· Fachbeitrag · G-BA-Beschluss
Genehmigungsvorbehalt für Cannabis-Arzneimittel entfällt unter bestimmten Voraussetzungen
| Cannabis-Arzneimittel können ausnahmsweise unter bestimmten Voraussetzungen zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verordnet werden. Hierbei musste bislang vor der ersten Verordnung ‒ außer bei Verordnungen im Rahmen der spezialisierten ambulanten Palliativ-Versorgung (SAPV) ‒ eine Genehmigung der jeweils zuständigen Krankenkasse vorliegen. Mit dem Gesetz zur Bekämpfung von Lieferengpässen bei patentfreien Arzneimitteln und zur Verbesserung der Versorgung mit Kinderarzneimitteln (ALBVVG) wurde der G-BA u. a. beauftragt, zu bestimmen, bei welchen Facharztgruppen der Genehmigungsvorbehalt zukünftig entfällt. Einen entsprechenden Beschluss fasste der G-BA am 18.07.2024. Am 17.10.2024, dem Tag nach Veröffentlichung im Bundesanzeiger, ist der Beschlusses in Kraft getreten. |
Genehmigungsvorbehalt entfällt bei folgenden Qualifikationen
Ein Genehmigungsvorbehalt der Krankenkasse vor der ersten Verordnung von Cannabis-Arzneimitteln entfällt, wenn der Vertragsarzt über eine der Qualifikationen der in der Anlage XI der Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) aufgeführten Facharzt-, Schwerpunkt- oder Zusatzbezeichnung gemäß (Muster-)Weiterbildungsordnung der Bundesärztekammer (MWBO) verfügt (siehe Tabelle 1).
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Facharzt- und Schwerpunktbezeichnungen | oder Zusatzbezeichnung |
Facharzt/Fachärztin für Allgemeinmedizin, Anästhesiologie, Frauenheilkunde und Geburtshilfe mit Schwerpunkt gynäkologische Onkologie, |
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Facharzt/Fachärztin für Innere Medizin, Innere Medizin und Angiologie, - und Endokrinologie und Diabetologie, - und Gastroenterologie, - und Hämatologie und Onkologie, - und Infektiologie, - und Kardiologie, - und Nephrologie, - und Pneumologie, - und Rheumatologie, | |
Facharzt/Fachärztin für Neurologie, Physikalische und Rehabilitative Medizin oder für Psychiatrie und Psychotherapie |
Qualifizierte Ärztinnen und Ärzte im Sinne dieser Anlage sind auch diejenigen, die eine Berufsbezeichnung nach altem Recht führen. Konkret handelt es sich um das Recht, das aufgrund von Übergangsregelungen bzw. Einzelfallbestimmungen zum Führen einer entsprechenden Facharzt-, Schwerpunkt- oder Zusatzbezeichnung nach (Muster-)Weiterbildungsordnung 2018 (in der Fassung vom 25.06.2022) berechtigt oder dieser gleichzustellen ist.
MERKE | Die Verordnungsvoraussetzungen nach § 44 der AM-RL (schwerwiegende Erkrankung; allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung steht nicht zur Verfügung oder kann nicht zur Anwendung kommen; nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome) bleiben unberührt. Krankenkassen können evtl. bestehende Zweifel hieran mit Prüfanträgen geltend machen. |
Möglichkeit der freiwilligen Antragstellung
In der Vergangenheit hat sich in einer Reihe von Fällen gezeigt, dass die Krankenkasse und der verordnende Arzt durchaus unterschiedlich bewerten, ob eine Verordnung voraussetzungskonform und damit rechtmäßig ist. Um dem Rechtsrisiko eines Regresses bei unklaren Verordnungen bzw. bei unklarer Erfüllung der Verordnungsvoraussetzungen vorzubeugen, kann auch der qualifizierte Arzt eine Genehmigung der Krankenkasse einholen.
Folgeverordnungen können nach der AM-RL auch von anderen Ärzten als den erstverordnenden ohne erneute Genehmigung vorgenommen werden. Dies gilt auch in den Fällen, in denen die Erstverordnung von einem qualifizierten Arzt nach Anlage XI der AM-RL (also ohne Genehmigung der Krankenkasse) vorgenommen wurde. Um dem Rechtsrisiko eines Regresses bei unklaren Verordnungen auch hier vorzubeugen, kann auch der nachverordnende Arzt eine Genehmigung der Krankenkasse einholen.
MERKE | Die Genehmigung der Krankenkasse beinhaltet keine Feststellung der Wirtschaftlichkeit der vorgesehenen Verordnung, sondern nur deren Zulässigkeit. Ärzte sind dem Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 SGB V) verpflichtet und haben deshalb bei mehreren zur Verfügung stehenden, medizinisch gleichwertigen Therapieansätzen im Regelfall verpflichtend den kostengünstigeren zu wählen. |
Wie gehen Krankenkassen bei der Prüfung der Voraussetzungen vor?
Für die Einschätzung des Arztes, ob eine Krankenkasse die gesetzlich vorgegebenen ‒ und in der AM-RL aufgenommenen und konkretisierten ‒ Voraussetzungen bei einem Patienten eher als erfüllt oder nicht erfüllt ansehen wird, ist es hilfreich, die Vorgehensweise dieser bei der Bewertung zu kennen. Der Medizinische Dienst Bund hat seine „Begutachtungsanleitung Sozialmedizinische Begutachtung von Cannabinoiden nach § 31 Absatz 6 SGB V“ vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu Cannabinoid-Verordnungen (z. B. Konkretisierung des Begriffs „schwerwiegende Erkrankung“) aktualisiert (Begutachtungsanleitung steht auf der Website des Medizinischen Dienstes Bund online unter iww.de/s11457 als PDF-Dokument zur Verfügung). Diese Begutachtungsanleitung ist für die Krankenkassen und die Medizinischen Dienste verbindlich.
Anpassung der Fristen in der AM-RL
Im Beschluss des G-BA werden auch die Fristen für die Genehmigung angepasst, die durch das ALBVVG geändert wurden. Die Krankenkasse entscheidet danach über die Genehmigung der Leistung innerhalb von zwei Wochen nach Antragseingang auf Grundlage der begründeten Einschätzung des verordnenden Arztes. Sofern eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, ist innerhalb von vier Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Unverändert bleibt die Frist von drei Tagen bei der Genehmigung im unmittelbaren Anschluss an eine Behandlung mit Cannabis-Arzneimitteln im Rahmen eines stationären Krankenhausaufenthalts.