· Fachbeitrag · Vertragsarztrecht
Urteil: Zulassungsentzug wegen wiederholt falscher Abrechnungen
von RA, FA MedR und FA StrafR Dr. Maximilian Warntjen, D+B Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Berlin, www.db-law.de
| Eine aktuelle Entscheidung zeigt, dass wiederholte Abrechnungsverstöße erhebliche Konsequenzen haben können: Ein Vertragsarzt hatte über mehrere Jahre hinweg sonografische Leistungen abgerechnet, die er tatsächlich gar nicht erbracht hatte. Nach einer strafgerichtlichen Verurteilung und erheblichen Rückforderungen trat auch der Zulassungsausschuss auf den Plan und entzog dem Arzt die vertragsärztliche Zulassung. Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen bestätigte die Zulassungsentziehung (Urt. v. 18.4.2018, Az. L 11 KA 2/18). |
Der Fall
Ein Patient, der sich nach einer Blasenkrebsoperation in Nachbehandlung beim klagenden Arzt befand, teilte seiner Krankenkasse mit, dass bei ihm (Sonografie-)Leistungen abgerechnet, aber nicht erbracht worden seien. Der Arzt, ein zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassener Facharzt für Urologie, behauptete in der daraufhin eingeleiteten Abrechnungsprüfung, sich an den Patienten, den er über vier Jahre lang behandelt und bei dem er fast jedes Quartal eine Sonografie abgerechnet hatte, nicht erinnern zu können.
Unzureichende Sonografiedokumentation
Auf Nachfrage reichte er die Patientendokumentation sowie gefertigte Sonografien zu den Akten. Alle übersandten Aufnahmen enthielten aber entgegen den Vorgaben des EBM (33. Kapitel ‒ Ultraschalluntersuchung ‒ Nr. 3 der Präambel) keine automatisch „eingedruckten“ Patientendaten, sondern lediglich handschriftliche Vermerke.
Patientendaten nicht „eingedruckt“, Organe nicht erkennbar
Die Prüfung wurde daraufhin ausgeweitet und führte zum Ergebnis, dass die Abrechnung der EBM-Nr. 33043 in keinem einzigen Fall gerechtfertigt war. So fehlte bis zur Anschaffung eines neuen Sonografiegeräts nicht nur stets der automatische „Eindruck“ der Patientendaten, sondern es waren auch in keinem Fall die zu dokumentierenden Organe zu erkennen. Damit konfrontiert, dass er nach den vorgelegten Aufnahmen drei unterschiedliche Patienten binnen 17 Sekunden sonografiert habe und weitere ebenfalls binnen Sekunden oder weniger Minuten, erklärte der Arzt, womöglich sei die Zeiterfassung am Gerät defekt gewesen.
Sonografien stammen nicht von angegebenen Patienten
Später räumte der Kläger dann ein, Bilddokumentationen mit handschriftlichen Einträgen übersandt zu haben, die nicht von den Patienten stammten, deren Name er handschriftlich darauf vermerkt habe.
Die Entscheidung
Das LSG attestiert dem Kläger eine „gröbliche Verletzung vertragsärztlicher Pflichten“. Darunter sind so schwerwiegende Pflichtverletzungen zu verstehen, dass ihretwegen die Entziehung der Zulassung zur Sicherung der vertragsärztlichen Versorgung notwendig ist. Wiederholt unkorrekte Abrechnungen können in diesem Sinne die Zulassungsentziehung rechtfertigen, weil hierdurch die gesetzliche Ordnung der vertragsärztlichen Versorgung in erheblichem Maße verletzt und das Vertrauensverhältnis zu den vertragsärztlichen Institutionen tiefgreifend und nachhaltig gestört wird. Eine weitere Zusammenarbeit mit dem Vertragsarzt kann den vertragsärztlichen Institutionen nicht mehr zugemutet werden.
Das Gericht hält die Zulassungsentziehung auch für verhältnismäßig, da der Kläger nicht nur falsch abgerechnet, sondern auch Sonografieaufnahmen zwecks Vertuschung der Falschabrechnungen manipuliert habe.
Folgen für die Praxis
Daneben ist der Arzt per Strafbefehl zu zehn Monaten auf Bewährung wegen gewerbsmäßigen Abrechnungsbetrugs verurteilt worden. Zudem wurden Honorarrückforderungen in Höhe von rund 77.000 Euro geltend gemacht.
FAZIT | Die Entscheidung zeigt, dass Abrechnungsunrichtigkeiten weitreichende Folgen haben können, da es regelmäßig nicht bei lediglich einem Verfahren bleibt: Neben strafrechtlichen Konsequenzen drohen Honorarrückforderungen und disziplinar-, berufs- und zulassungsrechtliche Folgeverfahren, im schlimmsten Fall wird ein Verfahren auf Entzug der ärztlichen Approbation eingeleitet.
Der Fall verdeutlicht aber auch, wie wichtig es ist, in derartigen Verfahren von Anfang an überlegt zu agieren. Die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) sind zwar gesetzlich verpflichtet, die Staatsanwaltschaft unverzüglich zu unterrichten, wenn ein Anfangsverdacht auf strafbare Handlungen mit nicht nur geringfügiger Bedeutung für die gesetzliche Krankenversicherung bestehen könnte (§ 81a SGB V). Allerdings besteht naturgemäß ein gewisser Beurteilungsspielraum, wann ein solcher Anfangsverdacht anzunehmen ist.
In dem der Entscheidung des LSG zugrunde liegenden Fall sah sich die KV offenbar erst veranlasst, die Staatsanwaltschaft zu informieren, nachdem der Arzt manipuliertes Bildmaterial vorlegte, um die Abrechnungsverstöße zu vertuschen. Sowohl das Straf-, als auch das Zulassungsentziehungsverfahren wäre möglicherweise verhindert worden, wenn der Arzt die Falschabrechnung von vornherein eingestanden hätte. |
Weiterführende Hinweise
- Zeitbezogene Plausibilitätsprüfung kann zum Zulassungsentzug führen (AAA 02/2017, Seite 13)
- Beharrliche Nichterfüllung der Fortbildungspflicht rechtfertigt Zulassungsentziehung (AAA 11/2017, Seite 12)
- Zulassungsentziehung: Späteres Wohlverhalten rettet nicht mehr die Zulassung! (AAA 03/2013, Seite 20)