· Fachbeitrag · Honorarrecht
Unterschiedliche Einkünfte bei verschiedenen Facharztgruppen sind rechtens
von RA, FA für MedR Dr. Tobias Scholl-Eickmann und Ass. iur. Tim Hesse, Kanzlei am Ärztehaus, Dortmund, www.kanzlei-am-aerztehaus.de
| Innerhalb des deutschen Vertragsarztsystems existiert kein Anspruch auf ein gleichmäßiges Einkommen aller Ärzte verschiedener Fachrichtungen. Zu diesem Ergebnis kam das Bundessozialgericht (BSG) in seinem Urteil am 8. Dezember 2010 (Az: B 6 KA 42/09 R, Abruf-Nr. 112214 ). |
Der Sachverhalt
Geklagt hatte eine an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Fachärztin für Haut- und Geschlechtskrankheiten, die sich gegen eine aus ihrer Sicht zu niedrige vertragsärztliche Vergütung im Quartal 2/2005 zur Wehr gesetzt hatte. Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) half dem Widerspruch der Dermatologin gegen den Honorarbescheid nicht ab. Wie schon die Vorinstanzen wies nun auch das BSG die Revision der Ärztin als unbegründet zurück.
Die Entscheidung
Nach Ansicht der Richter sei der Honorarbescheid nicht zu beanstanden: Es bestehe kein Anspruch der Ärztin auf Anhebung ihrer Quartalsvergütung.
Honoraranpassung nur bei Gefährdung der Funktionsfähigkeit
So komme ein Recht auf ein höheres Honorar erst in Betracht, wenn in einem fachlichen und/oder örtlichen Teilbereich kein ausreichender finanzieller Anreiz mehr besteht, vertragsärztlich tätig zu werden, und deshalb in diesem Bereich die Funktionsfähigkeit der vertragsärztlichen Versorgung gefährdet ist. Anhaltspunkte für eine solche Situation machte das Gericht bezüglich der Facharztgruppe der Dermatologen im maßgeblichen Zeitraum unter Berücksichtigung der konkreten Versorgungssituation nicht aus.
Kein Verstoß gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit
Ebenso wenig bestehe ein Anspruch der Ärztin auf ein erhöhtes Honorar nach dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit, den sie wegen eines deutlichen Einkommensabstands zwischen Ärzten ihrer Fachgruppe und anderen Fachärzten verletzt sah. Dieser Grundsatz garantiere jedoch - so das BSG - kein gleichmäßiges Einkommen aller Kassenärzte.
Das Gleichbehandlungsgebot gebiete nicht, dass die Überschüsse aus vertragsärztlicher Tätigkeit bei allen Arztgruppen identisch sein müssen. Dass etwa zwei Drittel der Fachärzte ein Honorar unterhalb des Durchschnittseinkommens der Fachärzte erzielen, lasse auf erhebliche Verwerfungen innerhalb der einzelnen Fachgruppen schließen, was auch Anlass für Stützungsmaßnahmen zugunsten umsatzschwacher Praxen sein könne. Derartige Instrumente sah der zugrunde liegende Honorarverteilungsvertrag indes vor.
Der Gesetzgeber habe im Übrigen die seit jeher bestehenden Unterschiede in den Ertragschancen der einzelnen Fachgruppen zu keinem Zeitpunkt zum Anlass einer Neuausrichtung der vertragsärztlichen Vergütung genommen. Bewertungsfiguren wie Praxisbudgets und die ab dem streitbefangenen Quartal vorgeschriebenen Regelleistungsvolumina bewirkten zwar neben der angestrebten Kalkulationssicherheit auch eine Angleichung der Verdienstchancen. Ihr Ziel sei jedoch nicht die strikte Gleichstellung aller Arztgruppen hinsichtlich ihrer durchschnittlichen Erträge. Denn dann müssten auch Faktoren wie Investitionsrisiken, Betriebskosten, durchschnittliche Arbeitszeit und das Verhältnis von in Vollzeit und in Teilzeit tätigen Praxisinhabern gewichtet werden, was praktisch kaum möglich sein dürfte.
Abgesehen davon seien gewisse Unterschiede hinsichtlich der Überschüsse aus vertragsärztlicher Tätigkeit auch gewollt. Der Umstand, dass für einzelne Fachgruppen aufgrund bestehender Investitionserfordernisse und daraus resultierender wirtschaftlicher Risiken ein höherer Anreiz für eine Niederlassung als Vertragsarzt gegeben werden muss, könne ein zulässiges Differenzierungskriterium sein. Das gleiche gelte, soweit Anreize für die vertragsärztliche Tätigkeit in einem unterversorgten Gebiet gesetzt werden sollen.
Privatärztliche Einnahmen bei Vergütung zu berücksichtigen
Das BSG wies darauf hin, dass bei der Beurteilung, ob eine unzureichende Vergütung vertragsärztlicher Leistungen einer bestimmten Arztgruppe vorliegt, neben den Einnahmen aus vertragsärztlicher Tätigkeit auch die Einnahmen aus privatärztlicher sowie sonstiger Tätigkeit zu berücksichtigen sind.
Solche Nebenverdienste würden von den einzelnen Facharztgruppen in unterschiedlichem Umfang erzielt. So habe etwa die Gruppe der Hautärzte im Jahr 2007 mit 45,3 Prozent der Gesamteinnahmen einen deutlich überdurchschnittlichen Anteil ihres Einkommens aus privatärztlicher Tätigkeit generiert. Für Frauenärzte und Urologen beispielsweise habe dieser Wert (nur) bei über 30 , für Allgemeinmediziner bei knapp 16 Prozent gelegen. Angesichts ihrer hohen Einnahmenquote aus privatärztlicher Tätigkeit lasse sich eine unzureichende Vergütung der Fachgruppe der Hautärzte nicht feststellen.
Fazit | |
Nicht nachvollziehbar ist, warum das BSG für die Frage, ob eine angemessene oder unzureichende vertragsärztliche Vergütung gegeben ist, auf die Möglichkeit privatärztlicher Einkünfte verweist. Zwar war eine entsprechende Tendenz bereits in Entscheidungen aus 2005 und 2008 angedeutet, in denen auch Einnahmen bzw. Einnahmemöglichkeiten eines Chirurgen aus dem berufsgenossenschaftlichen Heilverfahren in die Bewertung einbezogen wurden (Beschlüsse vom 23.5.2007, Az: B 6 KA 27/06 und 31.8.2005, Az: B 6 KA 22/05 B). Dieser Systembruch ist aber nicht sachgerecht: Die privatärztlichen Umsätze differieren nicht nur zwischen den Facharztgruppen, sondern auch innerhalb der Facharztgruppen. Dies gilt in besonderem Maße für die Dermatologen, bei denen je nach Praxisausrichtung extreme Unterschiede im privatärztlichen Bereich bestehen. Dennoch müssen die Ärzte mit der Entscheidung - bis auf Weiteres - leben. Ungeachtet dessen sollten Ärzte, die von Einbußen im RLV-Bereich betroffen sind, die zugrunde liegenden Ursachen analysieren (lassen) und gegebenenfalls rechtlich vorgehen. |