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  • · Fachbeitrag · BtM-Rezepte

    980 Fentanyl-Pflaster in 4 Jahren von 7 Ärzten

    | Ein 65-jähriger Rentner war zwischen Februar 2016 und Dezember 2019, also rund 4 Jahre Patient bei 7 verschiedenen Ärztinnen und Ärzten in München und ließ sich von diesen jeweils Fentanyl-Pflaster verschreiben. Dabei verschwieg der Mann den Ärzten, dass er bereits bei anderen Ärzten Verschreibungen über entsprechende Pflaster erhalten hatte. Insgesamt erhielt er auf diese Weise 980 Fentanyl-Pflaster im Gesamtwert von knapp 21.000 Euro und mit einem Gesamtwirkstoffgehalt von 22.657,60 mg. |

    Patient mit Schmerzanamnese

    Der Rentner räumte in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht München, wie schon bei der Polizei, die Vorwürfe ein und begründete sie mit einer jahrelang bestehenden Schmerzproblematik, die sich nach einem Eingriff vor sieben Jahren ergeben habe. Das Geständnis des Angeklagten wirkte sich strafmildernd aus. Auch sprach für den Angeklagten, dass er die Betäubungsmittel (zumindest zu Beginn) nur erschlichen hat, um eine Schmerzbehandlung durchzuführen (Urteil vom 26.07.2022, Az. 1125 Ls 362 Js 107777/21). Zulasten des Angeklagten hat gewirkt,

    • dass es sich bei Fentanyl um ein äußerst gefährliches Betäubungsmittel handelt,
    • er durch die Taten erhebliche Mengen von Betäubungsmitteln erlangt hat (laut einer Zeugin hätte die Gesamtmenge von 980 Pflastern ausgereicht, um den Angeklagten für einen Zeitraum von über acht Jahren zu berauschen) und dass
    • durch die fortgesetzten Taten ein erheblicher wirtschaftlicher Gesamtschaden entstanden ist.

     

    In der Gesamtschau und unter besonderer Berücksichtigung des Umstands, dass die Taten bereits erhebliche Zeit zurückgelegen haben, hielt das Amtsgericht die Verhängung einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 7 Monaten für schuld- und tatangemessen. Aufgrund des hohen Lebensalters des Angeklagten und der zwischenzeitlich eingetretenen Betäubungsmittelabstinenz, wurde die Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt, da die Einwirkung des Strafvollzugs nicht erforderlich ist, um den Täter von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten.

    So erkennen Sie „Ärztehopper“

    Dr. med. Sabine Drubba vom Münchner Gesundheitsreferat informiert Ärztinnen und Ärzte seit vielen Jahren über die rechtssichere Verordnung von Opioiden und hat einige Praxistipps, um „Ärztehopper“ zu erkennen [1]. Unter ihnen sind nicht nur Schmerzpatienten sondern auch Heroin-/Opioidabhängige, die Fentanyl als Ersatzdroge selber nutzen oder lukrativ weiterverkaufen. Die Pflaster werden ausgelutscht oder zerschnitten, ausgekocht und das Fentanyl dann injiziert. Hierbei kommt es duch polyvalente Vergiftungen regelmäßig zu Überdosierungen. Folgende Tipps beugen dem vor:

     

    • Achtsam sein! Ein in der Praxis nicht bekannter Patient kommt kurz vor Ende der Sprechstunde mit der Begründung,
      • sein behandelnder (Haus-)Arzt habe Urlaub/sei nicht erreichbar,
      • deshalb habe er auch keine Befunde dabei,
      • brauche aber dringend Fentanyl-Pflaster, wegen eines orthopädischen Beschwerdebilds, eines chronischen Schmerzsyndroms, eines Unfalls, wegen OP-Folgen usw.

     

    • Aussagen überprüfen! Was der Patient erzählt, kann selbstverständlich wahr sein, sollte dann aber einer Überprüfung standhalten, denn echte Schmerzpatienten sind in punkto Folgeverordnungen meist sehr gut organisiert und kommen i. d. R. nicht in o. g. Situationen.
      • Rufen Sie daher zuerst in der (angeblich) geschlossenen Praxis an.
      • Ist dort tatsächlich niemand, führen Sie eine kurze Schmerzanamnese durch sowie eine orientierende körperliche Untersuchung.
      • Lassen Sie sich zeigen, wo der vermeintliche Schmerz herkommt.
      • Und vielleicht klebt ja bereits ein Fentanyl-Pflaster am Körper?
      • Oder Sie finden Einstichstellen, was darauf hindeutet, dass das Fentanyl missbräuchlich verwendet wird.
      • Wenn Sie misstrauisch sind, kommunizieren Sie dies und bieten einen Drogenschnelltest an.

     

    • Minimalverordnung ist Trumpf! Sollten Sie zu dem Schluss gekommen sein, dass Sie eine Verordnung ausstellen wollen, fragen Sie:
      • Welcher Arzt hat bisher Fentanyl verordnet?
      • In welcher Dosierung?
      • Wie häufig erfolgen die Pflasterwechsel?
      • Wann wurde zuletzt welche Menge verordnet (Reichdauer!)?
      • In welcher Apotheke wurde das Rezept eingelöst (evtl. Rücksprache mit Apotheke nach Schweigepflichtsentbindung).
      • Und verordnen Sie dann die kleinstmögliche Menge (Mengen ab 4 Pflaster pro Packung sind verfügbar)
      • in der einer kleinen bis mittleren Dosierung (bis 50 μg/h).
      • Machen Sie eine zweite Verordnung davon abhängig, dass der Patient Ihnen aussagekräftige Befunde vorlegt (Ausreden nicht gelten lassen!)
      • Zuletzt nehmen Sie die Reichdauer der Fentanylpflaster in Ihre Dokumentation auf. Dann ist klar, wann das nächste Rezept tatsächlich fällig ist. Vor Ablauf der Reichdauer gibt es dann kein neues Rezept.

     

    • Kollegen instruieren! Wenn Sie selbst in den Urlaub fahren, sollten Sie Ihre BTM-Patienten ausführlich mit Diagnose, Medikation, Dosierung und der letzten Verordnung an Ihre Vertretung übergeben.

     

    • Letzter Tipp von Dr. Drubba: Verlangen Patienten gezielt nach Pflastern der Firmen Hexal oder 1A Pharma, sollte man hellhörig werden, da die Pflaster eine höhere Beladung als vergleichbare Matrixpflaster haben.

     

    Weiterführende Hinweise

    • [1] Vortrag „Heiße Luft ‒ oder heiße Kiste? Die Problematik der Fentanyl-Verordnung“ von Frau Dr. Drubba im Volltext unter Shortlink ogy.de/r3tm.
    Quelle: ID 48568790