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  • 01.08.2006 | Vertragsarztrecht

    Ein Patient, ein Quartal, zwei Hausärzte – da drohen Honorarrückforderungen!

    von Rechtsanwalt Torsten Münnch, Dierks & Bohle Rechtsanwälte, Berlin, www.db-law.de

    Im System der vertragsärztlichen Versorgung hat der Hausarzt zwei zentrale Aufgaben: Zum einen muss er die ärztliche Betreuung von Patienten gewährleisten; zum anderen muss er die von anderen Leistungserbringern erbrachten diagnostischen, therapeutischen und pflegerischen Maßnahmen koordinieren und die wesentlichen Behandlungsdaten aus der ambulanten und stationären Versorgung zusammenführen, bewerten und aufbewahren. Der Hausarzt ist also nicht nur Behandler, sondern auch Lotse im Gesundheitswesen.  

     

    Insbesondere seiner Koordinations- und Dokumentationsaufgabe kann der Hausarzt allerdings nur dann gerecht werden, wenn tatsächlich alle Informationen bei ihm zusammenfließen. Der Versicherte hat deshalb einen Hausarzt zu wählen (§ 76 Abs. 3 Satz 2 SGB V). Er darf ihn innerhalb eines Kalendervierteljahres nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes wechseln (§ 76 Abs. 3 Satz 1 SGB V). Aus der Gesamtschau dieser Regelungen erwächst für den Hausarzt unter bestimmten Umständen die Verpflichtung, den Versicherten darauf hinzuweisen, dass ein Wechsel des Hausarztes innerhalb des Quartals nur aus wichtigem Grunde erfolgen soll.  

    BSG verurteilt Arzt einer Praxisgemeinschaft

    Welche Folgen eine Verletzung dieser Pflicht haben kann, zeigt exemplarisch ein kürzlich vom Bundessozialgericht (BSG) entschiedener Fall (Urteil vom 22.3.2006, Az: B 6 KA 76/04 R). Der Fall bezog sich noch auf Abrechnungen nach dem alten EBM (EBM `96), als dem Hausarzt für seine Leistungen sowohl die Ordinationsgebühr (Nr. 1 EBM `96) als auch die hausärztliche Grundvergütung (Kapitel B I. Nr. 1 EBM `96) zur Verfügung standen. Beide Leistungen konnten einmal im Behandlungsfall abgerechnet werden. Der EBM 2000plus hat daran nichts Grundsätzliches geändert, sieht man einmal von der Altersgewichtung bei den Ordinationskomplexen ab.  

     

    Im verhandelten Fall hatten zwei Hausärzte ihre Gemeinschaftspraxis (vertragsarztrechtlich eine Praxis mit einem Abrechnungsstempel) in eine Praxisgemeinschaft umgewandelt (vertragsarztrechtlich zwei Praxen mit zwei Stempeln). In den Quartalen danach wurden zahlreiche Patienten innerhalb desselben Quartals sowohl von dem einen als auch von dem anderen Hausarzt behandelt. Bezogen auf das Gesamtpatientenklientel eines Arztes lag die Quote zwischen 45 und 72 Prozent. Das nahm die KV zum Anlass, die Hausarztpauschale pauschal um 30 Prozent zu kürzen und das Honorar für die Leistung nach der Nr. 1 EBM immer dann zu streichen, wenn auch der andere Arzt denselben Patienten in dem Quartal behandelt hatte und bei ihm der Schwerpunkt der Behandlung lag. Nach KV-Auffassung hätten die Ärzte die Pflicht gehabt, ihre Patienten darüber aufzuklären, dass ein Hausarzt während des Quartals nur aus wichtigem Grunde gewechselt werden soll, etwa deshalb, weil das Vertrauensverhältnis gestört ist. Aus der hohen Quote gemeinsam behandelter Patienten sei ersichtlich, dass diese Information unterblieben war.  

     

    Einer der betroffenen Ärzte erhob Klage und verlor in allen Instanzen. Ausdrücklich widersprach das BSG sämtlichen Verteidigungsargumenten des Arztes und beanstandete weder die Pauschalierung des Kürzungsbetrages noch folgte es der Ansicht, die Pflicht zur Wahl und Beibehaltung eines Hausarztes treffe nur den Versicherten und löse insbesondere keine Aufklärungspflicht des Arztes aus. Wenn sich für den Hausarzt Anhaltspunkte dafür zeigen, dass der Patient pflichtwidrig seinen Hausarzt wechseln möchte, müsse er dem entgegenwirken. Im konkreten Fall sah das BSG einen solchen Anhaltspunkt insbesondere in dem Umstand, dass die Ärzte ihre Gemeinschaftspraxis in eine Praxisgemeinschaft umgewandelt hatten und dadurch für die Patienten die Möglichkeit entfallen sei, im selben Quartal beide Ärzte in Anspruch zu nehmen.  

     

    Ausdrücklich wies das BSG darauf hin, dass die Ärzte in einer Praxisgemeinschaft nicht mehr Honorar erhalten dürften, als wenn sie in Gemeinschaftspraxis tätig wären. Auch sei die KV nicht verpflichtet, auf bestimmte Behandlungsschwerpunkte Rücksicht zu nehmen, denn diese seien in der hausärztlichen Versorgung „grundsätzlich nicht von Bedeutung“. Schließlich käme es auch nicht auf ein schuldhaftes Verhalten des Arztes an. Unkenntnis über die Belehrungspflicht schützt also nicht vor Honorarabzug.  

    Fazit

    Ärzte können den Patienten letztlich nicht zwingen, seine Pflichten einzuhalten. Insbesondere dürfte ein Hausarzt in der Regel nicht verpflichtet sein, der KV oder der Krankenkasse einen pflichtwidrigen Hausarztwechsel des Versicherten mitzuteilen. Wohl aber sollten Sie dann, wenn Sie von einem voraussichtlich unzulässigen Hausarztwechsel erfahren, den Patienten über seine Pflichten aufklären und – ganz wichtig – das Aufklärungsgespräch mit einer kurzen Notiz in der Patientenakte dokumentieren.  

     

    Nicht geäußert hat sich das BSG zu der Frage, ob der Hausarzt die Behandlung verweigern darf, wenn er erfährt, dass der Patient im selben Quartal schon einen Hausarzt aufgesucht hatte und kein wichtiger Grund für den Wechsel erkennbar ist. Abgesehen von akuten Fällen wird man aber genau dies in konsequenter Umsetzung des BSG-Urteils vom Hausarzt verlangen müssen.  

    Quelle: Ausgabe 08 / 2006 | Seite 15 | ID 84533