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  • 09.11.2018 · IWW-Abrufnummer 205340

    Sozialgericht Hannover: Urteil vom 25.07.2018 – S 35 KA 2/16

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Sozialgericht Hannover

    Urt. v. 25.07.2018


    Tenor:

    1. Die Klage wird abgewiesen.
    2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreites.
        
    Tatbestand

    Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit von Honorarkürzungen wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise in den Quartalen I/2012 bis III/2012 sowie I/2013 bis IV/2013 bei der Gebührennummer IP-5 (Versiegelung von kariesfreien Fissuren und Grübchen der bleibenden Molaren (Zähne 6 und 7) mit aushärtenden Kunststoffen, je Zahn).

    Auf Antrag der Beigeladenen zu 1. vom 10. März 2015 hin kürzte Prüfungsstelle das Honorar der Klägerin am 23. Juni 2015 um 4.863,81 EUR für die o.g. Quartale. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 21. Juli 2015 Widerspruch ein.

    Mit Beschluss des Beklagten vom 20. Januar 2016 wurde der Widerspruch zurückgewiesen und die Leistungen der Klägerin in Höhe von 4.863,81 EUR gekürzt. Die Abweichung bei der Gebührennummer IP-5 im Verhältnis zum Landesdurchschnitt der Vergleichsgruppe lag in den geprüften Quartalen zwischen 301,61 % und 452,99 %. Die Prüfung erfolgte auf der Grundlage des Vertrages über die Wirtschaftlichkeitsprüfung vom 2. Januar 2013. Prüfmethode sei die Prüfung nach Durchschnittswerten. Vergleichsgruppe seien die Vertragszahnärzte in Niedersachsen. Beim Gesamtfallwert überschritt die Abrechnung der Klägerin die Abrechnung der Vergleichsgruppe zwischen 30,51 % und 61,68 %. Bei der Zahl der Behandlungsfälle unterschritt die Klägerin den Landesdurchschnitt der Vergleichsgruppe zwischen 67,05 und 75,96 %.

    Die Gebührennummer IP-5 sei fachgruppentypisch, weil 84 bis 87 % der niedersächsischen Vertragszahnärzte die Gebührennummer IP-5 in 7,47 % bis 11,09 % aller Behandlungsfälle abrechnen würden.

    Ein Vertragszahnarzt müsse auch in jeder Leistungsposition bzw. Leistungssparte die Wirtschaftlichkeit der Abrechnung wahren. Bei der Altersstruktur der behandelten Patienten (6 bis 18 Jahre) im IP-5-fähigen Alter unterschritt die Fallzahl der Klägerin den Landesdurchschnitt der Vergleichsgruppe zwischen 14 und 45,48 %, so dass keine vermehrte Abrechnung in dieser Altersgruppe vorläge, die eine Praxisbesonderheit darstellen könne. Vielmehr hat die Klägerin weniger Versicherte im IP-5-fähigen Alter behandelt als der Landesdurchschnitt.

    Berücksichtigt wurde diese Altersgruppe durch Multiplikation des Landesdurchschnitts der Vergleichsgruppe mit dem prozentualen Überschreitungsgrad in den betroffenen Quartalen bezogen auf die Gruppe der Versicherten im IP-5-fähigen Alter.

    Je 100 Behandlungsfälle überschritt die Klägerin bei der Altersgruppe im IP-5-fähigen Alter den Landesdurchschnitt der Vergleichsgruppe zwischen 383,87 % und 637,10 %.

    Praxisbesonderheiten wurden vom Beklagten nicht anerkannt. Da die Klägerin in der Altersgruppe der Versicherten im IP-5-fähigen Alter unterdurchschnittlich Leistungen erbracht hatte (zwischen -14 % und -45,48 %) schied eine Praxisbesonderheit wegen vermehrter Behandlung von Kindern und Jugendlichen aus. Auch eine niedrige Fallzahl stelle keine Praxisbesonderheit dar.

    Eine kompensatorische Einsparung bei der Füllungstätigkeit wurde vom Beklagten nicht festgestellt, da die Klägerin auch hier die Abrechnung der Vergleichsgruppe zwischen 10,83 % und 94,91 % überschritten hatte.

    Ein offensichtliches Missverhältnis läge bei einer Überschreitung des Landesdurchschnitts der Vergleichsgruppe (Personen im IP-5-fähigen Alter je 100 Behandlungsfälle) um 100 % vor, weil lediglich eine Leistungssparte verglichen werde.

    Nach erneuter Überprüfung unter Heranziehung der Behandlungsunterlagen stellte der Beklagte fest, dass die IP-5-Leistungen sehr oft innerhalb einer kurzen Zeit wiederholt zum Ansatz gebracht wurden, ohne dass irgendwelche Angaben zur Notwendigkeit der Erneuerung innerhalb eines kurzen Zeitraums der Dokumentation des Zahnarztes zu entnehmen war. Die Wiederholung sämtlicher Versiegelungen lasse auf eine systematische Abrechnung schließen, die unwirtschaftlich sei. Dies wurde von dem Beklagten an verschiedenen Beispielen veranschaulicht. In dem streitigen Zeitraum wurden jeweils im I. bzw. II. und im III. bzw. IV. Quartal jeweils 8 bzw. 4 IP-5-Leistungen an denselben Zähnen abgerechnet, ohne dass in der Karteikarte hierfür eine Erklärung gefunden werden konnte. Weiter wurden vom Beklagten festgestellt, dass nach der Versiegelung einzelner Zähne innerhalb kurzer Zeit Füllungen gelegt worden seien. Gefüllte Zähne seien zudem anschließend versiegelt worden, ohne dass der ortsgetrennte Bereich von Füllungen und nicht kariöser Restfissurenversiegelung dokumentiert worden sei.

    Aufgrund der unzureichenden Dokumentation in den Karteikarten konnte sich der Beklagte nicht von der Notwendigkeit der Erneuerung der IP-5-Leistungen innerhalb eines kurzen Zeitraums bei sehr vielen Patienten überzeugen, so dass er sich auch nicht von einem wirtschaftlichen Ansatz der Leistungen überzeugen konnte. Vielmehr entstünde der Eindruck einer systematischen Abrechnung.

    Angesichts der Tatsache, dass Fissurenversiegelungen auch abplatzen können und kompensatorische Einsparungen bei der Füllungstätigkeit entstehen können, erkannte der Beklagte den Landesdurchschnitt der Vergleichsgruppe bei Patienten im IP-5-fähigen Alter plus 150 % als wirtschaftlich an. Der darüberhinausgehende Mehraufwand wurde abgesetzt.

    Die Erneuerung der Versiegelungen nach einer gewissen Zeit sei möglich, nicht jedoch, dass regelmäßig bei einem Patienten viele Versiegelungen defekt seien. Deshalb erfolge der Hinweis auf eine strengere Indikation beim Ansatz der Gebührennummer IP-5.

    Im weiteren Verlauf des Bescheides wurden bezogen auf jedes Quartal die Leistungen der IP-5 bei Patienten im IP-5-fähigen Alter im Landesdurchschnitt mit 150 % multipliziert. Von den abgerechneten Leistungen der IP-5 wurden anerkannte Leistungen der IP-5 subtrahiert und diese Leistungen mit den Punkten der IP-5 multiziert und diese sodann mit dem individuellen Punktwert multiziert. In der Summe errechnete sich ein unwirtschaftlicher Mehraufwand von 6.262,89 EUR. Da die Abrechnung der Klägerin bei den Gebührennummer IP-5 derart auffällig sei, wurde eine Beratung als nicht ausreichend angesehen.

    Wegen des Verbots der reformatio in peius blieb es bei der Entscheidung der Prüfungsstelle, wonach eine Kürzung des Honorars in Höhe von 4.863,81 EUR vorzunehmen sei. Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 1. März 2015 Klage erhoben.

    Beanstandet wird, dass der Prüfantrag der Beigeladenen zu 1. auf Seiten der Prüforgane ein Prüfungsermessen nach § 8 Abs. 3 der Prüfungsvereinbarung erfordere. Gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 der Prüfungsvereinbarung seien die Fälle zahlenmäßig zu begrenzen. Das Eröffnungsermessen wurde nirgends dargestellt. Vielmehr läge ein kompletter Ausfall des Ermessens vor.

    Nach der Prüfungsvereinbarung sei zwingend (§ 7 Abs. 3) eine Spartenfallwertprüfung durchzuführen. Insoweit sei nach der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu anderen Prüfarten unerheblich. Denn es existiere kein Ermessensspielraum.

    Eine Versiegelung in der Nachbarschaft von Füllungen sei nicht per se unzulässig. Unerheblich sei, dass eine mehrflächige Füllung gelegt wurde, wenn sie auch auf die okklusale Fläche sich beziehe.

    Eine Überschreitung des Gesamtfallwerts um 47,26 % läge unterhalb der "in der Rechtsprechung üblicherweise" gezogenen Grenzziehung zum offensichtlichen Missverhältnis.

    Die Leitlinie der DGZMK komme keinesfalls zu der dargelegten durchschnittlichen Liegedauer von Versiegelungen. Die Prüfungsvereinbarung kenne nur Spartenfallwertprüfungen (Prüfung nach Durchschnittswerten) und Einzelfallprüfungen (§ 9). Die Prüfung einer einzelnen Gebührennummer kenne die Prüfungsordnung nicht. Die Gebührennummer IP-5 gehöre in die Sparte der Individualprophylaxe.

    Die Klägerin beantragt,

    1. den Beschluss des Beklagten vom 20. Januar 2016 aufzuheben,

    2. den Beklagten zu verurteilen, über den Widerspruch des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Der Beklagte vertritt die Auffassung, dass die Abrechnung der Gebührennummer IP-5 derart auffällig sei, dass der Beklagte ausschließlich ein Prüfverfahren eröffnen konnte - auch vor dem Hintergrund der ständigen Verwaltungspraxis des Beklagten. Der Beklagte habe sich aufgrund dieser Verwaltungspraxis gebunden. Die Rechtsprechung des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen zur Spartenfallwertprüfung sei nicht heranzuziehen, weil vorliegend nur eine einzelne Gebührennummer geprüft werde. Hier seien nicht alle Leistungspositionen der Gebührentarife 1, 2 und 4 ausgewiesen und geprüft worden, sondern allein die Gebührennummer IP-5. Wegen des Gebots der effektiven Wirtschaftlichkeitsprüfung sei diese Prüfung vorliegend geboten gewesen. Der Entscheidungsfindung lagen neben den Gerichtsakten die Verwaltungsakten des Beklagten zugrunde. Auf deren Inhalt wird Bezug genommen.

    Entscheidungsgründe

    Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Der Beschluss des Beklagten vom 17. September 2014 erweist als rechtmäßig. Zutreffend ist eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage erhoben worden. Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG SozR 3-2500, § 106, Nr. 43, Seite 238). Dem Beschluss stehen keine formellen Bedenken gegenüber. Insbesondere begegnet die Eröffnung des Prüfungsverfahrens keinen Bedenken wegen etwaiger Ermessensfehler. Gemäß § 5 Abs. 2 der Prüfungsvereinbarung vom 2. Januar 2013 prüfen und entscheiden die Prüfeinrichtungen von Amts wegen oder auf Antrag einer Krankenkasse, eines Verbandes oder der KZVN, ob die von den Vertragszahnärzten abgerechneten oder veranlassten Leistungen den Bestimmungen über die Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit entsprechen. § 5 Abs. 2 der Prüfungsvereinbarung eröffnet für die Prüfungseinrichtungen bei einem Antrag der KZVN kein Prüfermessen. Es handelt sich vielmehr um eine gebundene Entscheidung. Etwas Anderes folgt auch nicht aus § 8 Abs. 3 der Prüfvereinbarung.

    Auf Antrag eines Vertragspartners kann unabhängig von der Auswahl des Auswahlausschusses gleichwohl ein Prüfverfahren gegen einen Vertragszahnarzt eröffnet werden. § 8 Abs. 3 der Prüfvereinbarung eröffnet eine weitere Möglichkeit zum Beginn der Prüfverfahren neben der Entscheidung des Auswahlausschusses. Den Vertragspartnern ist lediglich auferlegt, nach § 8 Abs. 3 Satz 2 der Prüfvereinbarung auf eine zahlenmäßige Beschränkung der Verfahren hinzuwirken. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass durch den Antrag der Beigeladenen zu 1. das Gebot der zahlenmäßigen Beschränkung nicht beachtet wurde. Die Prüfung der Gebührennummer IP-5 ist nicht durch die Prüfungsvereinbarung mit der vorgesehenen Spartenfallprüfung ausgeschlossen. Es kann dahingestellt bleiben, ob § 7 Abs. 2 der Prüfungsvereinbarung wegen Perplexität der Gesamtvereinbarung ohnehin nicht anwendbar ist. Gemäß § 7 Abs. 2 der Prüfungsvereinbarung werden für die Ermittlung der Spartenfallwerte alle Leistungen nach den BEMA-Tarifen 1, 2 und 4 je Abrechnungsposition ausgewiesen und durch die Zahl der abgerechneten Fälle geteilt. Die je Abrechnungsposition ermittelten Fallwerte werden sodann zu folgenden Spartenfallwerten addiert: BEMA-Tarif 1, BEMA-Tarif 2, BEMA-Tarif 4 je eine Sparte für diagnostische Leistungen, konservierende Leistungen, chirurgische Leistungen, sonstigen Leistungen, Kieferbruchleistungen und PAR-Leistungen. Was mit "je Abrechnungsposition" gemeint ist, erschließt sich nicht zweifelsfrei.

    Was durch die Subtraktion dieser Leistungen je Abrechnungsposition durch die Fallzahl und anschließender Addition der so ermittelten Fallwerte zu den Spartenfallwerten abgebildet werden soll, erschließt sich nicht. Dies kann vorliegend auch offenbleiben. Zwar sind grundsätzlich die Regeln der Prüfungsvereinbarung für die Beteiligten zu beachten. Denn bei der Prüfungsvereinbarung handelt sich um einen Normvertrag auf der Ebene des Gesamtvertrages. Zu den wesentlichen Merkmalen eines solchen Normvertrages gehört es, dass seine Regelungen für die von ihm betroffenen Beteiligten verbindlich sind. Eine Grenze besteht jedoch dann, wenn die Prüfungsvereinbarung gegen höherrangiges Recht verstößt, insbesondere mit den bundesrechtlichen Vorgaben zur effektiven Überwachung der Wirtschaftlichkeit der (zahn-)ärztlichen Leistungserbringer nicht vereinbar sind, sind sie nach den allgemeinen Regeln der Normhierarchie nichtig und damit auch für den Beklagten nicht maßgeblich (BSG SozR 4-2500, § 106, Nr. 8, RdNr. 16). Dies hat der Beklagte zur vollen Überzeugung des Gerichts vorliegend dargelegt. Zwar ist sowohl der Gesamtfallwert nur gering auffällig wie auch die Abrechnung in der Leistungssparte g des Gebührentarifs A zwar grundsätzlich im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses, jedoch nicht hochgradig auffällig. Diese Abrechnung wird umso auffälliger, wenn man berücksichtigt, dass mit Ausnahme der Gebührennummer IP-5 sämtliche anderen Individualprophylaxeleistungen weit unterdurchschnittlich abgerechnet wurden. Der Beklagte kann deshalb - auch um die Unwirtschaftlichkeit der Leistung vollständig abzuschöpfen - die Prüfung auf die Gebührennummer IP-5 beschränken. Dies ist sogar zum Abschöpfen der unwirtschaftlich erbrachten Leistungen geboten. Ausgewählte Prüfmethode ist vorliegend die Prüfung nach Durchschnittswerten. Maßgebliche Vergleichsgruppe sind die Vertragszahnärzte in Niedersachsen. Im Bereich der vertragszahnärztlichen Versorgung ist bedingt durch die weitgehende Übereinstimmung des Leistungsspektrums und die Beschränkung der Wirtschaftlichkeitsprüfung auf einen relativ eng begrenzten Leistungsbereich als Vergleichsgruppe die Gruppe der Vertragszahnärzte in Niedersachsen heranzuziehen (vgl. BSG E 62, 24 (28)). Eine weitere Verfeinerung der Vergleichsgruppe auf Vertragszahnärzte mit individualprophylaktischer Versorgung verbietet sich, da dadurch der statistische Fallkostendurchschnitt der Vergleichsgruppe entwertet würde. Denn die erhöhte Abrechnung der nicht budgetierten Individualprophylaxeleistungen kann auch auf einer unwirtschaftlichen Abrechnung beruhen. Methodisch hat die statistische Durchschnittsprüfung zwar den Mangel, dass keinesfalls erwiesen ist, dass der Durchschnittswert der Vertragszahnärzte wirtschaftlich abrechnet. Jedoch kann der Gesetzgeber davon ausgehen, dass die Ärzte im Allgemeinen nach den Regeln der ärztlichen Kunst verfahren und das Gebot der Wirtschaftlichkeit beachten. Eine Prüfung nach Durchschnittswerten setzt jedoch eine große Zahl vergleichbarer Zahnärzte voraus, um Rückschlüsse auf die Wirtschaftlichkeit im Einzelfall zuzulassen (Spellbrink, Wirtschaftlichkeitsprüfung im Kassenarztrecht, Hannover 1983, Seite 119 ff). Eine Beschränkung der Überprüfung der Wirtschaftlichkeit auf eine einzelne Gebührennummer (IP-5) ist rechtlich unbedenklich (vgl. z.B. BSG E 71, 195 (196)). Voraussetzung ist, dass es sich um Leistungen handelt, die für die betreffende Arztgruppe typisch sind, also von einem größeren Teil der Fachgruppenmitglieder regelmäßig in nennenswerter Zahl erbracht werden und somit eine ausreichende Vergleichsgrundlage abgeben (BSG a.a.O.). Es muss deshalb geprüft werden, ob die zur Verfügung stehenden Daten (Zahl, der die Leistung ausführenden Ärzte im Verhältnis zur Fachgruppe insgesamt; Anwendungshäufigkeit beim geprüften Arzt einerseits und den übrigen ausführenden Ärzten andererseits) einen statischen Vergleich überhaupt zulassen. In den geprüften Quartalen haben 84 bis 87 % der Vertragszahnärzte in Niedersachsen die Gebührennummer IP-5 abgerechnet. In 7,47 bis 11,09 % aller Behandlungsfälle wurde die Leistung in den streitigen Quartalen abgerechnet. In einem weiteren Schritt ist zu prüfen, ob und unter welchen Voraussetzungen diese Zahlen verlässliche Aussagen zur Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung zulassen. Die Beurteilung, ob und unter welchen Voraussetzungen aus den statistischen Zahlen verlässliche Aussagen zur Wirtschaftlichkeit ableitbar sind, hängt von der Art und dem Anwendungsbereich der jeweiligen Leistung sowie dem Behandlungsverhalten innerhalb der betreffenden Arztgruppe ab, also von Faktoren, die sich aufgrund medizinischer Kenntnisse und ärztlichen Erfahrungswissens beurteilen lassen (BSG a.a.O., Seite 197).

    Deshalb hat der Beklagte bei der Beantwortung dieser Frage einen Beurteilungsspielraum, der nur als rechtswidrig beurteilt werden kann, wenn nicht alle erheblichen Tatsachen berücksichtigt wurden und die daraus gezogenen Schlussfolgerungen sachlich nicht vertretbar sind (a.a.O.). Es ist nicht erkennbar, dass erhebliche Tatsachen bei der Beurteilung der Verlässlichkeit der statischen Aussage seitens des Beklagten unberücksichtigt geblieben sind. Die IP-5 ist eine für die Vertragszahnärzte in Niedersachsen typische Leistung, denn sie wird von 84 bis 87 % der niedersächsischen Vertragszahnärzte erbracht. In den streitigen Quartalen wurde die Leistung in 7,47 bis 11,09 % aller Behandlungsfälle abgerechnet. Dies erlaubt eine hinreichend genaue Aussage für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit der in Rede stehenden Leistung. Dies insbesondere deshalb, weil der Beklagte die Vergleichsgruppe auf Personen im IP-5 fähigen Alter reduziert hatte. Insoweit lagen statisch erheblich auffällige Abweichungen zum Landesdurchschnitt der Vergleichsgruppe zwischen 383,87 % und 637,10 % vor. Deshalb konnte der Beklagte ohne Verletzung seines Beurteilungsspielraums davon ausgehen, dass sich mit Hilfe der statischen Vergleichsprüfung hinreichend genaue Anhaltspunkte für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit der in Rede stehenden Leistung gewinnen ließ. Zutreffend hat der Beklagte keine Praxisbesonderheiten berücksichtigt. Die als Einwendung des Vertragszahnarztes ausgestalteten Praxisbesonderheiten setzen voraus, dass die aus dem Kostenvergleich begründete Vermutung der Unwirtschaftlichkeit durch in der Praxis der Klägerin liegende Umstände beseitigt wird, die eine andere als die nach den Zahlenverhältnissen sich aufdrängende Verursachung der erhöhten Abrechnung als durch Unwirtschaftlichkeit ernsthaft als möglich erscheinen lassen und damit die aufgrund der statistischen Wahrscheinlichkeitsaussage gewonnene Überzeugung im konkreten Fall erschüttern können (BSG SozR 3-2500, § 106, Nr. 11, Seite 55 (59)). Der Beweiswert der Statistik wird eingeschränkt oder aufgehoben, wenn bei der geprüften Arztpraxis besondere, einen höheren Behandlungsaufwand rechtfertigende Umstände vorliegen, die für eine zum Vergleich herangezogene Gruppe untypisch sind (BSG E 74, 70 (73)). Praxisbesonderheiten sind somit regelmäßig durch einen bestimmten Patientenzuschnitt charakterisiert. Dieser kann zum einen generell auf einer von der Regelpraxis abweichenden Zusammensetzung des Patientengutes beruhen oder zum anderen speziell durch eine spezifische Qualifikation des Arztes, etwa aufgrund einer Zusatzbezeichnung bedingt sein. Relevante Umstände können hier insbesondere in einer bevorzugten Anwendung bestimmter Untersuchungs oder Behandlungsmethoden bzw. in einer besonderen Praxisausrichtung liegen (BSG SozR 2200 § 368n Nr. 31, Seite 95 (103)). Eine derartige besondere Untersuchungs- und Behandlungsmethode kann vorliegend nicht festgestellt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Darlegungs und Feststellungslast für die Einwendungen grundsätzlich beim Vertragszahnarzt liegen.

    Es genügt hier nicht, dass der Vertragszahnarzt die Tatsachen, aus denen sich der atypische Verlauf ergeben soll, lediglich behauptet. Diese Tatsachen müssen vielmehr bewiesen werden (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 11, Seite 55 (59)). Die im Rahmen der intellektuellen Prüfung von dem Beklagten dargelegte Unwirtschaftlichkeit der Abrechnung durch den sehr oft innerhalb einer kurzen Zeit wiederholten Ansatz der IP-5 ohne ausreichende Dokumentation in den Behandlungsunterlagen bezüglich der medizinischen Notwendigkeit erfordert auf Seiten des Klägers grundsätzlich eine konkrete Einlassung im Verwaltungsverfahren hinsichtlich der Praxisbesonderheit (vgl. BSG Urteil vom 15.11.1995, Az. 6 RKa 58/94 RdNr. 26 zitiert nach juris). Hierzu wurde von Klägerseite im Verwaltungsverfahren nichts substantiiert dargelegt. Denn diese Besonderheiten liegen ausschließlich in der Sphäre der Klägerin und sind somit keine offenkundigen Tatsachen, die der Beklagte von Amts wegen berücksichtigen müsste. Als Praxisbesonderheit ist ein sehr hoher Ausländeranteil nicht zu berücksichtigen. Denn auch ein tatsächlich gegenüber der Vergleichsgruppe signifikant erhöhter Anteil von Patienten ausländischer Herkunft ist kein Umstand, der die Prüfgremien generell zur Anerkennung von Praxisbesonderheiten zwingt. Dies wäre nur dann denkbar, wenn der Ausländer-Status eines Patienten generell mit anderen, vor allem schwerwiegenderen Gesundheitsstörungen als bei Patienten deutscher Herkunft verbunden wäre, die wiederum aus medizinischen Gründen regelmäßig einen erhöhten Behandlungsaufwand erfordern müssten (BSG SozR 3-2500, § 106, Nr. 49, Seite 259). Das an der Staatsangehörigkeit anknüpfende Merkmal "Ausländer" ist kein Kriterium, das generell einen erhöhten, medizinisch indizierten Bedarf für die Erbringung zahnärztlicher Leistungen rechtfertigt. Vielmehr wäre die Klägerin konkret gezwungen darzulegen, inwieweit die behandelten Ausländer zuvor nicht medizinisch versorgt wurden, denn für den Regelfall ausländischer Migranten kann von einer normalen zahnmedizinischen Versorgung ausgegangen werden.

    Die Sonderfälle wären konkret vom der Klägerin darzulegen. Auch eine geringe Fallzahl stellt keine Praxisbesonderheit dar. Dies wäre lediglich dann der Fall, wenn die geringe Fallzahl aufgrund der besonderen Schwierigkeit der konkreten Behandlungen notwendig ist sowie der im Einzelfall erforderlichen erheblichen Dauer der Behandlung. Hierzu hat die Klägerin nichts vorgetragen. Nach Aktenlage existieren hierfür auch keine Anhaltspunkte. Jedenfalls sind IP-5-Leistungen keine derartigen Leistungen. Zutreffend hat der Beklagte keine kompensatorischen Einsparungen berücksichtigt. Soweit nur bei einzelnen Leistungspositionen ein offensichtliches Missverhältnis vorliegt, kann die daraus resultierende Vermutung der Unwirtschaftlichkeit auch durch einen Minderaufwand in anderen Leistungssparten oder bei veranlassten Leistungen entkräftet werden (BSG SozR 2200, § 368n, Nr. 43, Seite 143 (144)). Die Anerkennung kompensatorischer Einsparungen setzt nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts voraus, dass zwischen dem Mehraufwand auf der einen und den Kostenunterschreitungen auf der anderen Seite ein kausaler Zusammenhang besteht (BSG E 17, 79 (86)). Die Prüfgremien haben im Einzelfall zu ermitteln, in welchen Leistungsbereichen überhaupt Einsparungen zu verzeichnen sind; sodann hat der Vertragszahnarzt substantiiert darzulegen, inwieweit ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den Einsparungen und dem Mehraufwand besteht (BSG SozR 3-2500, § 106, Nr. 57, Seite 316 (325)). Einsparungen, die nicht statistisch greifbar sind, sondern von den Zahnärzten nur behauptet werden, können nicht berücksichtigt werden. Vielmehr hat der Vertragszahnarzt substantiiert darzulegen, inwieweit ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den Einsparungen und dem Mehraufwand besteht. In Betracht käme vorliegend allenfalls ein verminderter Aufwand bei Füllungen. Eine Kausalität zwischen einem vermehrten Aufwand bei IP-5-Leistungen und einem verminderten Aufwand bei Füllungsleistungen kann schon deshalb nicht vorliegenden, weil auch die Füllungsleistungen überdurchschnittlich abgerechnet wurden. Insoweit wäre es Aufgabe der Klägerin gewesen, konkret im Einzelfall darzulegen, welche Füllungsleistungen durch eine vermehrte Individualprophylaxe vermieden worden sind. Dies dürfte jedoch nicht möglich sein. Im Rahmen der intellektuellen Vergleichsprüfung hat der Beklagte zutreffend berücksichtigt, dass zum Teil innerhalb kurzer Zeit nach der Versiegelung der Zahnflächen Füllungen vorgenommen wurden. Zum Teil wurden innerhalb kurzer Zeit nach einer Füllung Versiegelungen vorgenommen. Die Kläger haben demgemäß den Mehraufwand im Bereich der Leistungen der IP-5 nicht durch einen Minderaufwand im Bereich von Füllungen belegt. Der Beklagte hat im Rahmen des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums für das Gericht nicht überprüfbar dargelegt, dass die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis der Leistungsabrechnung der Klägerin bei einer Überschreitung des Landesdurchschnitts der Vergleichsgruppe (Versicherte im IP-5 fähigen Alter) plus 100 % des Landesdurchschnitts der Vergleichsgruppe angenommen werden kann. Diese Grenzziehung zum offensichtlichen Missverhältnis begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Berücksichtigt wurde hierbei, dass die relevante Vergleichsgruppe ausschließlich aus Personen besteht, die tatsächlich mit der Abrechnung der Klägerin vergleichbar sind, weil ausschließlich Behandlungsfälle berücksichtigt wurden, die Versicherte im IP-5 fähigen Alter betrafen. Durch diese Verfeinerung der Vergleichsgruppe im Rahmen der Ermittlung des offensichtlichen Missverhältnisses wurde zudem der atypischen Altersstruktur Rechnung getragen. Ferner wurden kompensatorische Einsparungen im Bereich der Füllungstätigkeit vorliegend bei der Schätzung des unwirtschaftlichen Mehraufwandes geprüft und abgelehnt. Ebenso wurden Praxisbesonderheiten geprüft und abgelehnt. Ausgangspunkt der Bestimmung der Grenze zum offensichtlichen Missverhältnisses bei einer Einzelleistung (Gebührennummer IP-5) konnte dabei sein, dass die Abrechnung der Leistung der IP-5 im vorliegenden Umfang zahnmedizinisch nicht nachvollziehbar ist, wie der Beklagte für das Gericht nachvollziehbar dargelegt hatte. Bei der Schätzung des unwirtschaftlichen Mehraufwandes auf den Landesdurchschnitt der Vergleichsgruppe plus 150 % der spezifizierten Vergleichsgruppe ist wiederum ausreichend berücksichtigt worden, dass die Klägerin im Bereich der übrigen konservierend-chirurgischen Leistungen überwiegend unterdurchschnittlich abgerechnet hatte. Ferner wurde weiter berücksichtigt, dass kompensatorische Einsparungen aufgrund der fehlenden Darlegung der Klägerin nicht quantifizierbar waren, so dass sie nicht berücksichtigt werden konnten. Weiter wurde berücksichtigt, dass die Praxisbesonderheiten ebenfalls nicht substantiiert dargelegt und bewiesen wurden.

    Ermessen wurde vorliegend dergestalt ausgeübt, dass eine Beratung nicht als ausreichend angesehen wurde. Gemäß § 106 SGB V i.d.F. vom 19. Oktober 2012 berät die in Abs. 4 genannte Prüfungsstelle in erforderlichen Fällen die Vertragsärzte auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum erbrachten Leistungen bei Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung. Wegen des Gebotes der effektiven Wirtschaftlichkeitsprüfung kann jedoch eine unterbliebene Beratung nicht dazu führen, dass die Prüfungsmaßnahme unterbleibt. Grundsätzlich ist eine fehlende Beanstandung eines Vertragszahnarztes in der Vergangenheit nicht geeignet, Vertrauensschutz zu begründen (vgl. Engelhardt in Hauck-Noftz, § 106, RdNr. 63). Grundsätzlich ist nämlich der Beklagte verpflichtet, eine unwirtschaftliche Leistungserbringung abzuschöpfen. Die Unwirtschaftlichkeit der regelmäßigen Erneuerung nahezu sämtlicher Versiegelungen ist dies spiegelt sich in der Vergleichsgruppenstatistik für den sorgfältig abrechnenden Vertragszahnarzt erkennbar unwirtschaftlich. Zutreffend hat der Beklagte den Gesamtfallwert mit in die Betrachtung einbezogen. Dies ergibt sich aus der Begründung des Beschlusses. Beim Gesamtfallwert lagen Abweichungen zum Gesamtfallwert der Vergleichsgruppe zwischen 30,51 % und 61,68 % vor, so dass die Gesamtkosten den Landesdurchschnitt der Vergleichsgruppe zumindest nicht unerheblich überschritten. Eine Verfeinerung der Vergleichsgruppe ist deshalb nicht ausgeschlossen. Vielmehr erfordert das Gebot der effektiven Wirtschaftlichkeitsprüfung - wie oben ausgeführt - bei wirtschaftlich nicht nachvollziehbaren Abrechnungen einzelner Gebührennummern eine Reduzierung der Abrechnung auf das Maß des Wirtschaftlichen. Der Beklagte hat - wie oben ausgeführt - sorgfältig dargelegt, warum trotz des nahezu unauffälligen Gesamtfallwertes die Überschreitung bei der Gebührennummer IP-5 auch unter Berücksichtigung der Altersgruppe der behandelten Versicherten statistisch hoch auffällig war.

    Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

    RechtsgebietSGB VVorschriften§ 106 SGB V