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  • · Nachricht · Aktuelle Rechtsprechung

    Implantate falsch gesetzt: 4.000 Euro Schmerzensgeld

    | Mit Vergleich vom 14.09.2016 hat sich ein Zahnarzt verpflichtet, an eine Patientin 4.000 Euro sowie die außergerichtlichen Anwaltsgebühren zu zahlen. Bei der 1979 geborenen Hausfrau waren 1991 im rechten Unterkiefer die Zähne 35, 36 und 37 extrahiert worden. Seitdem erfolgte keinerlei Neuversorgung dieser Zahnlücke. In den Folgejahren suchte die Patientin mehrere Zahnärzte auf, um die Zahnlücke in regio 35 bis 37 versorgen zu lassen. Ihr wurde mitgeteilt, es sei nicht möglich, in den Regiones 35 bis 37 Implantate zu inserieren, weil der Kieferknochen zu kurz sei. Nachdem sich die Patientin im Juni 2013 bei dem beklagten Zahnarzt vorgestellt hatte, versicherte dieser, er sei sehr wohl in der Lage, diese Regiones mit Implantaten zu versorgen. |

    Implantate nicht erhaltungsfähig

    Im Januar 2014 setzte er der Patientin drei Implantate der Firma Bicon in den Regiones 35, 36 und 37 ein. Zusätzlich führte er ein bone-splitting sowie einen Knochenaufbau mit autologem Knochen und Knochenersatzmaterial („Puros Allograft“) durch. Er benutzte außerdem eine Resodont-Forte-Membran.

     

    In der Folgezeit zeigte sich, dass das Implantat in regio 37 nicht eingeheilt war. Wegen offensichtlich nicht ausreichender Einheilung auch der Implantate 35 und 36 brachte er eine neue Membran, diesmal „CopiOs Pericardium Membrane“, und Bio-Oss Knochenmaterial ein. Die Patientin brach am 15.05.2014 die Behandlung ab, da sie sich in der Praxis des Zahnarztes nicht mehr wohl fühlte. Die Nachbehandler stellten fest, dass die Implantate nicht erhaltungsfähig seien.

    „Unkalkulierbares Risiko“

    Das Implantat 37 verlor die Patientin. Da die Implantate 35 und 36 nicht zu versorgen sind, müssen diese ebenfalls entfernt werden. Der Sachverständige hatte festgestellt: Es läge eine offensichtliche nicht risikoadaptierte Behandlungsplanung sowie ein offensichtlich zu lang gewähltes Implantat in regio 35 vor. Die Implantate in 36 und 37 seien nicht den Herstellerangaben konform ausgewählt. Laut Herstellerangaben der Firma Bicon seien die inserierten Implantate von 4,0 mm Durchmesser und 5 mm Länge für den anterioren Oberkiefer, nicht aber für den Unterkiefer vorgesehen. Die simultane Durchführung von ohnehin längenreduzierten Implantaten, eines bone-splittings sowie Augmentation von Knochenersatzmaterial, einschließlich der Membran-Applikation bei einem ohnehin durch langjährige Alveolarfortsatzartrophie und Nikotinkonsum kompromittierten Kiefer, stelle ein unkalkulierbares Risiko dar.

    Zahnarzt hätte sein Konzept ändern müssen

    Die weiteren Versuche des Zahnarztes, nach Wunddehiszenz die Implantate durch nochmalige Membran-Applikation zu retten, seien absehbar zum Scheitern verurteilt gewesen. Dies hätte der Zahnarzt als erfahrener Implantologe erkennen und rechtzeitig sein therapeutisches Konzept ändern müssen: frühzeitige Explantation der Implantate, zeitliche Trennung von Knochenaufbau und Implantation. Ggf. wäre ein gänzlicher Verzicht auf ein implantat-prothetisches Behandlungskonzept erforderlich gewesen. Der Zahnarzt habe auf die Wunddehiszenz in keinster Weise adäquat reagiert.

     

    (Landgericht Bochum, Vergleich vom 14.09.2016, AZ: I-6 O 416/14)

     

    Quelle: Christian Koch, Fachanwalt für Medizinrecht, Unna, www.anwalt-christian-koch.de

    Quelle: ID 44409758