· Fachbeitrag · Richtgrößenprüfungen
„Beratung vor Regress“ auch bei mehrmaliger Überschreitung des Richtgrößenvolumens möglich
von RA Nico Gottwald, Ratajczak & Partner, Sindelfingen, www.rpmed.de
| Auch wenn ein Vertragsarzt sein Richtgrößenvolumen in der Vergangenheit bereits mehrfach überschritten hat, darf ein erneuter Regress nach der neuen Rechtslage erst festgesetzt werden, wenn zuvor eine Beratung erfolgt ist. Dies entschied das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg mit Beschluss vom 19. Februar 2013 (Az. L 5 KA 222/13 ER-B). |
Vertragsarzt klagt gegen Regress und beantragt vorläufigen Rechtsschutz
Der Vertragsarzt wehrte sich mit einer Klage gegen einen Regress, den die Prüfstelle aufgrund einer Überschreitung seines Richtgrößenvolumens für Heilmittel des Jahres 2008 festgesetzt hatte. Zugleich beantragte der Kläger im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes, die aufschiebende Wirkung seiner Klage anzuordnen. Damit wollte er einen Abzug des Regressbetrags von seinem Honorarkonto verhindern, was durch die Klage allein nicht möglich gewesen wäre.
Erstinstanzlich unterlag der Kläger beim Sozialgericht (SG) Stuttgart. Das SG Stuttgart verneinte die erforderlichen Erfolgsaussichten des Klageverfahrens. Der Kläger habe im Jahr 2008 bereits zum dritten Mal sein Richtgrößenvolumen für Heilmittel um mehr als 25 Prozent überschritten. Für die Jahre 2006 und 2007 seien bereits rechtskräftige Regresse gegen ihn festgesetzt worden. Der Grundsatz „Beratung vor Regress“, der mit dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz zum 1. Januar 2012 gesetzlich in § 106 Abs. 5e SGB V normiert wurde, gelte nur bei einer erstmaligen Überschreitung des Richtgrößenvolumens um mehr als 25 Prozent.
LSG Baden-Württemberg: erst Beratung, dann Regress
Vor dem LSG Baden-Württemberg war der Kläger jedoch erfolgreich. Es sei unerheblich, so das LSG, ob die Richtgrößen in der Vergangenheit mehrfach überschritten wurden. Ein Regress dürfe nach der eindeutigen Fassung des § 106 Abs. 5e SGB V erst festgesetzt werden, wenn im Prüfzeitraum zuvor eine Beratung des Vertragsarztes erfolgt sei. Als erstmalige Überschreitung des Richtgrößenvolumens könne nach der neuen Rechtslage nur diejenige Überschreitung angesehen werden, die erstmals mit einer Beratung geahndet werde. Da gegen den Kläger bisher nur Regresse ausgesprochen wurden, jedoch keine Beratung erfolgte, sei der Regress für das Jahr 2008 rechtswidrig gewesen. Die Begründungen von Regressbescheiden erfüllten nicht die Anforderungen an eine Beratung.
FAZIT | Der Beschluss des LSG Baden-Württemberg ist erfreulich. Er folgt der Intention des Gesetzgebers, einen Regress erst dann zuzulassen, wenn der Vertragsarzt durch eine zuvor erfolgte Beratung erfahren hat, dass und weshalb seine Verordnungsweise beanstandet wird. |