· Fachbeitrag · Gesetzgebung
Wirtschaftlichkeitsprüfung: ab 2017 neue Regeln
| Für Verordnungen, die ab dem 1. Januar 2017 ausgestellt werden, gelten ab diesem Zeitpunkt neue Spielregeln. Die derzeit in § 106 SGB V detailliert geregelte Richtgrößenprüfung als Regel-Prüfmethode entfällt. Vielmehr müssen sich die regionalen Vertragspartner (Kassenärztliche Vereinigungen und Krankenkassen) über die Ausgestaltung der Prüfungen verständigen - allerdings unter Beachtung der Vorgaben auf Bundesebene. Diese Rahmenvorgaben haben KBV und Krankenkassen jetzt beschlossen. Nachfolgend informieren wir über die wesentlichen Inhalte. |
Für welche Verordnungen gilt die Rahmenvereinbarung?
Die Rahmenvorgaben gelten für alle regional zu vereinbarenden Prüfungen der Wirtschaftlichkeit ärztlich verordneter Leistungen. Betroffen sind daher nicht nur die Verordnung von Arznei- und Verbandmittel einschließlich Sprechstundenbedarf und Heilmitteln. Auch auf die Verordnung von Hilfsmitteln, Krankentransporten, Krankenhausbehandlung, medizinischer Rehabilitation, Behandlung in Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen, häuslicher Krankenpflege, Soziotherapie und spezialisierter Ambulanter Palliativversorgung (SAPV) wirken sich die Änderungen aus.
Wie wird geprüft?
In der Wahl der Prüfungsart, Prüfmethode und des Prüfgegenstands sind die regionalen Vertragspartner grundsätzlich frei. Für die Verordnung von Arzneimitteln und Heilmitteln können anstelle einer Prüfung nach Richtgrößen Regelungen getroffen werden, die sich auf die Versorgungs- und Wirtschaftlichkeitsziele beziehen. Zu diesem Zweck kann die Erfüllung von Zielkriterien auf Basis eines Katalogs für eine indikationsgerechte Wirkstoffauswahl in versorgungsrelevanten Indikationen herangezogen werden, beispielsweise auf Basis des Medikationskatalogs der KBV oder vergleichbar der Wirkstoffvereinbarung in der KV Bayerns.
Die derzeit noch in § 106 SGB V enthaltene Bestimmung, wonach Verordnungen von Ärzten, die an Anwendungsbeobachtungen teilnehmen, insbesondere überprüft werden sollen, wurde in die Rahmenvereinbarung übernommen. Die Wirtschaftlichkeitsprüfung der weiteren Verordnungsbereiche (Verordnung von Hilfsmitteln, Krankenhausbehandlung etc.) soll als Einzelfallprüfung ausgestaltet werden.
In welchem Umfang wird geprüft?
Statistische Prüfungen der Verordnung von Arznei- und Heilmitteln erfolgen vorrangig als „Auffälligkeitsprüfung“ bei Überschreitung bestimmter Grenzwerte. In der Rahmenvereinbarung ist ein Korridor für eine „Auffälligkeit“ definiert: Den verordnenden Ärzten sollen unter anderem „Abweichungen von vereinbarten Zielwerten in einem angemessenen Umfang ermöglicht werden“.
In die Auffälligkeitsprüfungen, die sich wie bisher auf den Zeitraum eines Jahres beziehen soll, sollen - wie bisher gesetzlich geregelt - in der Regel nicht mehr als 5 Prozent der Ärzte einer Fach- bzw. Vergleichsgruppe einbezogen werden. Ärzte mit einer geringen Anzahl von Verordnungen oder Fällen können von der Durchführung einer Wirtschaftlichkeitsprüfung ausgeschlossen werden.
Gilt der Grundsatz „Beratung vor Regress“ unverändert?
Die Rahmenvereinbarung entwickelt den Grundsatz „Beratung vor Regress“ weiter. Zwar erfolgt keine sogenannte „Nullstellung“ der Wirtschaftlichkeitsprüfung. Allerdings bringt die Rahmenvereinbarung einige wesentliche Verbesserungen. Unverändert gilt, dass bei einer erstmaligen Auffälligkeit im Rahmen einer statistischen Prüfung eine individuelle Beratung durchgeführt wird. Diese kann auch schriftlich erfolgen. Eine „erstmalige Auffälligkeit“ liegt vor, wenn bisher
- weder eine individuelle Beratung im Sinne der neuen Rahmenvorgaben erfolgt ist,
- noch - nach derzeitiger Rechtslage - ein Regress bzw. eine Beratung bei Überschreitung der Richtgröße um mehr als 25 Prozent erfolgt ist.
MERKE | Neu ist in diesem Zusammenhang die „Verjährungsregelung“: Wenn die individuelle Beratung bzw. der Regress länger als fünf Jahre zurückliegt, liegt wieder eine „erstmalige Auffälligkeit“ vor. In diesem Fall gilt wieder der Grundsatz „Beratung vor Regress“. |
Welche Besonderheiten gelten für neu niedergelassene Ärzte?
Neu niedergelassene Ärzte erhalten eine individuelle Beratung als Vorstufe zu einem Regress frühestens für den dritten Prüfungszeitraum. In den ersten beiden Jahren müssen sich die regionalen Vertragspartner auf geeignete Steuerungsinstrumente verständigen. Konkret bedeutet dies, dass neu niedergelassene Ärzte bei unwirtschaftlicher Verordnungsweise grundsätzlich erst für das vierte Jahr ihrer vertragsärztlichen Tätigkeit mit einem Regress rechnen müssen.
FAZIT | Das bisherige Instrument der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Richtgrößen wird durch die gesetzliche Neuregelung und die neuen Rahmenvorgaben ab 1. Januar 2017 deutlich entschärft. Insbesondere neu zugelassene Ärzte dürften von den Neuregelungen profiteren. Es ist zu erwarten, dass in fast allen Kassenärztlichen Vereinigungen die Richtgrößenprüfungen durch Zielwertvereinbarungen abgelöst werden. In der KV Bayerns gilt dies bereits jetzt (lesen Sie Details dazu im weiterführenden Hinweis). Auch die KV Westfalen-Lippe führt ab dem kommenden Jahr primär eine Wirtschaftlichkeitsprüfung auf Basis von Leitsubstanzen. |
Weiterführender Hinweis
- Regionalisierung der Wirtschaftlichkeitsprüfung (AAA 08/2015, Seite 12)