· Fachbeitrag · Berufsrecht
Beschwerde gegen Hausarztkollegen einreichen ‒ „geht gar nicht“ oder „manchmal muss es sein“
von Rechtsanwältin, Fachanwältin für Medizinrecht Prof. Dr. Birgit Schröder, Hamburg, dr-schroeder.com
| FRAGE: „Ich ärgere mich sehr über eine ärztliche Berufskollegin, die gegen eine Zahlung in Höhe von 50 Euro Neupatienten aufnimmt. Gleichzeitig bin ich mir aber unsicher, wie ich damit umgehen soll. Ich frage mich, ob ich mich beschweren soll und wer eigentlich zuständig ist.“ |
Antwort: Es kommt immer wieder zu Gerichtsverfahren, in denen es um berufsrechtlich strittiges Verhalten von Medizinern geht (siehe auch weiterführende Hinweise). Derartige Fälle von Kollegen in der Nachbarschaft berühren die eigene Niederlassung mal mehr und mal weniger.
Die (rein) rechtliche Betrachtung
Grundsätzlich gilt: Wer sich über einen Arzt beschweren möchte, der gegen die ärztlichen Berufspflichten verstößt, kann sich an verschiedene Stellen wenden, die dafür in Betracht kommen:
- Die Landesärztekammer ist die erste Anlaufstelle für Beschwerden über berufliches Fehlverhalten von Ärzten. Dort wird geprüft, ob ein berufsrechtliches Verfahren eingeleitet werden muss.
- Auch die Krankenkassen kommen als Ansprechpartner infrage, und zwar gerade dann, wenn es um die Bevorzugung von Selbstzahlern geht.
- Die KV nimmt ebenfalls Beschwerden gegen Ärzte entgegen. Dabei liegt der Fokus dann in Verletzung vertragsärztlicher Pflichten.
Ein Arzt, der Patienten bevorzugt, wenn sie dafür extra bezahlen, um einen Termin zu bekommen, verstößt gegen eine ganze Reihe gesetzlicher Vorgaben: Exemplarisch seien das Sozialgesetzbuch (SGB) V und die Musterberufsordnung der Ärzte (MBO-Ä) genannt. Da die einzelnen Bundesländer zum Teil leicht abweichende Regelungen haben, wird auf die Musterberufsordnung zurückgegriffen. Auch der Bundesmantelvertrag gibt Hinweise, wie ärztliches Verhalten aussehen sollte. Nach dem Sachleistungsprinzip der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 2 SGB V) dürfen Vertragsärzte keine gesonderten Gebühren für die Aufnahme neuer Patienten verlangen. Auch ein Blick auf weitere Normen zeigt, dass das Verhalten rechtlich nicht zulässig ist, z. B.:
- § 12 SGB V, das Wirtschaftlichkeitsgebot: Die Versorgung muss danach ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein. Eine bevorzugte Terminvergabe gegen Bezahlung widerspricht diesem Prinzip.
- § 13 SGB V, die Kostenerstattung: Von gesetzlich versicherten Patenten darf ein Arzt nur in bestimmten Ausnahmefällen und nicht für die Terminvergabe Geld verlangen.
- § 2 MBO-Ä regelt die Berufsausübung und die Berufspflichten: Ärzte müssen ihre Berufsausübung nach den anerkannten Standards und unter Wahrung der Rechte der Patienten durchführen.
- § 12 MBO-Ä, Vergütung: Honorare dürfen nur für erbrachte Leistungen berechnet werden, nicht für organisatorische Vorteile wie schnellere Termine
Ärzte, die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, sind zusätzlich an den Bundesmantelvertrag (BMV-Ä) gebunden. Eine bevorzugte Terminvergabe gegen Geld verstößt gegen die Pflicht zur diskriminierungsfreien Behandlung aller Patienten.
Daraus folgt, dass die Vergabe von Terminen an Neupatienten gegen Zahlung von 50 Euro u. a. gegen
- das Sozialrecht,
- das Berufsrecht der Ärzte und
- vertragliche Pflichten gegenüber der KV vertößt.
Termine gegen Zusatzentgelt sind unzulässig, denn es ist gerade die Aufgabe der Vertragsärzte, in der Sprechstundenzeit gesetzlich versicherte Patienten ärztlich zu versorgen.
Der Kollege verstößt gegen Regeln ‒ und jetzt?
Ob Sie sich über dieses Verhalten bei einer offiziellen Stelle Beschwerden möchten oder nicht, ist eine individuelle Entscheidung und immer ein sensibles Thema. Die ärztliche Berufsordnung legt Wert auf ein kollegiales Miteinander. Insofern sind Beschwerden über Berufskollegen im ärztlichen Bereich selten anzutreffen. Eine Beschwerde kann berufsrechtliche Konsequenzen für den betroffenen Arzt haben, besonders wenn sie bei der Ärztekammer oder der KV eingereicht wird. Insofern gibt es oft unter ärztlichen Kollegen eine große Zurückhaltung.
Grundsätzlich sind auch anonyme Beschwerden möglich. Denkbar ist möglicherweise auch, Patienten zu ermutigen, derartiges Verhalten nicht unkommentiert stehen zu lassen. Diese können sich dann zusätzlich an die Verbraucherzentrale wenden, die derartiges Verhalten auch abmahnen kann.
Weiterführende Hinweise
- Falschangaben bei der KV-Abrechnung können Computerbetrug begründen (AAA 10/2024, Seite 15)
- GOÄ-Abrechnung delegierter Leistungen: nur mit eigenem Fachwissen (AAA 09/2024, Seite 14)
- Rechtliches zum Umgang mit Sprachbarrieren im Praxisalltag (AAA, online unter iww.de/s12832)
- Ärztliche Fernbehandlung - Keine Folgeverordnungen ohne vorherigen persönlichen Kontakt! (AAA 05/2025, Seite 13)
- Testierfreiheit versus Berufsrecht: Dürfen behandelnde Ärzte ihre Patienten beerben? (AAA, online unter iww.de/s12833)
- Aufnahmestopp in einer Hausarztpraxis ‒ Kollision mit der ärztlichen Behandlungspflicht? (AAA 11/2023, Seite 15)
- AU-Bescheinigungen ohne Patientenkontakt: „Online-Ärztin“ verliert Approbation (AAA 06/2023, Seite 16)
- Hauskauf von Patientin als wirtschaftlicher Vorteil? (AAA 08/2021, Seite 15)