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  • · Fachbeitrag · Berufsrecht

    Zuleitung von Rezepten an Apotheke durch den Arzt nur in Ausnahmefällen erlaubt

    von RAin Dr. Christina Thissen, Münster, kanzlei-am-aerztehaus.de 

    | Ein Arzt darf Rezepte nur ausnahmsweise und keinesfalls nur auf Wunsch des Patienten einer bestimmten Apotheke zuleiten (Oberlandesgericht [OLG] Saarbrücken, Urteil vom 25.9.2013, Az. 1 U 42/13 ). |

    Der Fall

    Binnen einer Woche wurden aus drei Arztpraxen insgesamt 68 Rezepte per Telefax an die ortsansässige Apotheke des A übermittelt. Die verordneten Medikamente wurden nach Erhalt der Telefaxrezepte durch einen Botendienst des Apothekers an die Patienten überbracht. Anschließend sammelten die Boten die Originalrezepte in den betreffenden Arztpraxen ein. Die konkurrierende ortsansässige Apotheke B erfuhr von dieser Vorgehensweise und erwirkte gegen A wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens vor dem Landgericht (LG) Saarbrücken eine einstweilige Unterlassungsverfügung. Apotheker A bestritt im Verfahren, mit den betreffenden Ärzten Absprachen getroffen zu haben. Lediglich in Einzelfällen hätte man Rezepte gefaxt, und zwar meist dann, wenn es sich um bettlägerige oder betagte Patienten gehandelt habe. Es seien im Übrigen nur etwa zehn Prozent der von den benannten Praxen ausgestellten Rezepte betroffen.

    Das Urteil

    Das OLG Saarbrücken bestätigte in seinem Urteil die einstweilige Verfügung des LG Saarbrücken. Bei den beteiligten Arztpraxen seien vorliegend nicht genehmigte Rezeptannahmestellen betrieben worden. Eine Genehmigung habe auch nicht erteilt werden können, da eine Rezeptannahmestelle nach § 24 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) nicht in Arztpraxen oder bei Angehörigen sonstiger Heilberufe unterhalten werden dürfe.

     

    Ein im Einzelfall rechtfertigender Grund für die Übermittlung der Rezepte an Apotheker A habe aufgrund des systematischen Vorgehens nicht vorgelegen. Das Gericht war der Überzeugung, dass sich schon aus der Lebenserfahrung ergebe, dass es sich bei der vorliegenden hohen Anzahl von Rezeptübermittlungen innerhalb von nur acht Werktagen nicht um Einzelfälle mit medizinischer Begründung handeln könne. Das Vorgehen sei vielmehr Resultat einer Vereinbarung zwischen den beteiligten Ärzten und Apotheker A und Bequemlichkeitserwägungen von Patienten geschuldet.

     

    Nach Auffassung des Gerichts durften die Ärzte zudem selbst dann keine Rezepte an A übermitteln, wenn die Patienten dies ausdrücklich gewünscht haben sollten. Das Allgemeininteresse an einer inhaltlichen und organisatorischen Trennung der Berufsgruppen Arzt und Apotheker habe Vorrang. Die gebotene Unabhängigkeit des Arztes, die auch und gerade dem Patientenschutz diene, sei in § 30 Musterberufsordnung für die deutschen Ärztinnen und Ärzte (MBO) und in den jeweiligen Berufsordnungen der Landesärztekammern unmissverständlich verankert. Bei der Gefahr einer Interessenkollision und der Verwischung der Grenze zwischen ärztlicher Heilbehandlung und Medikamentenversorgung sei diese Unabhängigkeit tangiert.

     

    MERKE | Das Verbot gilt nicht nur für die Übermittlung per Fax, sondern auch für den Fall, dass Verordnungen von Mitarbeitern der Arztpraxis in die Apotheke gebracht würden. Ob der Arzt bzw. seine Mitarbeiter das Rezept faxen oder selbst vorbeibringen, macht keinen Unterschied.

     

    Ärzten sei es berufsrechtlich bei Vorliegen eines „hinreichenden Grundes“ im Einzelfall zwar möglich, Patienten an Apotheken zu empfehlen bzw. an diese zu verweisen. So könne im Ausnahmefall bspw. zur Vermeidung von Wegen bei gehbehinderten Patienten, aus Gründen der Qualität der Versorgung oder schlechten Erfahrungen des Patienten bei anderen Anbietern eine Übersendung des ausgestellten Rezeptes an eine bestimmte Apotheke erfolgen. Die hier nach Überzeugung des Gerichts verfolgte größere Bequemlichkeit des Versorgungswegs für den Patienten stelle aber jedenfalls keinen hinreichenden Grund für eine Empfehlung dar. Eine Empfehlung auf Initiative des Arztes sei stets ausgeschlossen. Die unmittelbare Einbeziehung des Arztes in den Erwerbsvorgang sei untersagt.

     

    FAZIT | Die Entscheidung des OLG Saarbrücken reiht sich in die restriktive Rechtsprechung im Zusammenhang mit Absprachen zwischen Ärzten und Apothekern einerseits sowie zu Empfehlungen bzw. Verweisungen von Patienten durch Ärzte andererseits ein.

     

    Auch das zwischenzeitlich ergangene Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 13. März 2014 (Az. I ZR 120/13, Entscheidungsgründe lagen bei Redaktionsschluss noch nicht vor), bringt in diesem Zusammenhang keine grundlegende Richtungsänderung der Rechtsprechungspraxis. Die Uniklinik Freiburg hatte in dem genannten Fall Rezepte für unmittelbar vor der Entlassung stehende Patienten an eine Entlassmanagementgesellschaft übermittelt. Die Gesellschaft leitete die Rezepte wiederum an eine kooperierende Apotheke. Der BGH billigte diese Vorgehensweise, da die zwischengeschaltete Gesellschaft neutraler Mittler zwischen Arzt und Apotheker sei und damit die ärztliche Unabhängigkeit gewahrt sei. Das Urteil erweitert damit zwar die Möglichkeiten für Kooperationsformen im Bereich der Medikamentenversorgung, eine direkte Übermittlung von Rezepten an Apotheker durch den Behandler ist aber weiterhin nur unter den hier erläuterten strengen Voraussetzungen möglich.

     

    Praxishinweis | Händigen Sie Verordnungen dem Patienten stets aus, auch wenn dieser von sich aus um Übermittlung an eine bestimmte Apotheke bittet. Aus einer nur gut gemeinten Serviceleistung können sich sonst erhebliche rechtliche Probleme entwickeln, selbst wenn der Arzt hieraus keinerlei eigenen Nutzen zieht. Wie das Urteil des OLG Saarbrücken zeigt, ist es schon bei einem vergleichsweise geringen Anteil an übermittelten Rezepten schwierig, das Vorliegen eines „hinreichenden Grundes“ darzulegen.

    Quelle: Ausgabe 07 / 2014 | Seite 17 | ID 42665587