie Ihre erneuten Kosten, also etwa Porto und Kosten für den Briefumschlag. Feld sieben kreuzen Sie ebenfalls an, weil der Gerichtsvollzieher die Arbeit für Sie machen soll. Kästchen acht bleibt frei. Nun müssen Sie noch im Feld eins Ort und Datum einfügen, das Ganze unterschreiben und an das Gericht senden.
Jetzt sind Sie beinahe am “Ziel Ihrer Träume”, ein “Titel” winkt. Denn das Gericht verfügt nun die Zustellung Ihres “Vollstreckungsbescheides”, siehe Abbildung IV. Der Schuldner bekommt ein identisches Papier. Er kann binnen einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung einen schriftlichen “Einspruch” bei Gericht einlegen. Sie als Gläubiger freilich warten diese vierzehn Tage ab und kontrollieren Ihr Konto. Dann müssen Sie die Zwangsvollstreckung selbst betreiben, falls nichts gezahlt wurde. Das Gericht unternimmt von sich aus nichts!
Wie wird die Zwangsvollstreckung betrieben?
Sie richten ein Schreiben an “Die Verteilerstelle für Gerichtsvollzieheraufträge beim Amtsgericht...” (das Amtsgericht, in dessen Zuständigkeitsbereich der säumige Patient wohnt). In dem Schreiben bitten Sie die sehr geehrten Damen und Herren, den Zwangsvollstreckungsauftrag gegen den namentlich bezeichneten Patienten zu übernehmen. Sie fügen Ihren “Titel”, den Vollstreckungsbescheid, bei und listen Ihre weiteren Kosten auf, wie zum Beispiel Porto für die Versendung dieses Zwangsvollstreckungsauftrages. Jetzt wird bei Gericht der zuständige Gerichtsvollzieher beauftragt und in Marsch gesetzt.
Nun endlich werden Sie hoffentlich Ihr Geld erhalten! Der Gerichtsvollzieher wird es im Falle der erfolgreichen “Beitreibung” auf Ihr Konto überweisen. Kosten entstehen nicht, die zieht er beim Schuldner gleich mit ein. Ist der säumige Zahler allerdings mittellos, gab es also nichts zu holen oder zu pfänden, dann bekommen Sie in der Regel eine “Nachnahme”. Der Gerichtsvollzieher schickt Ihnen Ihren Vollstreckungstitel zurück und erhebt zugleich seine Gebühren. Bitte alles sorgfältig aufbewahren, denn beim nächsten Pfändungsversuch listen Sie diese Kosten selbstverständlich zusätzlich mit auf!
Quelle: Abrechnung aktuell - Ausgabe 12/1997, Seite 8