· Fachbeitrag · Sozialrecht
Plausibilitätsprüfung - nach der Honorarrückzahlung droht das Ruhen der Zulassung
von Rechtsanwalt Christian Pinnow, Kanzlei Dierks + Bohle Rechtsanwälte, Berlin, www.db-law.de
| Alle Kassenärztlichen Vereinigungen führen Plausibilitätsprüfungen durch. Bei einem Verstoß gegen die Pflicht des Vertragsarztes zur peinlich genauen Abrechnung ist die KV berechtigt, disziplinarische Maßnahmen zu ergreifen, wie zum Beispiel die Verwarnung, den Verweis oder eine Geldbuße. Die am schwersten wiegende und selten angewandte Disziplinarmaßnahme ist die Anordnung des Ruhens der Zulassung, mit allen wirtschaftlichen Konsequenzen. In einem aktuellen Urteil wurde diese Maßnahme einer KV bestätigt - eine Arzthelferin hatte Leistungen falsch abgerechnet. |
Refresher: Die Grundzüge der Plausibilitätsprüfung
Im Rahmen der vielen Ärzten bekannten und von einigen Ärzten gefürchteten Plausibilitätsprüfungen auf der Grundlage von Zeitprofilen wertet die KV die den EBM-Ziffern hinterlegten Prüfzeiten aus. Für viele EBM-Ziffern ist in Anhang 3 zum EBM eine Prüfzeit hinterlegt, die ausdrückt, welche Zeit im Durchschnitt für die Erbringung der entsprechenden Leistung nötig ist. Teilweise werden diese Zeiten nur bei einer Betrachtung des gesamten Quartals im Rahmen der Plausibilitätsprüfung berücksichtigt. Es handelt sich dann um die so genannte Prüfung nach Quartalsprofilen. In anderen Fällen werden die Prüfzeiten aber auch zur Erstellung eines Tagesprofils herangezogen und dieses zum Gegenstand der Plausibilitätsprüfung gemacht.
Auf der Grundlage der Tages- und Quartalsprofile werden Abrechnungsauffälligkeiten ermittelt. Wird die Grenze einer Summe der Prüfzeiten in Höhe von 46.800 Minuten in einem Quartal überschritten, oder wird an mehr als drei Tagen in einem Quartal die Tagesprofilgrenze von mehr als 12 Stunden überschritten, leitet die KV ein Abrechnungsprüfungsverfahren ein. Zusammengefasst wird der Vertragsarzt dann in einem solchen Verfahren aufgefordert, die aufgrund der Überschreitung der Zeitprofile bestehende Implausibilität der Abrechnung zu widerlegen und darzustellen, dass die Prüfzeitensummen zwar auffällig sind, er aber trotzdem alle Leistungen nicht nur erbracht, sondern auch korrekt abgerechnet hat. Gelingt in einem solchen Plausibilitätsverfahren diese „Freizeichnung“ nicht, drohen Honorarrückforderungen.
Dieses Prozedere ist vielen Ärzten jedenfalls in seinen Grundzügen bekannt. Ein solches Verfahren kann jedoch wirtschaftlich erhebliche Auswirkungen haben, wenn Honorarrückforderungen ausgesprochen werden. Eine solche Rückforderung erfolgt, wenn es der KV im Rahmen der Abrechnungsprüfung gelingt, einen Abrechnungsfehler nachzuweisen. Auch wenn nur ein einziger Abrechnungsfehler vorliegt, kann die KV für eine Vielzahl von Fällen Honorar zurückfordern, weil es der KV dann erlaubt ist, aus diesem einen Abrechnungsfehler zu folgern, dass in vielen vergleichbaren Fällen fehlerhaft abgerechnet wurde. Zudem räumt die Sozialgerichtsbarkeit den KVen hinsichtlich der Schätzung der Höhe des zurückzufordernden Honorars ein weites Schätzungsermessen ein.
Nach der Plausiprüfung folgt das Disziplinarverfahren
Oftmals übersehen aber die betroffenen Ärzte, dass Folge eines möglichen Abrechnungsfehlers nicht nur die Honorarrückforderungen sein können, sondern sich weitere ebenfalls mit erheblichen wirtschaftlichen Auswirkungen verbundene Verfahren anschließen können. Nicht selten schließt die KV an ein Plausibilitätsprüfungsverfahren ein Disziplinarverfahren an. Denn die fehlerhafte Abrechnung ist nicht nur ein Grund für Honorarrückforderungen.
Eine fehlerhafte Abrechnung ist in erster Linie ein Verstoß gegen die Pflicht der Vertragsärzte zur peinlich genauen Abrechnung. Verstößt ein Arzt gegen eine ihn treffende vertragsärztliche Pflicht, ist die KV auf der Grundlage ihrer jeweiligen Disziplinarordnungen berechtigt, disziplinarische Maßnahmen zu ergreifen. Als disziplinarische Maßnahmen kommen beispielsweise die Verwarnung, der Verweis oder eine Geldbuße mit einem Betrag von in der Regel bis zu 10.000,00 Euro infrage. Damit ist der Maßnahmenkatalog aber noch nicht abgeschlossen. In der Praxis bislang selten ergriffen worden ist die am schwersten wiegende Disziplinarmaßnahme der Anordnung des Ruhens der Zulassung. Die wirtschaftliche Auswirkung eines Ruhens der Zulassung ist erheblich. Denn ruht die Zulassung, können keine vertragsärztlichen Umsätze generiert werden.
Gericht bestätigt Ruhen der Zulassung von sechs Wochen
Vor dem Hintergrund des bisher Beschriebenen sollte eine Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen besondere Beachtung finden (Urteil vom 13.3.2013, Az. L 11 KA 144/11). Gegenstand dieser Entscheidung war die Anordnung des Ruhens einer Zulassung als Ergebnis eines Disziplinarverfahrens. Das Gericht bestätigte eine Entscheidung der KV, als Disziplinarmaßnahme das Ruhen der Zulassung für einen Zeitraum von sechs Wochen anzuordnen. Anlass für die Disziplinarmaßnahme war der Vortrag des Vertragsarztes im Plausibilitätsprüfungsverfahren. In diese Prüfung war der Vertragsarzt wegen der Überschreitung der Zeitprofile geraten.
Gegenüber der KV trug der Arzt vor, dass er die Leistung des Ordinationskomplexes und der Beratungsziffer häufig nebeneinander zur Abrechnung gebracht und dabei aber übersehen habe, dass eine solche Abrechnung einen Arzt-Patienten-Kontakt von insgesamt mindestens 20 Minuten vorausgesetzt habe. Dies habe er deshalb übersehen, weil die von ihm verwendete Praxissoftware die besondere Situation der Abrechnung des Ordinationskomplexes neben einer Gesprächsziffer und die damit verbundene Leistungszeit von 20 Minuten nicht abgebildet habe. Außerdem habe er die Abrechnung ohnehin nicht selbst erstellt, weil er die computergestützte Abrechnung gänzlich seinen Arzthelferinnen überlassen habe. Die von diesen Arzthelferinnen vorgenommenen Eintragungen habe er nicht überprüft, sondern die Abrechnungserklärungen ungeprüft unterschrieben und an die KV übersandt.
Insgesamt hatte die KV aus diesem Abrechnungsverhalten abgeleitet, dass zumindest ein bedingter Vorsatz des Vertragsarztes für die fehlerhafte Abrechnung vorlag. Der bedingte Vorsatz sei darauf zurückzuführen, dass der Vertragsarzt nicht nur unter Vernachlässigung der Sorgfaltspflicht abgerechnet habe, sondern es ihm schlicht egal gewesen sei, ob die Abrechnungen richtig waren. Dies sei daraus zu folgern, dass die Abrechnung ungeprüft unterschrieben und versandt wurde. Von vorsätzlichem Handeln sei auch deshalb auszugehen gewesen, weil der Arzt vortrug, dass er nicht immer sicher sei, ob in manchen Fällen mehr Leistungen abgerechnet wurden als er erbracht habe. Der Arzt meinte aber, dass dies deshalb nicht problematisch sei, weil in anderen Fällen weniger Leistungen zur Abrechnung gelangten als er tatsächlich erbracht habe.
In der Folge entschied die KV, eine bislang recht seltene Disziplinarmaßnahme zu ergreifen und ordnete das Ruhen der Zulassung für die Dauer von sechs Wochen an. Diese Maßnahme hatte die KV insbesondere deshalb gewählt, weil dem Arzt eine fehlende Einsichtsfähigkeit in den Unrechtsgehalt seines Tuns vorgeworfen wurde. Denn er sei bestrebt gewesen, die Verantwortung für die Fehler in der Abrechnung vornehmlich bei Dritten, nämlich seinen Arzthelferinnen, zu suchen. Diese Entscheidung der KV bestätigte zunächst das Sozialgericht und in der Folge auch das LSG.
Honorareinbußen in mindestens zwei Quartalen
Im Ergebnis kann nur noch einmal deutlich gemacht werden, dass im Rahmen von Plausibilitätsprüfungen besondere Vorsicht bei der Formulierung der Stellungnahmen geboten ist. Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass gerade diese Entscheidung des LSG auch anderen KVen einen Impuls gibt, den Katalog der Disziplinarmaßnahmen häufiger voll auszuschöpfen und das Ruhen von Zulassungen anzuordnen. Die damit verbundenen wirtschaftlichen Folgen der Praxisschließung sind mit Sicherheit erheblich größer als im Fall des Erlasses eines Bußgelds in Höhe von 10.000,00 Euro. Denn die Praxisschließung führt nicht nur dazu, dass in dem betroffenen Quartal weniger Honorar erwirtschaftet werden kann, sondern auch dazu, dass weniger Patienten in diesem Quartal als Behandlungsfälle für die Berechnung von Budgets anfallen. Dies bedeutet, dass auch im entsprechenden Quartal des Vorjahres beispielsweise für die Berechnung von RLV weniger Behandlungsfälle herangezogen werden, sodass das für die Honorarhöhe maßgebliche Budget geringer ausfällt. Die Honorareinbuße betrifft dann sogar zwei Quartale.
Schließlich verdeutlicht die Entscheidung des LSG aber auch, dass es erhebliche Risiken birgt, wenn die Erfassung der Leistungen in der Praxissoftware allein dem Praxispersonal übertragen wird und der die Abrechnung unterschreibende Arzt die Abrechnungserklärungen selbst in keiner Weise überprüft. Denn der Vertragsarzt kann sich jedenfalls im Fall einer dann fehlerhaften Abrechnung nicht damit verteidigen, dass er selbst die Erfassung nicht vorgenommen habe und lediglich seine Praxismitarbeiter fehlerhaft handelten. denn der Arzt ist verpflichtet, die Abrechnung selbst zu erstellen und nicht vollständig an andere zu delegieren