· Fachbeitrag · Vertragsarztrecht
Ärzte dürfen auf Überweisungen weitgehend vertrauen
von RAin Dorit Jurgk, Kanzlei D+B Rechtsanwälte, db-law.de
| Ein Vertragsarzt oder -psychotherapeut darf auf die Richtigkeit einer Überweisung vertrauen, wenn diese nicht als Fälschung erkennbar ist. Durfte der überweisende Arzt die konkrete Überweisung gar nicht vornehmen, so haftet der überweisende Arzt für die Folgen. Dies entschied das Sozialgericht (SG) Düsseldorf (Urteil vom 31.07.2019, Az. S 2 KA 114/17). |
Sachverhalt
Geklagt hatte ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ), in dem u. a. Fachärzte für Psychiatrie, psychosomatische Medizin und Psychotherapie sowie psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten tätig waren. Das MVZ hatte auf der Grundlage einer Überweisung einen Patienten psychotherapeutisch versorgt. Die Überweisung wurde von einer psychiatrischen Institutsambulanz einer psychiatrischen Klinik zur kurativen Mit-/Weiterbehandlung ausgestellt.
Die beklagte KV berichtigte die Abrechnung des betreffenden Quartals um die Kosten des Behandlungsfalls im Wege der sachlich-rechnerischen Richtigstellung. Die Klinik sei nicht berechtigt gewesen, die Überweisung auszustellen. Grund: Der Umfang der Ermächtigung umfasst eine derartige Überweisung nicht. Darüber hinaus seien Überweisungen i. d. R. nur an einen Arzt einer anderen Arztgruppe zulässig. Es sei abwegig, wenn eine psychiatrische Institutsambulanz eine solche Überweisung ausstelle, weil die entsprechenden Leistungen dort nicht erbracht werden könnten. Das Ausstellen einer Überweisung entgegen den Vorgaben des Bundesmantelvertrags für Ärzte (BMV-Ä) könne zum Verlust des Vergütungsanspruchs des Arztes führen, der die Überweisung annimmt.
Entscheidungsgründe
Das SG Düsseldorf schloss sich der Auffassung der KV nicht an und gab der Klage des MVZ statt. Die Abrechnung sei gesetzes-, vertrags- und satzungskonform erfolgt.
Formale und inhaltliche Prüfung der Überweisung
Der ausführende Arzt sei gemäß § 24 Abs. 2 Satz 3 BMV-Ä grundsätzlich an den Überweisungsschein gebunden. Er habe zu prüfen, ob die Überweisung
- auf dem entsprechenden Vordruck ausgestellt ist,
- eine BSNR sowie eine Unterschrift enthält und
- nicht offensichtlich als Fälschung zu erkennen ist.
Inhaltlich habe der beauftragte Vertragsarzt zu prüfen, welche Art der Überweisung vorliegt (§ 24 Abs. 3 BMV-Ä). Bei einer Überweisung zur Konsiliaruntersuchung, zur Mitbehandlung und zur Weiterbehandlung bestimmt ausschließlich der Arzt, an den die Überweisung gerichtet ist, die Art und den Umfang der durchzuführenden Leistungen.
MERKE | Bei einer Überweisung zur Konsiliaruntersuchung, zur Mitbehandlung und zur Weiterbehandlung sieht der BMV-Ä keine Rückspracheverpflichtung mit dem überweisenden Arzt vor. |
Beauftragter Arzt muss keine weiteren Prüfungen vornehmen
Weitergehende Prüfungen und Rücksprachen brauche der beauftragte Arzt im Übrigen nicht vorzunehmen. Würde man dies verlangen, so müsste er sich bei Überweisungen von ermächtigten Ärzten und Einrichtungen jeweils den Ermächtigungsbescheid der Zulassungsgremien vorlegen lassen und prüfen. Es sei dem beauftragten Arzt auch nicht zumutbar, in jedem Fall der Überweisung eines ermächtigten Arztes oder einer ermächtigten ärztlichen Einrichtung zunächst bei der Beklagten eine Auskunft einzuholen, ob und ggf. welche Hinderungsgründe einer Erbringung der beauftragten Leistungen entgegenstehen, und dann diese Auskunft ggf. anwaltlich überprüfen zu lassen.
Das gelte auch in Fällen einer fachgleichen Überweisung. Zwar sei nach § 24 Abs. 3 Satz 2 BMV-Ä i. d. R. nur die Überweisung an einen Arzt einer anderen Arztgruppe zulässig. Jedoch gebe es keine gesetzliche oder untergesetzliche Verpflichtung des beauftragten Vertragsarztes zu prüfen, aus welchen Gründen die überweisende Einrichtung von dieser Regel abgewichen ist und die Überweisung ausgestellt hat. Hierfür fehle es dem beauftragten Vertragsarzt schon an Einblicken in die innere Organisation der überweisenden Einrichtung. Er könne nicht beurteilen, ob, inwieweit und weshalb die überweisende Einrichtung möglicherweise nicht in der Lage war, selbst die entsprechenden Leistungen zu erbringen.
MERKE | Das SG gelangt vor diesem Hintergrund zu dem Ergebnis, dass der beauftragte Arzt nicht das Risiko einer unzulässigen Überweisung zu tragen habe. |
„Sonstige Schäden“ statt sachlich-rechnerischer Richtigstellung
Es handele sich dabei auch nicht um einen Fall der sachlich-rechnerischen Berichtigung. Vielmehr hätten die Prüfgremien des Arztes bzw. der ermächtigten Einrichtung bei der Ausstellung von Überweisungen im Rahmen der Feststellung „sonstiger Schäden“ gemäß § 48 Abs. 1 BMV-Ä zu prüfen und ggf. zu sanktionieren. Dies gelte aber nur dann, wenn die Überweisungen nicht schon Gegenstand der Wirtschaftlichkeitsprüfung im engeren Sinne sind.
FAZIT | Diese Entscheidung ist aus vertragsärztlicher Sicht zu begrüßen. Eine sorgfältige Überprüfung des Überweisungsscheins durch den beauftragten Vertragsarzt ist zwar erforderlich. Für die Überweisungsbefugnis des überweisenden Vertragsarztes bzw. der überweisenden Einrichtung trägt der beauftragte Vertragsarzt jedoch keine Verantwortung. |