01.02.2007 | Forderungsmanagement
Vorteile und Voraussetzungen des gerichtlichen Mahnverfahrens
Viele kleine und mittelständische Unternehmen leiden unter der schlechten Zahlungsmoral ihrer Kunden. Dabei sind es häufig die größeren Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen, die ihre Rechnungen erst lange Zeit nach Fälligkeit begleichen. Schützen Sie Ihre Mandanten vor der daraus drohenden Zahlungsunfähigkeit. Das gerichtliche Mahnverfahren ist eine durchaus attraktive Alternative zum Klageverfahren. Wehrt sich der Schuldner nicht gegen die ihm gegenüber erhobene Forderung, so kann relativ schnell, d.h. im Idealfall in sechs bis sieben Wochen ein Vollstreckungstitel erwirkt werden. Dieser ermöglicht sodann die Zwangsvollstreckung in das gesamte Vermögen des Schuldners. Der folgende Beitrag zeigt auf, welche Voraussetzungen dafür gegeben sein müssen und welche Vorteile dieses Verfahren gegenüber dem Klageverfahren besitzt.
1. Vorteile des Mahnverfahrens
Das Mahnverfahren ist ein relativ einfaches Verfahren, dessen Einleitung unter Verwendung von amtlich vorgeschriebenen Vordrucken erfolgt. Anders als beim Klageverfahren sind deshalb keine vertieften juristischen Kenntnisse für die Beantragung eines Mahnbescheids notwendig. Während beim Klageverfahren Fehler bei der Formulierung der Klage die Gefahr einer Klageabweisung nach sich ziehen, erfolgt bei einem nicht korrekt oder vollständig ausgefüllten Mahnbescheidsantrag zunächst eine so genannte Monierung durch das Mahngericht, mit der dem Gläubiger die Möglichkeit der Nachbesserung gegeben wird.
Im Vergleich zum Klageverfahren handelt es sich grundsätzlich um das deutlich kostengünstigere Instrument. Während für das streitige Verfahren regelmäßig drei Gerichtsgebühren entstehen, ist dies beim Mahnverfahren lediglich eine 0,5 Gebühr, mindestens jedoch 23 EUR. Wird ein Anwalt eingeschaltet, was im Mahnverfahren nicht zwingend erforderlich ist, so erhält dieser für das gesamte Verfahren einschließlich des Antrags auf Erlass eines Vollstreckungsbescheids insgesamt eine 1,5 Gebühr, während im Klageverfahren gemeinhin insgesamt 2,5 Gebühren entstehen.
Beispiel | ||||||||||||
Unternehmer U hat eine Forderung in Höhe von 3.500 EUR gegenüber Schuldner S. Er überlegt, ob er einen Mahnbescheid beantragen oder ob Klage erhoben werden soll und vergleicht das mögliche Kostenrisiko beider Verfahren.
|
2. Voraussetzungen des Verfahrens
Das Mahnverfahren kann nicht bei jeder Art von Ansprüchen eingeleitet werden. Nach § 688 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) kann der Erlass eines Mahnbescheids nur beantragt werden wegen eines Anspruchs, der die Zahlung einer bestimmten Geldsumme in EUR zum Gegenstand hat. Dies bedeutet, dass mit dem Mahnbescheidsantrag ein bestimmter Geldbetrag in der Europäischen Gemeinschaftswährung verfolgt werden muss.
Nicht Gegenstand eines Mahnbescheides können also unbezifferte Anträge sein, z.B. der Antrag, ein „angemessenes“ Schmerzensgeld zuzuerkennen. Ebenfalls nicht mit Mahnbescheid verfolgen kann man Ansprüche, die sich auf ein Handeln, Dulden oder Unterlassen begründen, also z.B. einen Antrag, den Antragsgegner zur Herausgabe eines Gegenstandes, zur Abgabe einer Willenserklärung oder auch zur ordnungsgemäßen Befestigung einer Grundstückszufahrt zu verpflichten. Genauso wenig ist es möglich, im Mahnverfahren Feststellungsbegehren zu verfolgen.
Beispiel |
Unternehmer U hat von Lieferant L eine Warenwirtschaftssoftware bezogen. Wegen eines Softwarefehlers kommt es zu fehlerhaften Meldungen über Warenbestände. Aufgrund dessen sagt U seinen Kunden Liefertermine zu, die er jedoch nicht einhalten kann, da anders, als von der Software angegeben, bestimmte Waren nicht im Lager vorrätig sind. Verschiedene Kunden sind an U herangetreten, um von diesem Schadenersatz zu verlangen. U kann zunächst nicht beurteilen, ob weitere Kunden Ansprüche ihm gegenüber geltend machen wollen und wenn ja, in welcher Höhe dies geschehen wird. Wegen drohender Verjährung möchte er jedoch erreichen, dass L verpflichtet wird, auch solche zukünftigen Schäden auszugleichen.
Diesem Interesse des U könnte in einem Klageverfahren mittels einer Feststellungsklage entsprochen werden. Begehrt wird in diesem Verfahren die Feststellung, dass L verpflichtet ist, sämtliche Schäden, die U dadurch entstehen, dass er von seinen Kunden in Anspruch genommen wird, auszugleichen. Im Mahnverfahren ist dies nicht möglich, da hier lediglich Zahlungsansprüche verfolgt werden können. |
Hinweis: Schließlich sind auch Gestaltungsansprüche nicht im Mahnverfahren verfolgbar.
Nach § 688 Abs. 2 ZPO bestehen weitere Beschränkungen für das Mahnverfahren. Danach kann dieses nicht eingeleitet werden, wenn mit ihm Ansprüche eines Unternehmers aus einem Verbraucherdarlehensvertrag verfolgt werden sollen und der effektive oder anfängliche effektive Jahreszins um mehr als 12 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz bei Vertragsschluss lag. Ebenfalls nicht verfolgt werden können Zahlungsansprüche, die von einer noch nicht erbrachten Gegenleistung abhängig sind.
Beispiel |
Unternehmer U hat mit seinem Kunden K einen Vertrag über die Errichtung einer Halle geschlossen. Da U dafür im erheblichen Umfang Material einkaufen muss, wendet er sich an K, um von diesem Vorauskasse zu verlangen. Eine entsprechende Regelung über Vorauszahlungen des K ist im Bauvertrag nicht enthalten.
U ist der Auffassung, dass es ihm nicht zuzumuten sei, den Einkauf des Materials vorzufinanzieren und will daher K zur Zahlung des entsprechenden Betrages verpflichten.
Bei einem Bauvertrag handelt es sich um einen Werkvertrag. Bei diesem ist der Werklohn bei der Abnahme des Werks zu entrichten (§ 641 Abs. 1 BGB). Die Abnahme wiederum setzt die Fertigstellung des Werkes, also die Erbringung der Gegenleistung durch den Werkunternehmer voraus.
Da U diese Gegenleistung noch nicht erbracht hat, kann er keinen Mahnbescheid beantragen. |
3. Ablauf des Verfahrens
Das Mahnverfahren beginnt nach § 690 ZPO mit einem Antrag des Gläubigers. Dieser muss die dort im Einzelnen aufgeführten Inhalte haben:
- Bezeichnung der Parteien, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Prozessbevollmächtigten;
- Bezeichnung des Gerichts, bei dem der Antrag gestellt wird;
- Bezeichnung des Anspruchs unter gesonderter und einzelner Bezeichnung von Haupt- und Nebenforderungen sowie bei Ansprüchen aus Verbraucherkreditverträgen des Datums des Vertragsschlusses und des anzugebenden effektiven oder anfänglichen effektiven Jahreszinses;
- die Erklärung, dass der Anspruch nicht von einer Gegenleistung abhängt oder diese bereits erbracht ist;
- Bezeichnung des Gerichts, das für das streitige Verfahren zuständig ist.
Dieser Antrag ist handschriftlich zu unterzeichnen.
Liegen die Voraussetzungen für das Mahnverfahren vor und ist der Antrag ordnungsgemäß ausgefüllt worden, so ergeht der Mahnbescheid. Dabei nimmt das Mahngericht lediglich eine formelle, aber keine inhaltliche Prüfung vor. Dies bedeutet, das Gericht beschäftigt sich nur mit der Frage, ob der geltend gemachte Anspruch überhaupt im Mahnverfahren verfolgt werden kann und ob die formellen Anforderungen an den Antrag gewahrt worden sind. Die Frage, ob der geltend gemachte Anspruch besteht, wird jedoch vom Mahngericht nicht geprüft.
Der Mahnbescheid wird dem Antragsgegner zugestellt, der sodann die Möglichkeit hat, innerhalb einer Frist von zwei Wochen Widerspruch hiergegen einzulegen. Die vorstehend genannte Frist von zwei Wochen ist eine Mindestfrist, die sich nicht auf den ersten Blick aus dem Gesetz ergibt. Sie folgt daraus, dass dem Antragsgegner im Mahnbescheid eine Frist von zwei Wochen zur Begleichung seiner Schuld eingeräumt wird (§ 692 Abs. 1 Nr. 3 ZPO). Der Antrag auf Erlass eines Vollstreckungsbescheides kann jedoch nicht vor Ablauf dieser Frist gestellt werden (§ 699 Abs. 1 S. 2 ZPO). Daraus, dass der Antragsgegner Widerspruch einlegen kann, bis der Vollstreckungsbescheid verfügt ist (§ 694 Abs. 1 ZPO), und dessen Beantragung eben erst nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist erfolgen kann, ergibt sich die genannte Widerspruchsfrist.
Erfolgt kein Widerspruch, so ergeht auf Antrag ein Vollstreckungsbescheid. Gegen den Vollstreckungsbescheid hat der Antragsgegner nun die Möglichkeit des Einspruchs (§ 700 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 338 ZPO). Die Einspruchsfrist beträgt zwei Wochen. Wird ein Einspruch eingelegt, so gibt das Mahngericht das Verfahren von Amts wegen an das Gericht ab, das im Mahnbescheidsantrag als zuständig für das streitige Verfahren bezeichnet wurde. In diesem Fall muss zur Fortführung des Verfahrens der Anspruch vom Gläubiger begründet werden und es folgt das streitige Verfahren, das auch mit einer Klage eingeleitet worden wäre.
Erfolgt ein Einspruch nicht, so wird der Vollstreckungsbescheid rechtskräftig und stellt einen Vollstreckungstitel dar. In diesem Fall ist im gesamten Verfahren das tatsächliche Bestehen des geltend gemachten Zahlungsanspruchs nicht geprüft worden. Denn auch beim Erlass des Vollstreckungsbescheids findet durch das Mahngericht keine inhaltliche Prüfung statt.
4. Wann macht das Mahnverfahren Sinn?
Wie bereits dargestellt, handelt es sich beim Mahnverfahren im Vergleich zum Klageverfahren um eine kostengünstigere Alternative. Dies jedoch nur dann, wenn das Mahnverfahren tatsächlich bis zur Rechtskraft des Vollstreckungsbescheids führt. Ergeht Widerspruch oder Einspruch, so ist das Mahnverfahren ins streitige Verfahren überzuleiten bzw. wird von Amts wegen übergeleitet, so dass der Kostenvorteil verloren geht, da dann für dieses Verfahren die Gebühren entstehen, die auch bei Einleitung durch eine Klage entstanden wären. Tatsächlich ergibt sich sogar ein Kostennachteil, da bei den Rechtsanwaltsgebühren die im Mahnverfahren entstandene 0,5 Gebühr für die Beantragung des Vollstreckungsbescheids nicht auf das streitige Verfahren angerechnet wird und somit hinzuzurechnen ist.
Sinnvoll ist ein Mahnverfahren also immer dann, wenn nicht damit zu rechnen ist, dass sich der Antragsgegner zur Wehr setzen wird, mit anderen Worten: Mit Widerspruch oder Einspruch nicht zu rechnen ist. Dies darf jedoch nicht so verstanden werden, als sei das Mahnverfahren ein probates Mittel, einen Titel gegen einen nicht auffindbaren Schuldner in die Welt zu setzen. Ist der Schuldner nicht auffindbar, so kann ihm der Mahnbescheid gar nicht zugestellt werden. In einem Klageverfahren ist dieses Problem dadurch zu lösen, dass die Klage öffentlich zugestellt wird. Im Mahnverfahren hingegen kommt eine öffentliche Zustellung nach § 688 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht in Betracht.
Ebenfalls sinnvoll und häufig verwandt ist das Mahnverfahren, um die Verjährung eines Anspruchs zu hemmen. Da nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB die Zustellung des Mahnbescheids im Mahnverfahren die Verjährung hemmt, kann durch das Mahnverfahren eine drohende Verjährung abgewendet werden. Zwar hat nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB die Klage dieselbe Wirkung, jedoch ist die Vorbereitung und Erhebung einer Klage zeitaufwendiger, so dass häufig das schnell einzusetzende Mittel des Mahnbescheids favorisiert wird.
Ein weiterer Vorteil liegt darin, dass durch das Mahnverfahren die so genannte obligatorische Streitschlichtung umgangen werden kann. Seit einigen Jahren bedarf es nach § 15a EGZPO sowie den entsprechenden landesgesetzlichen Regelungen vor Erhebung einer Klage der Durchführung eines Schlichtungsversuchs vor einer anerkannten Schlichtungsstelle. Dies ist dann notwendig, wenn es sich um Streitigkeiten vor den Amtsgerichten über Ansprüche von nicht mehr als 750 EUR, um nachbarrechtliche Streitigkeiten sowie um Streitigkeiten wegen ehrverletzender Äußerungen zwischen Privatpersonen handelt. Wird wegen solcher Ansprüche eine Klage erhoben, ohne dass zuvor ein Schlichtungsversuch unternommen wurde, ist die Klage unzulässig. Im ersten der drei genannten Fälle, bei dem es ja um Zahlungsansprüche geht, kommt statt der Klageerhebung auch die Beantragung eines Mahnbescheides in Betracht. Wird dieses Verfahren gewählt, bedarf es nicht des vorherigen Streitschlichtungsversuchs.
Mitunter kann auch eine taktische Überlegung zur Einleitung des Mahnverfahrens führen. In manchen Fällen muss einem Schuldner klargemacht werden, dass der Gläubiger es mit seiner Forderung tatsächlich ernst meint. Dabei zeigt sich, dass privatschriftliche Mahnungen, auch wenn sie als letzte oder dringende Zahlungsaufforderung bezeichnet werden, oft weniger überzeugend wirken als ein Mahnbescheid. Es ist immer wieder zu beobachten, dass hartnäckige Schuldner, die zuvor jede Mahnung und jedes Bemühen des Gläubigers ignoriert haben, aktiv werden, wenn sie einen Mahnbescheid erhalten. Noch überzeugender und mit mehr Druck versehen ist regelmäßig eine Klage. Diese führt jedoch, wie dargestellt, zu einem höheren Kostenrisiko.
5. Fazit
Das gerichtliche Mahnverfahren ist ein relativ einfaches Instrument, um Zahlungsansprüche titulieren zu lassen. Es ist zudem im Vergleich zur Klage das deutlich kostengünstigere Verfahren. Sein Gegenstand können aber nur Zahlungsansprüche sein, d.h. der gesamte Bereich der Handlungs-, Duldungs-, Unterlassungs- und Feststellungsansprüche muss im Klageverfahren verfolgt werden.
Sinnvoll ist die Beantragung eines Mahnverfahrens immer dann, wenn mit einer Gegenwehr des Schuldners nicht zu rechnen ist, dieser aus einer passiven Verweigerungshaltung heraus bewegt werden soll, ein obligatorisches Schlichtungsverfahren umgangen werden soll oder schnell verjährungshemmende Maßnahmen ergriffen werden müssen.