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  • · Fachbeitrag · Zahnarztvergütung

    Häufige Fragen zur Honorarvereinbarung: Was ist zulässig, wann wird es problematisch?

    von Rechtsanwältin und Fachanwältin für Medizinrecht Anja Mehling, Hamburg

    | Immer mehr Zahnärzte schließen in der Praxis Honorarvereinbarungen ab. Wiederkehrend werden dabei Fragen z. B. zur Höhe der gewählten Steigerungsfaktoren aufgeworfen. Der Zahnarzt sollte wissen, was zulässig ist oder eben nicht. Anderenfalls sind Diskussionen mit Patienten und deren Kostenträgern vorprogrammiert. Welche vermeidbaren Fehler teilweise gemacht werden, wird nachfolgend anhand von Beispielen aus der Praxis erläutert. |

    Mehrkosten- und Honorarvereinbarung in einem Arbeitsschritt?

    Das nachfolgende Muster einer Vereinbarung, die inhaltlich sowohl eine Mehrkosten- als auch eine Honorarvereinbarung umfasst, wurde so in der Praxis verwendet:

     

    • Mehrkostenvereinbarung zur Füllungstherapie gemäß § 28 Abs. 2 S. 2 SGB V

    Dr. A & Partner, Zahnärzte, Straße, PLZ Wohnort

     

    und

     

    Patient/in _______________________________

     

    Die nachstehend aufgeführten zahnärztlichen Leistungen gehen über eine gemäß § 28 SGB V ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Form der Versorgung bei Füllungstherapien hinaus. Von den Gesamtkosten der gewählten Füllungstherapie werden die Kosten der vergleichbaren Sachleistung (Kassenversorgung) in Abzug gebracht. Die Mehrkosten werden hier aufgeführt. Änderungen, die sich während der Behandlung ergeben, werden gemäß der unten angegebenen Mehrkostentabelle in Rechnung gestellt.

     

    Die Faktoren für die Abzugsleistungen in der Füllungstherapie können den 3,5-fachen Faktor übersteigen. Es ist mir bekannt, dass eine Erstattung der Vergütung möglicherweise nicht gewährleistet ist. Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass der volle Rechnungsbetrag zu begleichen ist, auch wenn die Zusatzversicherung diesen Betrag nicht im vollen Umfang vergütet.

     

    Zahn
    Dentinadhäsive Rekonstruktion
    Zuschuss der Krankenkasse (variiert nach aktuellem Punktwert)
    Honorar je Rekonstruktion
    Mehrkosten

    37o, 35v …

    1-flächig …

    32,47 Euro …

    103,74 Euro …

    71,00 Euro …

     

     

    Eine gesonderte Honorarvereinbarung existierte nicht. Die Intention der Praxis war offenbar, ein Formular einzusparen. In der Rechnung wurden die Nrn. 2080 und 2100 GOZ mit dem 4- bis 5-fachen Steigerungsfaktor abgerechnet. Die Verbindung der Mehrkosten- mit einer Honorarvereinbarung ist jedoch aufgrund der klaren Formvorschriften in § 2 GOZ nicht zulässig.

     

    Auch ein schlichter Heil- und Kostenplan oder Kostenvoranschlag mit entsprechend kalkulierten Steigerungssätzen zu den darin ausgewiesenen Gebühren wäre aus demselben Grund unzureichend.

    Begründung des vereinbarten Steigerungssatzes erforderlich?

    Noch häufiger als das wirksame Zustandekommen der Honorarvereinbarung zweifeln Kostenträger die Angemessenheit an. Das liest sich z. B. so:

     

    • Beispielstext: Beanstandung eines Kostenträgers (Auszug)

    „Ferner sind in der Rechnung Leistungspositionen enthalten, die über den Höchstsatz der Gebührenordnungen GOZ bzw. GOÄ hinausgehen. Bei Steigerungen über dem 3,5-fachen Satz ist nach den Gebührenordnungen eine individuelle Honorarvereinbarung erforderlich. Diese liegt vor und ist rechtswirksam. Neben der Rechtswirksamkeit gilt es weiterhin, die Angemessenheit zu bewerten. Wir orientieren uns dabei an § 5 Abs. 2 GOZ, wonach bei Besonderheiten von Schwierigkeit und Zeitaufwand ein Steigerungssatz über den Mittelwert und bis zum Höchstsatz von 3,5 angesetzt werden kann. Ein Honorar darüber hinaus ist angemessen, wenn außergewöhnliche befund- oder behandlungsbedingte Erschwernisse vorliegen. Wir haben die Leistungen bis zum 3,5-fachen Satz anerkannt.“

     

    Zunächst ist festzuhalten, dass eine Begründung für die Bestimmung der Gebührenhöhe (Überschreitung des Regel- oder Höchstsatzes) in der Liquidation nicht erforderlich ist. Der Hinweis auf die Honorarvereinbarung genügt.

     

    Ungeachtet dessen wird immer wieder von Kostenträgern eine Begründung verlangt. § 10 Abs. 3 S. 1 GOZ beschränkt indes die Begründungspflicht auf die zahnärztliche Vergütung, die unter Berücksichtigung der in § 5 GOZ enthaltenen Regeln abgerechnet wird. Honorarvereinbarungen i. S. v. § 2 GOZ werden von der Begründungspflicht nicht erfasst. Die berechneten Gebühren ergeben sich nicht aus § 5 Abs. 2 GOZ, sondern beruhen auf einer zwischen dem Zahnarzt und dem Patienten/Zahlungspflichtigen getroffenen Vereinbarung.

     

    Die Forderung, den im Rahmen der getroffenen abweichenden Vereinbarung festgesetzten Steigerungsfaktor in der Rechnung zu begründen, ist somit nicht gerechtfertigt. Ist eine Honorarvereinbarung rechtswirksam zustande gekommen, ist die Abrechnung auf dieser Basis verordnungskonform bzw. die vereinbarten Gebühren sind berechnungsfähig.

     

    Aus dem Behandlungsvertrag wurde allerdings schon vor Reform der GOZ eine Nebenpflicht des Zahnarztes hergeleitet, die Gebührenhöhe für den Fall, dass sich der Ansatz innerhalb des Gebührenrahmens des § 5 GOZ Abs. 1 ‒ also dem 1,0- bis 3,5-fachen Satz ‒ bewegt, gegenüber dem Patienten/ Zahlungspflichtigen zu begründen, damit dieser (auch) eine Erstattung der erfassten Gebühren von seinem Kostenträger erhalten könne. In § 10 Abs. 3 S. 3 GOZ ist dies ausdrücklich geregelt.

     

    Die Anwendung der Erschwerniskriterien des § 5 Abs. 2 GOZ kann sich jedoch nicht nur auf Steigerungssätze beziehen, die ohne das Vorliegen einer Honorarvereinbarung berechnungsfähig gewesen wären. Vielmehr ist es möglich und in Einzelfällen erforderlich, diese Kriterien auch bei einer Überschreitung des 3,5-fachen Faktors heranzuziehen. Das ist z. B. dann anzunehmen, wenn der Patient ein Interesse daran hat, weil sein Tarif auch die Erstattung von Steigerungssätzen oberhalb des 3,5-Fachen vorsieht oder jedenfalls nicht ausschließt. Daher sollte der Zahnarzt ‒ sofern es von ihm verlangt wird ‒ auch bei Überschreitung des Höchstsatzes eine Begründung i. S. v. § 10 Abs. 3 S. 3 GOZ geben.

    Pauschalen Vorwurf des Wuchers entkräften

    Kostenträger vertreten ebenso häufig pauschal die Ansicht, dass mit Blick auf den in § 5 Abs. 1 GOZ festgelegten Gebührenrahmen von 1 bis 3,5 die Verdoppelung des Höchstsatzes von 3,5 auf den 7-fachen Satz „Wucher“ ist. Damit sei eine solche Honorarvereinbarung nach § 138 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sittenwidrig und unwirksam.

     

    Aus der GOZ ergibt sich keine Grenze. Angesichts des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 25.10.2004 (Az. 1 BvR 1437/02) steht fest, dass der Zahnarzt trotz der hohen Anforderungen, die gemäß der GOZ für eine wirksame Honorarvereinbarung vorliegen müssen, einen relativ weiten Gestaltungsspielraum hat. In der Rechtsprechung sind Sätze von 7- bis 8-fach mehrfach nicht beanstandet worden.

     

    • Urteile, die Steigerungssätze oberhalb des 7-fachen Satzes anerkannten
    • Amtsgericht Karlsruhe, Urteil vom 04.09.2015, Az. 6 C 1670/15: 27,5171-fach (!), Abruf-Nr. 146698
     

    Der Ansatz hoher Steigerungsfaktoren führt nicht automatisch zur Sittenwidrigkeit. Ausgangspunkt ist die konkrete zahnmedizinische Leistung, die angemessen bewertet worden sein muss. Entscheidend ist, ob zwischen der erbrachten zahnärztlichen Leistung und dem Honorar ein grobes Missverhältnis liegt, was die Nichtigkeit der Vereinbarung begründen würde. Das Honorar muss aus Sicht eines objektiven Dritten angemessen sein. Wenn sich der Zahnarzt an dem in der Rechtsprechung erörterten Rahmen bis zu 8-fach orientiert, dürfte das der Fall sein.

     

    PRAXISTIPP | Dabei kommt es ‒ wie immer ‒ auf den Einzelfall an. Ob die Auswahl eines Steigerungsfaktors jenseits des 10-Fachen grundsätzlich noch vertretbar ist, dürfte zweifelhaft sein. Ergibt eine Gegenüberstellung bzw. ein Vergleich der zahnärztlichen Vergütung nach der GOZ mit der Bewertung der Leistung nach dem BEMA, dass die äquivalente Gebührenposition im BEMA deutlich besser bewertet ist, liegt ein Missbrauch bei der Auswahl eines überdurchschnittlich hohen Faktors eher fern.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Beitrag „Die wesentlichen Regelungsinhalte einer Honorarvereinbarung ‒ mit Muster“ in AAZ 03/2019, Seite 9 ff.
    Quelle: Ausgabe 04 / 2019 | Seite 12 | ID 45799292