· Fachbeitrag · Fristen und Fristverlängerung
Strafbarkeit wegen verspäteter Erstellung von Jahresabschlüssen
von Thomas Uppenbrink, Hagen
| Jahresabschlüsse - hier sind Bilanzen oder Einnahme- und Überschussrechnungen gemeint - müssen konsequent im Rahmen der vom Gesetzgeber vorgegebenen Fristen erstellt werden, die im HGB festgelegt sind (drei bzw. sechs Monate nach Jahresende). Die Wahrung dieser Fristen ist speziell im Fall der Insolvenz strafrechtlich höchst relevant. Entgegen der Ansicht, dass man diese Fristen beim Finanzamt entsprechend verlängern kann, ist eine Verlängerung der Fristen zur Erstellung von Jahresabschlüssen einfach nicht möglich. |2.2 Kapitalgesellschaften
1. Gesetzgeber gewährt nur kurze Fristen
Oft wird von den Unternehmern fälschlicherweise vermutet, dass die von den Finanzämtern zugebilligten Fristverlängerungen zur Abgabe von Steuererklärungen auch für die Jahresabschlusserstellung gelten. Viele Unternehmer können nicht zwischen Steuerbilanz und Handelsbilanz unterscheiden. Kann das Finanzamt eine Fristverlängerung zur Vorlage einer Steuererklärung bewilligen, so gibt es diese Option für die Erstellung einer Handelsbilanz nicht. Handelsrechtliche und steuerrechtliche Bestimmungen sind stets zu separieren.
Die vom Unternehmer nicht eingehaltene Buchführungspflicht führt in der Regel dazu, dass der Insolvenzverwalter diese Verfehlung in seinen Bericht aufnimmt, der automatisch der Staatsanwaltschaft zugänglich gemacht wird. Der Unternehmer wird sich den Vorwurf gefallen lassen müssen, eine Insolvenzstraftat gem. § 283 ff. StGB begangen zu haben, die ggf. die Erteilung einer Restschuldbefreiung in einem privaten Insolvenzverfahren massiv gefährden könnte. Bei krisenbehafteten Unternehmen ist es deshalb notwendig, dass insolvenzerfahrene Berater auch die Buchführungspflicht des Unternehmers berücksichtigen und dafür Sorge tragen, dass die entsprechenden handelsrechtlichen Abschlüsse erstellt werden.
Beachten Sie | Leider weisen immer noch wenige Steuerberater auf die vom Gesetzgeber vorgegebenen Fristen hin und sorgen damit leider passiv dafür, dass sich der Unternehmer möglicherweise strafbar macht.
Gerade bei kleineren Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von bis zu 5 Mio. EUR p. a. kommt es häufig vor, dass Jahresabschlüsse zum Teil mit Verspätungen von mehr als zwei Jahren erstellt werden.
Die oft von den Unternehmern angeführten Argumente, man hätte kein Geld für die Erstellung des Jahresabschlusses gehabt bzw. der Steuerberater hätte keine Zeit gefunden, den Abschluss entsprechend zu erstellen, hat keinerlei Wirkung auf die vom Gesetzgeber geforderten Fristen.
Im Handelsgesetzbuch ist klar definiert, dass die Aufgabe zur Erstellung eines Jahresabschlusses allein dem Unternehmer obliegt und er sich nur durch einen bevollmächtigten Steuerberater vertreten lassen kann. Regelmäßig werden Steuerberater dann aber anmerken, dass der Unternehmer eine entsprechende Bringschuld zur Vorlage von Belegen und Unterlagen hat, die es dem Steuerberater dann erst möglich machen, den in Auftrag gegebenen Jahresabschluss anzufertigen.
Werden von den Unternehmern bei Insolvenzen immer wieder Argumente hinsichtlich der „Unmöglichkeit“ der Buchhaltungserstellung vorgetragen, sieht die Staatsanwaltschaft kaum einen Spielraum bzgl. der Straffreiheit bei Buchführungsverletzungen.
2. Pflichten im Rahmen von Buchführungs- und Bilanzierungserstellung
2.1 Gewerbebetriebe und Personengesellschaften
Gewerbebetriebe bzw. inhabergeführte Unternehmen (eingetragener Kaufmann) und Personengesellschaften sind nicht immer bilanzierungspflichtig. Nach Art, Umfang und Größe des Unternehmens ist eine Bilanz nicht immer notwendig, hier kann auch eine Einnahme-Überschuss-Rechnung genügen.
Inwieweit eine Bilanzierung nötig ist, wird auch oft dadurch entschieden, ob das Unternehmen Kredit- und Finanzierungsmittel bei einer Bank beantragt hat. Um die geforderten Ratingergebnisse der Banken zu belegen, ist die Vorlage entsprechender Bilanzen nach HGB nötig. Dies führt allerdings auch dazu, dass zukünftig diese Bilanzen erstellt werden müssen. Mit der Ausübung des Wahlrechts weg von der Einnahme-Überschuss-Rechnung zur Bilanz unterwirft sich der Unternehmer gleichzeitig dem HGB, das ihn dann zur regelmäßigen Erstellung einer Bilanz in der vorgegebenen Frist zwingt.
Grundsätzlich unterliegen Kapitalgesellschaften der Bilanzierungspflicht. Diese Pflichten ergeben sich aus den für alle Kaufleute geltenden §§ 242 bis 256 HGB und werden noch durch die §§ 264 bis 289 HGB für Kapitalgesellschaften ergänzt, zu denen auch die GmbH zählt. Im GmbHG wird unter § 42 vorgeschrieben, dass eine Bilanz einer GmbH gem. den §§ 242, 264 HGB anzufertigen ist.
Nach § 41 GmbHG ist der Geschäftsführer einer GmbH ausdrücklich verpflichtet, für die ordnungsgemäße Buchführung einer Gesellschaft zu sorgen. Einzig bei der Erstellung der Eröffnungsbilanz gibt es keine handelsrechtlichen Pflichten (es wird in der Literatur aber eine Frist von drei Monaten vertreten). Danach gilt bei „großen“ Kapitalgesellschaften bzgl. der Vorlage eines Jahresabschlusses die Frist von drei Monaten und bei „kleinen“ Kapitalgesellschaften die Frist von sechs Monaten nach Abschluss des Geschäftsjahres. Sollte das Geschäftsjahr nicht identisch mit dem Kalenderjahr sein, so sieht das HGB vor, dass die Jahresabschlüsse drei bzw. sechs Monate nach Abschluss des Fiskaljahres vorgelegt werden müssen.
3. Verletzung der Buchführungspflichten führt bei Insolvenz zu Insolvenzstraftaten
Werden die Bilanzierungspflichten nicht erfüllt, so kann dies eine Strafbarkeit gem. §§ 283 ff. StGB nach sich ziehen. Bei Verletzung von Buchführungs- und Bilanzierungspflichten kann der Straftatbestand des Bankrotts gem. § 283 Abs. 1 Nr. 5 bis 7 StGB erfüllt sein oder auch der in § 283b StGB angeführte abstrakte Straftatbestand der möglichen Verletzung der Buchführungspflicht. Die Sichtweise gilt hier im Rahmen von Gefährdungstatbeständen im Vorfeld eines Bankrotts. Auch das fahrlässige Handeln ist gem. § 283b Abs. 2 StGB unter Strafe gestellt. Hier muss allerdings ein äußerer Zusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Insolvenz bestehen. Nicht jede Pflichtverletzung ist deshalb als strafbare Handlung zu werten.
Findet § 283 Abs. 6 StGB entsprechende Anwendung, muss in der Folge die objektive Strafbarkeitsbedingung eintreten. Diese ist dann eingetreten, wenn die Zahlungseinstellung des Unternehmens erfolgt oder eine eigene bzw. fremde Insolvenzantragsstellung über das Vermögen der Kapitalgesellschaft vorliegt. Selbst im vorläufigen Verfahren, in dem regelmäßig ein sogenannter schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt tätig ist, finden die handelsrechtlichen Fristen noch Geltung.
Stellt der Unternehmer die Buchführung zu einem Zeitpunkt ein, in dem die Zahlungseinstellung bereits erfolgt war, und endet die Frist für die Erstellung der Bilanz erst nach dem Zeitpunkt, der in § 283 Abs. 6 StGB vorgegeben wird,
so ist eine Verurteilung wegen eines Bankrottdelikts nur für die Zeit vor der Zahlungseinstellung in Betracht zu ziehen. Dies gilt auch nur für den Fall, dass der Unternehmer nachweislich keine hinreichende Vorbereitung zur Erstellung von Bilanzen und Jahresabschlüssen getroffen hat.
Der BGH ist der Auffassung, dass grundsätzlich die Unfähigkeit zur Begleichung der Steuerberaterkosten aufgrund fehlender Liquidität dann zu einer Verletzung der Buchführungspflicht mit Strafbarkeit nach § 283 Abs. 1 StGB führt, wenn der Unternehmer entsprechend betriebswirtschaftlich gebildet ist und in dem Bereich auch tätig war. Die Verpflichtung zur Bilanzaufstellung endet auch nicht mit dem Antrag auf Insolvenz oder wenn der Geschäftsführer sein Amt einfach niederlegt.
Inhaber und Geschäftsführer müssen wissen, dass sie sich durch Geschäftsaufgabe oder Niederlegung von Ämtern aus strafrechtlicher Sicht nicht ihrer Buchführungspflichten entledigen können. Hier werden die Strafverfolgungsbehörden im Rahmen des vorgelegten Berichts des Insolvenzverwalters sehr genau prüfen, ob und in welcher Form eine Strafbarkeit vorliegt.