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Ärzte müssen auch nach Behandlungsende bedrohliche Befunde weitergeben!
von RA und FA MedR Dr. Rainer Hellweg, Hannover
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat eine Hausärztin verurteilt, die eine ‒ nach dem Arztwechsel fälschlicherweise ‒ an sie gerichtete Mitteilung über einen bösartigen Tumor nicht weiterleitete. Jeder Arzt sollte daher unbedingt sicherstellen, dass sein Patient von bedrohlichen Befunden unter allen Umständen erfährt, auch wenn dieser schon länger nicht mehr bei ihm in Behandlung war ( Urteil vom 26.06.2018, Az VI ZR 285/17 ) |
Sachverhalt: Patient wirft Hausärztin Bahandlungsfehler vor
Der Patient verklagte seine Hausärztin und warf ihr einen Behandlungsfehler vor. Er hatte sich ursprünglich in deren Praxis mit Schmerzen im linken Bein und Fuß vorgestellt. Die Hausärztin überwies an eine Fachärztin zur weiteren Behandlung. Für den Patienten folgten ambulante Behandlungen und radiologische Maßnahmen in 2 verschiedenen Kliniken. Die entsprechenden Arztbriefe wurden von den Kliniken jeweils an die weiterbehandelnde Fachärztin übersandt und nicht an die Hausärztin. Die Hausärztin hörte vom Patienten und dem Behandlungsfall erst einmal nichts mehr.
Nach einigen Wochen erhielt die Hausärztin vom Klinikum unvermittelt einen Arztbrief, nachdem der Patient zwischenzeitlich stationär behandelt worden war. Wiederum einige Wochen später ging bei der Hausärztin ein zweiter Arztbrief der Klinik ein. Dort war formuliert: „Am ... erfolgte die Resektion eines Nervenscheidentumors im Bereich der linken Kniekehle. Entgegen der vermuteten Diagnose eines Neurinoms stellt sich bei der Durchsicht der Präparate im Referenzzentrum ein maligner Nervenscheidentumor dar. Wir bitten, den Patienten in einem onkologischen Spezialzentrum ... vorzustellen.“
Die Hausärztin leitete diese Schreiben nicht an den Patienten weiter und informierte diesen auch sonst nicht. Erst als sich der Patient etwa 2 Jahre später ‒ dieses Mal wegen einer Handverletzung ‒ bei der Hausärztin vorstellte, kam das Gespräch auf die Bösartigkeit der in der Kniekehle entfernten Geschwulst. Nachfolgend musste der Patient in einem Universitätsklinikum weiterbehandelt werden. Dort wurde festgestellt, dass sich im Bereich der linken Kniekehle ein Rezidiv des Nervenscheidentumors gebildet hatte. Weitere stationäre Aufenthalte und Operationen schlossen sich an. Der der Patient forderte dafür von seiner Hausärztin Schadensersatz und Schmerzensgeld und warf der Ärztin unterbliebene Befundweiterleitung vor.
In der Berufungsinstanz hatte die Ärztin noch gewonnen
Vor dem Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf in der Berufungsinstanz hatte die Hausäztin noch obsiegt und war die Klage des Patienten abgewiesen worden. Die Begründung der OLG-Richter: Zwar obliege es grundsätzlich dem behandelnden Arzt, dem Patienten sowie dem Behandlungsteam relevante Befunde oder Therapieempfehlungen mitzuteilen. Das Unterlassen solcher Maßnahmen stelle im dortigen Fall aber keinen groben Behandlungsfehler dar. Es sei nachvollziehbar, dass die Hausärztin in der gegebenen Situation untätig geblieben sei. So etwas könne ‒ zumal unter vorliegenden besonderen Umständen ‒ im alltäglichen Ablauf passieren. Da „nur“ ein einfacher, aber kein grober Behandlungsfehler gegeben sei, gehe die Nichtbeweisbarkeit der Kausalität im Prozess zulasten des Patienten, so das OLG Düsseldorf.
BGH kassiert OLG-Urteil: Hausarzt bleibt Ansprechpartner
Der BGH jedoch sah das anders: Er hob das Urteil des OLG Düsseldorf auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung dorthin zurück. Der BGH sah es als rechtsfehlerhaft an, wie das OLG zur Verneinung eines groben Behandlungsfehlers gekommen war.
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Der Arzt habe sicherzustellen, dass der Patient von Arztbriefen mit bedrohlichen Befunden und einer angeratenen Behandlung Kenntnis erhält, auch wenn diese nach einem etwaigen Ende des Behandlungsvertrags bei ihm eingehen. Der Arzt, der als einziger eine solche Information bekomme, müsse den Informationsfluss aufrechterhalten, wenn sich aus der Information selbst nicht eindeutig ergebe, dass der Patient oder der diesen weiterbehandelnde Arzt sie ebenfalls erhalten habe. |
Soweit das OLG in der Vorinstanz zugunsten der Hausärztin hervorhob, sie habe außerhalb des Behandlungsgeschehens gestanden, könne dem nicht gefolgt werden, so der BGH. Es ergebe sich unmittelbar aus dem zweiten Arztbrief selbst, dass er allein an die Hausärztin gerichtet gewesen sei. Deshalb hätte sie weiterleiten müssen. Auch sei zu beachten, dass der Patient bei der Hausärztin langjährig in Behandlung gewesen sei. Gerade ein in der Langzeitbetreuung und damit auch interdisziplinären Koordination tätiger Hausarzt müsse damit rechnen, dass seine Patienten ihn im Rahmen einer Krankenhausbehandlung als Ansprechpartner angeben könnten. Deshalb müsse die Informationsweiterleitung auch nach Behandlungsende in jedem Fall sichergestellt werden ‒ so der BGH.