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  • 12.02.2008 | Haftung

    Nachhaftungsrisiken für OHG-Gesellschafter

    von RA Dr. Jochen Blöse, MBA, Mediator (CfM), Köln

    Die Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft sind gemäß § 128 HGBeiner scharfen Haftung ausgesetzt. Sie haften für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern gegenüber als Gesamtschuldner persönlich. Während diese Situation den Betroffenen für den Zeitraum, in dem sie Gesellschafter sind, üblicherweise geläufig ist, ist es deutlich weniger bekannt, dass eine Haftung auch noch nach Ausscheiden aus der Gesellschaft gegeben ist. Nach § 160 Abs. 1 HGB besteht eine Nachhaftung für Verbindlichkeiten, die bis zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus der Gesellschaft entstanden sind. Die Dauer der Nachhaftung beträgt fünf Jahre. Wichtig ist, ab welchem Zeitraum diese Frist zu laufen beginnt. Mit dieser Frage hat sich der BGH in einer jüngst gefällten Entscheidung beschäftigt.  

    1. Grundsätzliche Rechtslage

    Die für die Nachhaftung eines oHG-Gesellschafters maßgebliche Rechtsgrundlage ist der vorstehend genannte § 160 HGB. Danach besteht die Nachhaftung unter der Voraussetzung, dass  

     

    • es sich um eine Verbindlichkeit handelt, die im Zeitpunkt des Ausscheidens des Gesellschafters bereits entstanden war,
    • die vor Ablauf einer Frist von fünf Jahren nach dem Ausscheiden fällig geworden ist und
    • der Anspruch gegen den ausgeschiedenen Gesellschafter rechtskräftig festgestellt, Gegenstand eines vollstreckbaren Vergleichs oder einer vollstreckbaren Urkunde ist oder zur Insolvenztabelle festgestellt wurde.

     

    Die 5-Jahres-Frist beginnt nach der gesetzlichen Bestimmung mit Ende des Tages, an dem das Ausscheiden des Gesellschafters in das Handelsregister eingetragen wird. Damit scheinen Frist und Fristbeginn eindeutig geregelt zu sein. Es stellt sich jedoch in der Praxis immer wieder die Frage, wie zu verfahren ist, wenn die fragliche oHG nicht in das Handelsregister eingetragen wurde und daher auch das Ausscheiden eines Gesellschafters nicht eintragbar ist. 

    2. Nachhaftung bei fehlender Eintragung

    In welchem Zeitpunkt in solchen Fällen die 5-Jahres-Frist beginnt, wird unterschiedlich beurteilt. In der Literatur wird vielfach angenommen, dass die Eintragung des Ausscheidens des Gesellschafters eine unabdingbare und konstitutive Voraussetzung für den Beginn der 5-Jahres-Frist sei (siehe z.B. Baumbach/Hopt, HGB, § 160, Rn. 2 i.V.m. § 169, Rz. 6 m.w.N.). Konsequenz dieser Auffassung ist, dass in den hier angesprochenen Fällen zunächst die Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister nachgeholt werden muss, um sodann das Ausscheiden eines Gesellschafters eintragen zu können. 

     

    Der BGH hat sich dieser Auffassung jedenfalls für solche Fälle, in denen ein Gläubiger Kenntnis von dem Umstand des Ausscheidens des Gesellschafters hat, nicht angeschlossen. In seiner Entscheidung vom 24.9.07 (II ZR 284/05, DB 07, 2586) hatte der BGH über folgenden Sachverhalt zu entscheiden: 

     

    Eine Bank nahm eine ehemalige oHG-Gesellschafterin auf Darlehensrückzahlung in Anspruch. Darlehensnehmerin war eine oHG, die im Rechtsverkehr allerdings immer als GbR auftrat. Mit dieser oHG hatte die Klägerin im Jahr 1996 einen Darlehensvertrag geschlossen. Zwei Jahre später teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie zum 1.1.98 aus der Gesellschaft ausgeschieden sei. Da es an der Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister mangelte, wurde auch das Ausscheiden nicht eingetragen. Nachdem die oHG ab Herbst 2003 ihrer Verpflichtung zur Tilgung des Darlehens nicht mehr nachgekommen war, hatte die Klägerin zu Beginn des Jahres 2004 die bestehenden Rückstände gegenüber der als Gesellschafterin ausgeschiedenen Beklagten und auch gegenüber den ehemaligen Mitgesellschaftern angemahnt. Nachdem diese Mahnungen erfolglos geblieben waren, wurde der Darlehensvertrag im Mai 2004 durch Erklärung gegenüber den Gesellschaftern und auch gegenüber der Beklagten gekündigt. Mitte 2004 wurde die Beklagte dann klageweise auf Darlehensrückzahlung in Anspruch genommen. 

     

    Der BGH hat festgestellt, dass sich die Beklagte gegenüber dieser Inanspruchnahme auf den Ablauf der Nachhaftungsfrist berufen könne. Im konkreten Falle scheitere dies nicht daran, dass der Fristbeginn nach der gesetzlichen Vorschrift des § 160 Abs. 1 S. 2 HGB erst am Tag nach der Eintragung des Ausscheidens ins Handelsregister erfolge. Da die klagende Gläubigerin durch die Mitteilung der Beklagten aus dem Jahre 1998 positive Kenntnis vom Ausscheiden zum 1.1.98 gehabt hat, habe die 5-Jahres-Frist mit Vorliegen dieser positiven Kenntnis begonnen. 

     

    Der BGH begründet seine Auffassung damit, dass nach dem Willen des Gesetzgebers die Rechtslage bei GbR und oHG gleich gestaltet sei. Im Recht der GbR findet sich in § 736 Abs. 2 BGB hinsichtlich der Nachhaftung lediglich der Verweis auf die für Personenhandelsgesellschaften geltenden Regelungen. Allerdings kann dies keine vollständige Verweisung, also insbesondere auch nicht eine solche auf die Regeln über den Beginn der 5-Jahres-Frist sein. Dies folgt daraus, dass eine GbR nicht ins Handelsregister eintragungsfähig ist und somit für die Frage des Beginns der Frist auch nicht auf die Eintragung des Ausscheidens eines Gesellschafters abgestellt werden kann. Daher wird nach ganz allgemeiner Auffassung bei der GbR für den Fristbeginn auf den Zeitpunkt abgestellt, zu dem der jeweilige Gläubiger vom Ausscheiden des Gesellschafters Kenntnis erlangt hat (Ulmer, Gesellschaft bürgerlichen Rechts und Partnerschaftsgesellschaft, § 736, Rz. 27 m.w.N.). Davon ausgehend, dass der Gesetzgeber insoweit keine Differenzierung zwischen GbR und oHG vornehmen wollte, kommt der BGH zu dem Schluss, dass jedenfalls bei offenen Handelsgesellschaften, die nicht im Handelsregister eingetragen sind, ebenfalls auf den Zeitpunkt der Kenntnis abzustellen ist. 

     

    Neben dem Gleichlauf der Rechtslage stellt der Gerichtshof weiterhin darauf ab, dass es eine sachlich nicht zu rechtfertigende Besserstellung der Gesellschaftsgläubiger einer oHG im Verhältnis zu den Gläubigern einer BGB-Gesellschaft sei, wenn in Fällen wie dem vorliegenden die Handelsregistereintragung ausschlaggebend sei. Der BGH rundet seine Erwägungen schließlich mit dem Hinweis darauf ab, dass die Berufung eines Gläubigers auf die fehlende Eintragung des Ausscheidens eine zweckwidrige Ausnutzung einer formalen Rechtsposition sei, wenn er positive Kenntnis von der einzutragenden Tatsache habe. 

    3. Notwendige Maßnahmen beim Ausscheiden aus einer oHG

    Trotz der jetzt vorliegenden Entscheidung sollte ein oHG-Gesellschafter, der aus seiner Gesellschaft ausgeschieden ist, auf die Eintragung seines Ausscheidens drängen. Zum einen trifft ihn im Streitfall die Beweislast dafür, dass der Gläubiger, der ihn in Anspruch genommen hat, tatsächlich positive Kenntnis von der Tatsache seines Ausscheidens hat. Zum anderen müsste er zur Sicherheit jeden Gläubiger, der zum Zeitpunkt seines Ausscheidens Ansprüche gegen die Gesellschaft hat, in Kenntnis setzen. Neben dem damit verbundenen, gegebenenfalls erheblichen, Aufwand besteht unter Umständen noch die Schwierigkeit, dass dem Gesellschafter nicht alle Gläubiger bekannt sind.  

     

    Zwar können gegenüber den ehemaligen Mitgesellschaftern Schadenersatzansprüche entstehen, wenn diese den Ausscheidenden nicht oder unzureichend über die vorhandenen Gesellschaftsgläubiger informieren. Die Verfolgung dieser Ansprüche ist jedoch mit erheblichen rechtlichen Risiken verbunden und daher im Vergleich zur Enthaftung infolge Handelsregistereintragung nur ein Mittel der Schadensbegrenzung. 

    4. Zusammenfassung

    • Die Gesellschafter einer oHG – und auch einer GbR – haften für bestimmte Verbindlichkeiten der Gesellschaft auch noch für einen Zeitraum von 5 Jahren nach ihrem Ausscheiden.

     

    • Nach der gesetzlichen Regelung des § 160 Abs. 1 S. 2 HGB beginnt diese 5-Jahres-Frist am Tag nach der Eintragung des Ausscheidens des Gesellschafters ins Handelsregister.

     

    • Ist eine oHG nicht im Handelsregister eingetragen und kann deshalb auch das Ausscheiden eines Gesellschafters nicht eingetragen werden, ist streitig, wann die 5-Jahres-Frist beginnt. Der BGH hat nun entschieden, dass gegenüber einem Gläubiger, der positive Kenntnis von der Tatsache des Ausscheidens hat, die 5-Jahres-Frist mit Eintritt dieser Kenntnis beginnt.

     

    • Auch nach der nunmehr vorliegenden Entscheidung des BGH empfiehlt es sich für ausscheidende oHG-Gesellschafter zur Vermeidung von Unsicherheiten darauf zu drängen, dass die Tatsache ihres Ausscheidens ins Handelsregister eingetragen wird.

     

    Quelle: Ausgabe 02 / 2008 | Seite 30 | ID 117514