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  • · Fachbeitrag · Vergütungsrecht

    Im Liquidationsstreit vom Gericht übergangen: Chirurg gewinnt Verfassungsbeschwerde

    von RA, FA für MedR, Wirtschaftsmediator Dr. Tobias Scholl-Eickmann, Kanzlei am Ärztehaus, Dortmund, www.kanzlei-am-aerztehaus.de

    | Das Bundesverfassungsgericht hat der Verfassungsbeschwerde eines Neurochirurgen stattgegeben, weil das vorbefasste Landgericht im Liquidationsrechtsstreit mehrere vorgelegte Privatgutachten ignoriert und dadurch das Grundrecht auf rechtliches Gehör verletzt hat ( Beschluss vom 15.5.2012, Az: 1 BvR 1999/09 ). Die Entscheidung ist ein Lichtblick für die stetig zunehmenden Auseinandersetzungen um (Chef-)Arzthonorare. |

     

    Landgericht ignorierte vier Privatgutachten

    Ein Chefarzt verlangte nach einem neurochirurgischen Eingriff an der Wirbelsäule den Ausgleich seiner Liquidation. Die Beklagte bestritt die Abrechnungsfähigkeit von zwei GOÄ-Ziffern und zahlte den Teilbetrag von 1.121,77 Euro nicht. Der Arzt klagte den Teilbetrag vor dem Amtsgericht (AG) ein, unterlag aber nach Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens.

     

    Daraufhin erhob der Chefarzt Berufung beim Landgericht (LG) Stuttgart. Das LG wies darauf hin, die Berufung zurückweisen zu wollen, da keine konkreten Anhaltspunkte für fehlerhafte oder lückenhafte Feststellungen durch das AG vorlägen. Darauf hin übersandte der Chefarzt vier fachärztliche Stellungnahmen, die dem gerichtlichen Sachverständigengutachten widersprachen. Zugleich beantragte er die Einholung eines neuen Sachverständigengutachtens. Trotz Vorlage der vier Privatgutachten wies das LG die Berufung einstimmig zurück - die Beweiswürdigung des AG sei nicht zu beanstanden. Ausführungen zu den vier Stellungnahmen machte das LG nicht.

     

    Verfassungsgericht bestätigt: Arzt musste angehört werden

    Die nach erfolgloser Anhörungsrüge erhobene Verfassungsbeschwerde des Chefarztes war erfolgreich. Das Recht aus Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes auf rechtliches Gehör gebiete es, dass die Gerichte die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis nehmen und bei ihrer Entscheidung in Erwägung ziehen; jedenfalls die wesentlichen Tatsachenbehauptungen müssten verarbeitet werden. Hier habe der Chefarzt vier Privatgutachten vorgelegt, die dem gerichtlichen Sachverständigengutachten entgegenstehen. Auf diese Einwände sei das LG überhaupt nicht eingegangen. Es hätte zumindest eine nachvollziehbare Begründung für sein Festhalten am Erstgutachten geben müssen. Stattdessen habe es sich in leichtfertiger Weise über den grundrechtlich gewährleisteten Anspruch auf rechtliches Gehör hinweggesetzt.

     

    BEACHTEN SIE | Das LG wird nun prüfen müssen, ob ein neues Gutachten einzuholen oder zumindest die Privatgutachter anzuhören sind. Abzuwarten bleibt, ob dies zu einem für den Chefarzt günstigeren Ergebnis im Liquidationsstreit führt. Gewonnen hat der Arzt aber gleichwohl: Die mehr als oberflächliche Ablehnung des LG ist durch die Karlsruher Richter zu Recht mit harschen Worten kassiert worden.

     
    Quelle: Ausgabe 08 / 2012 | Seite 23 | ID 34381890