· Fachbeitrag · GOÄ-Position im Fokus
Konflikte bei der Berechnung der Nr. 4 GOÄ neben Nr. 1 GOÄ und Lösungsvorschläge
von Ernst Diel, ehem. Leiter Grundsatzfragen PVS Büdingen
| Häufig ergeben sich bei der Abrechnung der Nr. 4 GOÄ Beanstandungen, wobei sich die meisten Reklamationen auf die Nebeneinanderberechnung mit Nr. 1 GOÄ während des gleichen Arzt-Patienten-Kontakts beziehen. Was ist der Kern dieser Konflikte und wie können sie vermieden werden. |
Nr. 4 GOÄ: keine Ersatz-Untersuchungsleistung
Um die Erstattungsprobleme rund um die Nr. 4 GOÄ, die mit immerhin 220 Punkten bewertet ist (29,49 Euro beim Faktor 2,3) besser zu erfassen, hilft zunächst der Blick in die Leistungslegende.
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Erhebung der Fremdanamnese über einen Kranken und/oder Unterweisung und Führung der Bezugsperson(en) ‒ im Zusammenhang mit der Behandlung eines Kranken.
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Diese Leistung ist keine höherwertige Ersatzleistung für eine normale oder auch mittelbare Beratung. Sie hat jedoch stets dann ihre Berechtigung, wenn Bezugspersonen des Patienten im Zusammenhang mit der Behandlung des Patienten unterwiesen (beraten) werden. In dieser Fallkonstellation ist die Nr. 4 GOÄ auch neben der Nr. 1 GOÄ berechnungsfähig!
Frage der unzulässigen Doppelabrechnung
Probleme treten in dieser Abrechnungskonstellation dann auf, wenn ersichtlich ist, dass die eigentlich behandelte Person nicht kommunikationsfähig ist und auch nicht beraten werden konnte. In diesem Fall richten sich sowohl die Beratung der behandelten Person als auch die Unterweisung der Bezugsperson an die gleiche Person, nämlich an die Bezugsperson. Es liegt also eine unzulässige „Doppelabrechnung“ von Leistungsinhalten vor. Diese Konstellation wird auch in § 4 Abs. 2a GOÄ als generelle Grundlage für Leistungsausschlüsse beschrieben.
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Für eine Leistung, die Bestandteil oder eine besondere Ausführung einer anderen Leistung nach dem Gebührenverzeichnis ist, kann der Arzt eine Gebühr nicht berechnen, wenn er für die andere Leistung eine Gebühr berechnet. |
Leider kommt es wegen Nichtbeachtung dieses Sachverhalts bei der Nebeneinanderberechnung von Nr. 1 und Nr. 4 GOÄ immer wieder zu Beanstandungen der Kostenträger. Ein klassisches Beispiel hierfür ist die Behandlung eines Säuglings oder Kleinkinds, welches selbst noch nicht kommunikationsfähig ist und demzufolge auch nicht selbst beraten werden kann. In diesen Fällen ist lediglich Nr. 4 GOÄ als höherwertige Leistung gegenüber der Mutter ansatzfähig. Eine direkte Beratung des Säuglings hat nicht stattgefunden. Der Gebührenordnungsausschuss der Bundesärztekammer (BÄK) hatte hierzu bereits am 21.05.1996 einen entsprechenden klarstellenden Beschluss gefasst.
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Die Nrn. 4 und 1 der GOÄ sind nicht nebeneinander berechenbar, wenn sich sämtliche Bestandteile der Legenden zu den Nrn. 1 und 4 (Anamnese, Beratung, Fremdanamnese, Unterweisung) an ein und dieselbe Person richten, wie dies z. B. der Fall ist bei Mutter und Kleinkind oder Betreuer und schwerstkommunikationsgestörtem Patienten. In allen anderen Fällen ist die Nebeneinanderberechnung möglich. |
Beanstandungen vor allem bei Kindern
Die meisten Beanstandungen der Kostenträger erfolgen bei der Behandlung von Kindern. Der Grund liegt auch darin, dass nicht festgelegt ist, ab welcher Altersgrenze ein Kind auf Basis seiner Kommunikationsfähigkeit und des entsprechenden Verständnisses bei der Anamneseerhebung und Beratung eigenständig einbezogen werden kann. Das wäre die Voraussetzung, um von einer (von der Beratung der Bezugsperson) getrennten eigenständigen Leistung ausgehen zu können. Anzunehmen wäre hier ggf. das Erreichen des Schul- bzw. Vorschulalters (ca. 6. Lebensjahr). Die Erhebung der Fremdanamnese ist allerdings grundsätzlich nicht an ein Alter gebunden. Sofern diese allerdings regelhaft bei normalem Gesundheitszustand erfolgt, ist die Anamneseerhebung mit der Berechnung einer Beratungsleistung gegenüber der Bezugsperson (z. B. Elternteil) abgegolten, so z. B. bei Bagatellerkrankungen. Dies kann auch aus der amtlichen Begründung der Bundesregierung zur GOÄ abgeleitet werden.
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Die Anamnese und Besprechung eines Krankheitsfalls in Zusammenarbeit mit Angehörigen oder anderen Bezugspersonen (z. B. bei behinderten Kindern, bewusstseinsgestörten Patienten oder Unfallpatienten) kann schwierig und aufwendig sein. Dieser Aufwand wird durch die Gebühr nach Nr. 4 GOÄ entsprechend berücksichtigt. |
Oft wird auch der alleinige Ansatz der Nr. 4 GOÄ abgelehnt und stattdessen nur eine Beratungsleistung anerkannt, da eine Nichtansprechbarkeit des behandelten Patienten nicht vorgelegen habe und deshalb ein Grund für den Ansatz der Nr. 4 GOÄ nicht bestehe. Eine derartige Argumentation ist weder aus der Leistungslegende der GOÄ noch aus den in der amtlichen Begründung der Bundesregierung nur beispielhaft aufgeführten Symptomatiken ableitbar. Liegt eine begründete medizinische Notwendigkeit zur Unterweisung von Bezugspersonen vor, wird sich in bestimmten Situationen (z. B. für Verhaltenshinweise nach Eingriffen oder bei längerfristiger aufwendiger Therapie bei Kindern oder bei Anweisungen an pflegende Personen) häufig die Notwendigkeit dieser Leistung ergeben.
MERKE | „Bezugspersonen“, die einer Unterweisung bedürfen, gibt es dabei nicht nur im familiären Bereich (z. B. Mutter =>Kind) sondern auch z. B. in Altenpflegeheimen (Pflegekraft => Patient). |