· Fachbeitrag · GOÄ
Hausbesuche bei Privatpatienten abrechnen
von Dr. med. Bernhard Kleinken, Pulheim
| In regelmäßigen Abständen erreichen uns Fragen von Hausärztinnen und Hausärzten nach der korrekten Privatliquidation von ärztlichen Hausbesuchen. Es geht dabei sowohl um Detailfragen als auch um das grundsätzliche Vorgehen. Wir nehmen Ihre Fragen zum Anlass, die GOÄ-konforme Abrechnung von Hausbesuchen durch Ärzte auf dem aktuellen Stand noch einmal umfassend darzustellen. |
Leistungslegende der Nr. 50 GOÄ
Vor dem Einstieg in die Details zur Abrechnung der Hausbesuche nach GOÄ empfiehlt sich ein Blick in die Leistungslegende.
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„Besuch, einschließlich Beratung und symptombezogener Untersuchung, 320 Punkte.
Die Leistung nach Nummer 50 darf anstelle oder neben einer Leistung nach den Nummern 45 oder 46 nicht berechnet werden.
Neben der Leistung nach Nummer 50 sind die Leistungen nach den Nummern 1, 5, 48 und/oder 52 nicht berechnungsfähig.“ |
MERKE | Zu den Besuchen nach den Nrn. 48, 50 und 51 GOÄ, nicht aber zum Besuch nach Nr. 52 GOÄ, kann Wegegeld oder Reiseentschädigung berechnet werden (gemäß den §§ 8 und 9 GOÄ). Dazu mehr im Absatz „Wegegeld oder Reiseentschädigung?“. |
Allgemeine Beratungen neben Nr. 50 GOÄ
In der Nr. 50 GOÄ sind „Beratung und symptombezogene Untersuchung“ obligat enthalten. Mit „Beratung“ ist aber nicht nur die in der Anmerkung genannte Nr. 1 GOÄ beim Hausbesuch ausgeschlossen. Der Ausschluss betrifft auch die Nr. 3 GOÄ. Das folgt aus der Anmerkung zu Nr. 3 GOÄ: „nur berechenbar als einzige Leistung oder im Zusammenhang mit den Nrn. 5 bis 8, 800 oder 801“. „Im Zusammenhang“ heißt hier nicht, dass Nr. 3 GOÄ berechenbar wäre, wenn daneben eine der genannten Leistungen, z. B. Nr. 7 berechnet wird. Vielmehr heißt es, dass jede andere als eine der in der Anmerkung genannten Leistungen (also auch die Nr. 50 GOÄ) die Abrechnung der Nr. 3 GOÄ verbietet. Ansonsten wäre der Sinn der Bestimmung nicht erfüllt, wie auch das Oberverwaltungsgericht NRW im Urteil vom 26.06.2012 bestätigt (Az. 1 A 125/11).
Im Umkehrschluss ergibt sich daraus aber, dass andere Beratungsleistungen wie die Nr. 4 GOÄ (Fremdanamnese oder Unterweisung) neben der Nr. 50 GOÄ berechnet werden können.
Allgemeine Untersuchungen neben Nr. 50 GOÄ
Ausdrücklich nicht berechenbar neben der Nr. 50 GOÄ ist die Nr. 5 GOÄ. Andere allgemeine Untersuchungsleistungen sind aber nicht neben der Nr. 50 GOÄ ausgeschlossen. Am häufigsten ist das die Nr. 7 GOÄ (Untersuchung der Thoraxorgane oder Untersuchung der Bauchorgane).
Spezielle Leistungen neben der Nr. 50 GOÄ
Die speziellen Beratungen und Untersuchungen des Abschnitts B III der GOÄ (z. B. die Nr. 34 GOÄ [Erörterung] oder Nr. 30 GOÄ [homöopathische Erstanamnese] sind nicht neben der Nr. 50 GOÄ ausgeschlossen. Deren Erbringung anlässlich eines Hausbesuchs dürfte aber selten angezeigt sein. Von den anderen Leistungen des Abschnitts B der GOÄ fällt im Rahmen eines Hausbesuchs durchaus häufiger das Konsil nach Nr. 60 GOÄ an (worunter auch die Abstimmung mit einem Krankenhausarzt fallen kann).
Die im engeren Sinne speziellen Leistungen der GOÄ, z. B. Nr. 200 (Verband) oder die Nrn. 252 oder 271 GOÄ (Injektion bzw. Infusion) sowie Nr. 650 GOÄ (Rhythmus-EKG) sind nicht neben der Nr. 50 GOÄ ausgeschlossen. Das gilt auch für im Rahmen eines Hausbesuchs anfallende spezielle Leistungen des Abschnitts G der GOÄ (z. B. psychiatrische Untersuchung oder Behandlung).
Faktor zu Nr. 50 GOÄ
Steigerungsgründe (bis 3,5-fach) sind z. B. zeitaufwendigere und/oder schwierigere der in Nr. 50 GOÄ umfassten Beratung oder Untersuchung, Erschwernis durch Umstand bei der Ausführung (z. B. am Notfallort), erhöhter Zeitaufwand durch Warten auf den Krankentransport (sofern nicht ab einer halben Stunde Wartens die Nr. 56 GOÄ berechenbar ist). Weil der Besuch mit dem Aufbruch des Arztes beginnt, kann Nr. 50 GOÄ auch bei erschwerter Anfahrt gesteigert werden (z. B. Glätte, Nebel, Anfahrt im Notarztwagen). Ein erhöhter Zeitaufwand (z. B. durch Stau oder Umweg) ist dagegen kein zulässiger Steigerungsgrund, weil der Zeitaufwand mit dem (nicht steigerungsfähigen) Wegegeld abgegolten ist.
Wegegeld oder Reiseentschädigung?
Bei der Berechnung des Wegegelds ist der Radius der Entfernung von der Praxis oder ‒ wenn nicht die Praxis Ausgangsort ist von der Wohnung des Arztes ‒ ausschlaggebend, nicht hingegen die tatsächlich gefahrene Strecke („Fleurop-Prinzip“). Die im Absatz 1 des § 8 GOÄ aufgeführte Staffelung ist selbsterklärend.
Das Wegegeld ist für jeden nach Nr. 50 GOÄ besuchten Patienten voll berechenbar, also auch dann, wenn der Arzt von einem Patienten zum anderen nur die Wohnungstür oder Straßenseite wechselt („Kettenbesuch“). Das gilt aber nicht, wenn mehrere Patienten in einer häuslichen Gemeinschaft oder in einem Heim besucht werden. Im Gegensatz zu Nr. 51 GOÄ bezieht sich der § 8 Abs. 3 GOÄ auch auf „oder in einem Heim, insbesondere in einem Alten- oder Pflegeheim.“ Auch wenn jeweils Nr. 50 GOÄ berechnet werden kann (zur Abgrenzung zwischen Nr. 50 und 51 siehe Absatz „Nr. 50 oder Nr. 51 GOÄ?“), muss das Wegegeld entsprechend der Zahl der in der häuslichen Gemeinschaft bzw. Heim besuchten Patienten aufgeteilt werden. Dabei ist gleich, wie die Patienten versichert sind (GKV oder PKV) ‒ entscheidend ist die Anzahl. Falls das GKV-Wegegeld aber niedriger ist als der entsprechende Bruchteil am GOÄ-Wegegeld, darf dem Privatpatienten mehr als der Bruchteil, nämlich die Differenz, berechnet werden.
Anstelle des Wegegelds wird ab einer Entfernung von mehr als 25 km Reiseentschädigung (§ 9 GOÄ) berechnet. Für das Überschreiten dieser Grenze gilt der Radius von der Praxisstelle oder ggf. von der Wohnung des Arztes aus. Ist diese Grenze überschritten, werden aber die tatsächlich zurückgelegten Kilometer Berechnungsgrundlage. Für jeden Kilometer sind 26 Cent berechenbar. Wird nicht das eigene Auto benutzt, können die tatsächlichen Kosten abgerechnet werden. Eine Tag-Nacht-Differenzierung gibt es hier nicht.
Zusätzlich zu den Fahrtkosten wird Abwesenheitsgeld berechnet (§ 9 Abs. 2 Nr. 2 GOÄ) und ggf. Übernachtungskosten (§ 9 Abs. 2 Nr. 3 GOÄ). Bei Kettenbesuchen ist eine Reiseentschädigung jeweils voll berechenbar. Eine Aufteilung ist ‒ wie beim Wegegeld ‒ nur bei Besuchen mehrerer Patienten in derselben häuslichen Gemeinschaft oder in einem Heim erforderlich.
Nr. 50 oder Nr. 51 GOÄ?
Nr. 51 GOÄ (250 Punkte) ist auf den Besuch eines weiteren Kranken „in derselben häuslichen Gemeinschaft in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Leistung nach Nr. 50“ abgestellt. Nr. 51 GOÄ tritt also erst dann ein, wenn vorher schon ein Privatpatient in derselben häuslichen Gemeinschaft behandelt und mit der Nr. 50 GOÄ abgerechnet wird. Deshalb kann für den ersten Privatpatienten, auch wenn unmittelbar vorher ein Kassenpatient in derselben häuslichen Gemeinschaft besucht wurde, trotzdem Nr. 50 GOÄ berechnet werden.
Da Nr. 51 GOÄ sich nur auf die „häusliche Gemeinschaft“ bezieht, darf beim Besuch mehrerer Patienten im Altenheim (sofern die Patienten jeweils abgeschlossene Appartements bewohnen) jeweils die Nr. 50 GOÄ berechnet werden. Als „häusliche Gemeinschaft“ gelten die hinter einer Wohnungstür lebenden Personen, unabhängig davon, ob und wie diese miteinander verwandt sind.
Besuch im Altenheim: Nr. 50 oder Nr. 48 GOÄ?
Nr. 48 GOÄ (120 Punkte) ist nur dann zutreffend, wenn Besuche regelmäßig und zu vorher vereinbarten Zeiten auf einer Pflegestation stattfinden ‒ sozusagen als „Visite des Hausarztes“. Wird auf der Pflegestation „außer der Reihe“ ein Besuch angefordert und nicht zu den für die Pflegestationsvisite vereinbarten Zeiten durchgeführt (dringliche Anforderung im Einzelfall), so handelt es sich um einen Besuch nach Nr. 50 GOÄ (ggf. Nr. 51 GOÄ), nicht nach Nr. 48 GOÄ.
Patient nicht angetroffen
Ein Hausbesuch ist auch dann berechenbar, wenn der Patient nicht angetroffen wird (z. B. weil er inzwischen ins Krankenhaus gefahren ist). Entscheidend ist, dass der Hausbesuch vom Patienten oder jemandem, der in seinem Auftrag handeln darf, angefordert wurde.
Hausbesuche in dichter zeitlicher Folge
Wenn es medizinisch erforderlich ist (z. B. bei akuten Verschlechterungen oder der Versorgung tumor- oder schwer schmerzkranker Patienten), können auch mehrere Hausbesuche an einem Tag jeweils mit der Nr. 50 GOÄ (und Wegegeld) berechnet werden. Auch eventuell anfallende „Unzeitzuschläge“ („E“ ff.) können zu jedem dieser Hausbesuche berechnet werden.
Die Plausibilität von Hausbesuchen in dichter zeitlicher Folge oder gar von mehreren an einem Tag sollte aus der Rechnung heraus erkennbar sein. Entsprechend sollten die Diagnoseangaben die Notwendigkeit häufiger Hausbesuche erkennen lassen. Bei mehreren Hausbesuchen an einem Tag sollten diese einzeln und mit verschiedenen Uhrzeiten angeführt werden. Dies ermöglicht dann auch die Einhaltung der Bestimmung, wonach Zuschläge in der Rechnung unmittelbar im Anschluss an die auslösende Leistung angeführt werden müssen.
Zuschläge
Zur Nr. 50 GOÄ sind die Zuschläge des Abschnitts B V der GOÄ (E ff.) berechnungsfähig.
MERKE | Die Zuschläge sind zur Nr. 51 GOÄ nur mit dem halben Satz berechnungsfähig. Die Zuschläge F bis H sind nicht zu Nr. 48 GOÄ berechenbar. |
Der Zuschlag „E“ (dringende Ausführung) setzt kein Verlassen der Praxis oder Sprechstunde voraus. Auch wenn der Besuch von der Wohnung des Arztes erfolgt, kann „E“ berechnet werden ‒ entscheidend ist die dringliche Anforderung und Durchführung.
Zuschlag A beim Hausbesuch
Wenn kein Zuschlag nach E ff. berechnet werden kann, kann aber dann, wenn der Besuch außerhalb der Sprechstundenzeit erfolgte, zu einer neben Nr. 50 GOÄ berechenbaren Leistung (z. B. nach Nr. 7 oder Nr. 4 GOÄ) der Zuschlag A berechnet werden. Der Zuschlag ist dann in der Rechnung im Anschluss an die ihm zugrunde liegende Leistung (Nr. 7 oder Nr. 4 GOÄ) anzuführen!
Weiterführende Hinweise
- BAG: Zuschlag A GOÄ bei Hausbesuchen möglich, wenn unterschiedliche Sprechstundenzeiten gelten (AAA 07/2023, Seite 8)
- Hausbesuche: Nr. 52 und Nr. 50 GOÄ an einem Tag ‒ geht das? (AAA 07/2023, Seite 1)