· Fachbeitrag · Rechtsprechung
Akupunktur chronischer Schmerzpatienten: Umfangreiche Prüf- und Dokumentationspflicht
von RA, FA MedR Philip Christmann, Berlin/Heidelberg, christmann-law.de
| Ein Arzt, der Patienten, die unter chronischen Schmerzen der Lendenwirbelsäule oder des Knies leiden, auf Grundlage der Qualitätsvereinbarung Akupunktur akupunktieren will, muss vorab prüfen, ob der Patient bereits sechs Monate durchgehend an Schmerzen leidet und deswegen bereits ärztlich behandelt wurde. Dies kann er tun, indem er die Angaben des Patienten durch ein Telefonat mit dem Vorbehandler überprüft oder einen Vorbefund anfordert ‒ der Arzt darf sich aber nicht lediglich auf die Angaben des Patienten verlassen (Bayerisches Landessozialgericht [LSG], Urteil vom 14.09.2016, Az. L 12 KA 221/14). |
Der Fall
Der klagende Arzt rechnete Akupunkturleistungen nach den EBM-Nrn. 30790 (Diagnostik) und 30791 (Akupunktur) zur Behandlung chronischer Schmerzen der Lendenwirbelsäule und des Knies ab. Die beklagte KV setzte diese Leistungen aber im Wege der sachlich-rechnerischen Richtigstellung ab ‒ es fehlten die Indikationen oder Belege für das sechsmonatige vorangegangene Schmerzintervall. Der Arzt verwies zur Begründung seiner Klage auf seine Behandlungsdokumentationen. Die Befunde der Vorbehandler lägen ihm nicht vor. Die KV verfüge auch über alle die Patienten betreffenden Daten zur Vorbehandlung, sie müssten diese nur abrufen. Das Sozialgericht wies die Klage des Arztes gegen die Richtigstellung als unbegründet ab. Der Arzt legte Berufung zum LSG ein.
Die Entscheidung
Das LSG wies die Berufung des Arztes als unbegründet zurück. Die Richtigstellung sei berechtigt. Die Qualitätsvereinbarung Akupunktur und die dazu ergangenen Beschlüsse des Bewertungsausschusses legten ‒ zusätzlich zu der Leistungsbeschreibung dieser Akupunkturleistungen in den EBM-Nrn. 30790 und 30791 ‒ fest, dass die Schmerzen des Patienten seit sechs Monaten bestehen müssten. Der Arzt müsse die Angaben des Patienten dazu überprüfen und dürfe sich nicht damit begnügen, den Patienten dazu zu befragen. Es ist aus Sicht des LSG weder lebensfremd noch unpraktikabel, entsprechende Unterlagen des Vorbehandlers zumindest durch telefonische Rückfrage beim Vorbehandler abzufragen bzw. zu verifizieren. Nicht zwingend notwendig sei die unmittelbare Überprüfung der ärztlichen Dokumentation beim Vorbehandler etwa durch Anfordern von Unterlagen. Der Arzt habe sowohl die Prüfung als auch deren Ergebnis zu dokumentieren. Zudem müssten die entsprechenden ICD 10-Kodierungen in den Vorquartalen vorliegen.
Die Eingangsdokumentation des Arztes müsse in standardisierter Weise folgende Punkte erfassen:
- Schmerzdauer
- Schmerzstärke
- Schmerzhäufigkeit
- Beeinträchtigung des Patienten im Alltag durch die Schmerzen
- Beeinträchtigung der Stimmung des Patienten durch die Schmerzen
Zudem müsse er ‒ unter Beurteilung der bisher durchgeführten Maßnahmen ‒ einen zeitlich gestaffelten Therapieplan erstellen.
Den genannten Anforderungen würden die Unterlagen des klagenden Arztes nicht gerecht.
PRAXISHINWEIS | Die Anforderungen an die Überprüfung der Anamnese und deren Dokumentation sind hier vom Gericht sehr hoch angesetzt worden. Das betont den Ausnahmecharakter dieser Akupunkturbehandlung auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung.
Der sicherste Weg für den Arzt ist es, den Patienten zu bitten, einen Arztbrief des vorbehandelnden Arztes beizubringen, indem er selbst einen solchen Brief bei seinem Vorbehandler anfordert. Zumindest sollte er aber die anamnestischen Angaben des Patienten prüfen, indem er mit dem Vorbehandler kurz telefoniert. Wichtig ist auch, all dies genauestens zu dokumentieren.
In diesem Fall zeigt sich einmal mehr, dass der Arzt selbst Behandlungen dokumentieren muss, um seine Daten in einem Rechtsstreit der KV vorlegen zu können. Er darf sich nicht darauf zurückziehen, dass die KV die Angaben aus den Abrechnungsdaten (der Vorbehandler) herausfiltern könne. |
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Die seit 2016 ausgesetzte Stichprobenprüfung der Akupunkturbehandlung (Details dazu in AAA 12/2015, Seite 2) wird ‒ wie in AAA 03/2018 bereits berichtet ‒ wieder aufgenommen. KBV und Krankenkassen konnten sich nicht auf eine weitere Aussetzung dieser Prüfung verständigen. Die Qualitätssicherungsvereinbarung Akupunktur fordert eine jährliche Überprüfung der Dokumentationen. Die Überprüfung der Dokumentation einer Akupunkturbehandlung bezieht sich auf die Dokumentation des Therapieplans und der Eingangs- und Verlaufserhebung sowie auf die Begründung der Ausnahmefälle. Jährlich werden von mindestens fünf Prozent der Ärzte, die Akupunkturleistungen erbringen und abrechnen, Dokumentationen zu zwölf abgerechneten Fällen und zu 18 abgerechneten Ausnahmefällen mit bis zu 15 Sitzungen angefordert. Die eingereichten Dokumentationen werden daraufhin überprüft, ob die in der Vereinbarung vorgegebenen Dokumentationsinhalte vollständig dokumentiert und ‒ auch hinsichtlich der Indikation für eine Verlängerung der Akupunkturbehandlung ‒ nachvollziehbar begründet sind. |
Weiterführende Hinweise
- Zu hoher Zeitaufwand bei Akupunktur? Machen Sie den Videobeweis! (AAA 12/2012, Seite 8)
- ABC der Abrechnung: „L“ ‒ Lumboischialgie (AAA 08/2016, Seite 1)
- Einwand im Prüfverfahren „Ich arbeite besonders schnell“ lässt Gericht nicht gelten (AAA 12/2017, Seite 13)