· Fachbeitrag · GOÄ
Nr. 1 GOÄ: Häufig mit höherem Faktor abrechenbar
von Dr. med. Bernhard Kleinken, Pulheim
| Eine Leserin hatte Nr. 1 GOÄ mit 3,5-fachem Satz berechnet, weil das Gespräch mehr als 10 Minuten dauerte. Die Beihilfe hat dies (zu Unrecht) moniert. Wir stellen aus diesem Anlass die Grundsätze der Steigerung dar und den Fakt, dass gerade bei der Nr. 1 GOÄ häufig ein höherer Faktor berechnet werden kann. |
Grundlagen der Steigerung
Die „Spielregeln“ zur Wahl des Steigerungsfaktors sind in § 5 GOÄ Abs. 2 festgelegt: „Innerhalb des Gebührenrahmens sind die Gebühren unter Berücksichtigung der Schwierigkeit und des Zeitaufwands der einzelnen Leistung sowie der Umstände bei der Ausführung nach billigem Ermessen zu bestimmen. Die Schwierigkeit der einzelnen Leistung kann auch durch die Schwierigkeit des Krankheitsfalls begründet sein; dies gilt nicht für die in Absatz 3 genannten Leistungen. [...]“
„Gebührenrahmen“ ist die Spanne des von der GOÄ zu der jeweiligen Leistung zugelassenen Faktors (keine Spanne bei den nicht steigerungsfähigen Leistungen, 1 bis 2,5-fach bei den „technischen“, 1 bis 3,5-fach bei den „ärztlichen“ Leistungen). Wenn es dann heißt, die Gebühr sei innerhalb dieser Rahmen zu bestimmen, ist die Frage nach dem „richtigen“ Faktor naheliegend. Dabei hilft die Tatsache, dass mit dem 2,3- bzw. 1,8-fachen Faktor die Leistung dann angemessen abgerechnet wird, wenn das Leistungsgeschehen einem „Durchschnittsfall“ entsprach. Wenn das Leistungsgeschehen also „überdurchschnittlich“ war, darf ein höherer Faktor berechnet werden.
Als Kriterien nennt § 5 „Schwierigkeit und Zeitaufwand“. Ob der Zeitaufwand überdurchschnittlich oder die Schwierigkeit erhöht war, kann im Regelfall nur der beurteilen, der die Leistung erbracht hat. War die Schwierigkeit seiner Meinung nach erhöht, soll er den Faktor „nach billigem Ermessen“ bestimmen („billig“ im Sinne von „angemessen“ oder „gerecht“). Er soll somit auch bestimmen, ob dann z. B. 3,2- oder 3,5-fach angemessen ist ‒ oder sogar, ob nicht sogar ein Faktor unterhalb von 2,3- bzw. 1,8-fach angemessen wäre.
Schließlich ist für die bis 3,5-fach steigerbaren Leistungen auch die „Schwierigkeit des Krankheitsfalls“ ein Bemessungskriterium. „Krankheitsfall“ ist nicht zu verwechseln mit „Erkrankung“. Ein schwieriger Krankheitsfall kann auch bei nicht schweren Krankheiten vorliegen, z. B. wenn Symptomatik oder der Krankheitsverlauf atypisch sind, die Therapie der Wahl nicht anschlägt oder eine unerwünschte Arzneimittelreaktion auftritt.
Sich diese Grundlagen vor Augen zu halten, hilft dabei, auch dann die Berechtigung zum Ansatz eines höheren Faktors zu erkennen, wenn nicht einer der „gängigen“ Gründe vorliegt.
Zeitaufwand bei Nr. 1 GOÄ
Ob der Zeitaufwand durchschnittlich war oder nicht, ist bei den meisten Leistungen „Erfahrungssache“. Anhaltspunkte geben Leistungen, zu denen die GOÄ eine Mindestzeit verlangt. In Relation zu Nr. 3 GOÄ kann man bei Nr. 1 GOÄ bei bis zu 7 Minuten noch von einer „durchschnittlichen“ Dauer ausgehen. 10 Minuten sind also eindeutig „überdurchschnittlich“ und der 3,3- bis 3,5-fache Faktor angemessen.
Dokumentation und Rechnungsangaben
Die Zeitdauer in der Rechnung als Grund für den höheren Faktor anzuführen, ist zwar zulässig, aber nicht unbedingt gut. Zum einen muss man während des Gesprächs die Uhr (Bildschirmschoner) im Auge behalten, zum anderen wird den meisten Patienten die Dauer spätestens beim Rechnungsempfang kürzer vorkommen. Besser ist es, den eigentlichen Grund für den höheren Zeitaufwand anzuführen. Diesen Grund sollte man, wenn er sich nicht schon aus der allgemeinen Dokumentation der Leistung(en) ergibt, direkt schriftlich fixieren. Zum einen hilft das ‒ wenn man nicht schon direkt einen Faktor zuordnet ‒, die Steigerung bei der Rechnungserstellung nicht zu vergessen. Zum anderen ist das Grundlage für Entgegnungen bei späteren Einsprüchen.
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Folgendes kann (nicht abschließende Aufzählung) ein Grund für die Bemessung der Nr. 1 GOÄ mit einem höheren Faktor sein:
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In der Rechnung soll die anzuführende Begründung „verständlich und nachvollziehbar“ sein (§ 12 GOÄ Abs. 3). Begründungen mit nicht allgemein nachvollziehbaren Fachbegriffen rufen unnötige Nachfragen hervor. Zur „Nachvollziehbarkeit“ sollte man auch darauf achten, ob die Begründung(en) im Zusammenhang mit den Diagnoseangaben plausibel sind.
PRAXISHINWEIS | Die Beispiele treffen gleichermaßen für Nr. 3 GOÄ zu. Bei längerer Dauer der Beratung sollte man prüfen, ob nicht eine spezielle Beratungsleistung (z. B. Nr. 34 GOÄ) berechnet werden kann. Selbstverständlich wird nur dann mit höherem Faktor abgerechnet, wenn die Umstände auch tatsächlich vorlagen. |