· Fachbeitrag · Gewinn- und Verlustrechnung
Bilanzierungsfragen bei Webshops: Realitätsnahe Darstellung der Ertragslage
von WP StB Lukas Graf, Meißen
| Webshops sind in der Regel Handelsbetriebe, die Waren in großem Stil beschaffen und über ihren Versand vertreiben. Die Geschäftsanbahnung erfolgt meist über die eigene Homepage und/oder Plattformen. Anders als klassische Einzelhändler verfügen Webshops in der Regel nicht über Geschäftslokale oder über einen personengebundenen Vertriebsbereich. Damit ergeben sich andere Kostenstrukturen, die sich in der GuV deutlich niederschlagen. Für einen externen Bilanzleser kann sich dies wie eine Verzerrung der Ertragslage darstellen. Es soll untersucht werden, ob es Gestaltungsmöglichkeiten gibt, die Ertragskraft von Webshops in der GuV realitätsnäher darzustellen. |
1. Das Betriebsergebnis in der GuV
Nach § 275 Abs. 2 HGB ist für die Gliederung der GuV das Gesamtkostenverfahren zugelassen, das in Deutschland überwiegend verwendet wird. Alternativ kann nach § 275 Abs. 3 HGB auch das Umsatzkostenverfahren angewandt werden, das aber nur von wenigen, vor allem von größeren Unternehmen verwendet wird. Für das Umsatzkostenverfahren ist die Führung von Kostenstellen (oder Sachkonten mit entsprechender Funktion) erforderlich, weshalb kleinere Unternehmen den Zusatzaufwand in der Regel meiden.
Vereinfachend stellt sich die GuV für den laufenden Geschäftsbetrieb wie folgt dar:
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Gesamtkostenverfahren | Umsatzkostenverfahren |
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Die Gliederung der GuV ist sowohl nach dem Gesamtkosten- als auch nach dem Umsatzkostenverfahren überwiegend produktionsorientiert. Webshops sind dagegen stark handelsorientiert. Bei ihnen fallen nur in seltenen Fällen auch zusätzlich Herstellungskosten an. Eine branchenbezogene Gliederung der GuV (wie z. B. bei Pflegeheimen oder Krankenhäusern) gibt es für Webshops nicht.
2. Darstellung des Handelsergebnisses bei Webshops
Nach § 275 Abs. 1 HGB sind die Posten in der vorgeschriebenen Reihenfolge auszuweisen. Damit scheidet eine handelsorientierte Gliederung der GuV weitgehend aus. Ferner ist zu berücksichtigen, dass in einem Unternehmen auch ein Nebeneinander von Produktion und Handel vorkommen kann.
Abweichend von der Vorschrift des § 275 Abs. 1 HGB lassen das Gesetz und die Kommentierung (vgl. Beck’scher Bilanz-Kommentar, 13. Auflage, § 275 HGB, Rz. 15 f.) eine abweichende Gliederung nur in Ausnahmefällen zu.
Beachten Sie | Nach Auffassung der Kommentierung ist die Gliederung der GuV vorwiegend auf Produktions- und Handelsunternehmen zugeschnitten. Für traditionelle Handelsunternehmen ist dies zu bejahen, bei klassischen Webshops treten jedoch wesentliche Aufwendungen auf, deren Zuordnung nach dem Gesamtkosten- oder Umsatzkostenverfahren zu Darstellungsproblemen führen kann.
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Die vorgenannten Aufwendungen haben gemeinsam, dass sie bei der Kalkulation der Produktpreise berücksichtigt sein müssen. Anders als im klassischen Handel fallen sie oft vollständig umsatzbezogen an. In der Darstellung der GuV von Webshops werden diese dennoch nicht margenmindernd berücksichtigt.
Würde man diese Aufwendungen einem „Produktionsbereich“ des Webshops zuordnen (z. B. in Form von Herstellungskosten oder bezogenen Leistungen), würde dies die Wirtschaftlichkeit eines Webshops wesentlich realistischer darstellen. Denn in der Praxis weisen Webshops oft sehr große Handelsmargen auf, die Wirtschaftlichkeit insgesamt liegt jedoch oft im normalen Bereich. Dies soll an folgendem Beispiel verdeutlicht werden:
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Der Umsatz eines Webshops beträgt 1.000 TEUR, der Wareneinsatz 300 TEUR. Es fallen weitere Kosten an ‒ und zwar für
Als Jahresüberschuss ergibt sich ein Betrag von 100 TEUR. Die vereinfachte GuV zeigt folgendes Bild: | |||
Gesamtkostenverfahren | TEUR | Umsatzkostenverfahren | TEUR |
Umsatzerlöse | 1.000 | Umsatzerlöse | 1.000 |
Bestandsveränderung | 0 | Herstellungskosten (Wareneinsatz) | ‒ 300 |
sonstige betriebliche Erträge | 0 | Bruttoergebnis vom Umsatz | 700 |
Materialaufwand | ‒ 300 | Vertriebskosten | ‒ 450 |
Rohergebnis | 700 | allgemeine Verwaltungskosten | ‒ 150 |
Personalaufwand | ‒ 100 | sonstige betriebliche Erträge | 0 |
Abschreibungen | 0 | sonst. betriebl. Aufwendungen | 0 |
sonst. betriebl. Aufwendungen | ‒ 500 | ||
Betriebsergebnis | 100 | Betriebsergebnis | 100 |
Finanzergebnis | 0 | Finanzergebnis | 0 |
Jahresüberschuss | 100 | Jahresüberschuss | 100 |
Die GuV von Webshops vermittelt in der Praxis oft den Eindruck einer „phantastischen“ Wirtschaftlichkeit sowie der eines „Wasserkopfs“ an Vertriebs- und Allgemeinkosten. Dies entspricht aber nicht der Realität digitaler Geschäftsmodelle mit ihrer speziellen Aufwandsstruktur.
Die Kommentierung lässt, wie bereits erwähnt, eine abweichende Gliederung der GuV nur in Ausnahmefällen zu. Zulässig ist eine Änderung nach § 265 Abs. 6 HGB. Danach sind die Gliederung und die Bezeichnung der mit arabischen Zahlen versehenen Posten der Bilanz und der GuV zu ändern, wenn dies wegen Besonderheiten der Gesellschaft zur Aufstellung eines klaren und übersichtlichen Jahresabschlusses erforderlich ist.
Beachten Sie | Dies gilt insbesondere, wenn der Inhalt des Postens nicht mit der Bezeichnung gedeckt ist. Ein Beispiel dafür sind Vorführ- und Mietfahrzeuge im Anlagevermögen eines Autohauses. Bei Webshops ist dies jedoch eher nicht der Fall. Denn nach der gesetzlichen Anordnung darf die Grundstruktur der GuV nicht verändert werden.
Im Übrigen sieht die Kommentierung für Produktions- und Handelsunternehmen sehr enge Voraussetzungen für eine abweichende Untergliederung vor, sodass hier besondere Umstände vorliegen müssen. Dagegen wird bei Holding- oder Dienstleistungsunternehmen und sonstigen Branchen (Bauindustrie, Reedereien, Mineralölgesellschaften, Bergbaubetriebe und Brauereien) eine Anpassung regelmäßig für zulässig gehalten (vgl. Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 275, Rz. 16 sowie § 265 HGB, Rz. 40).
MERKE | Webshops sind dort nicht genannt, obwohl eine abweichende Darstellung in der GuV durchaus sinnvoll sein kann. Da für viele Branchen bereits heute eine abweichende Gliederung zulässig ist, spricht einiges dafür, dass dies zukünftig auch für Webshops gelten könnte. Vor dem Hintergrund der restriktiven Kommentierung kann eine abweichende Gliederung in der handelsrechtlichen GuV derzeit aber nicht empfohlen werden. Dies ergibt sich aus den möglichen Konsequenzen: Soweit nicht sicher geklärt ist, dass eine branchenbezogen abweichende Gliederung zulässig ist, wäre die GuV im Rahmen einer Abschlussprüfung nicht als ordnungsgemäß zu beurteilen. |
Fraglich könnte aber sein, ob sich in den geschilderten Fällen eine Umgliederung der GuV aus der Generalnorm des § 264 Abs. 2 HGB ergibt. Danach muss der Jahresabschluss unter Beachtung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft vermitteln (sog. True and Fair View). Anderenfalls sind ergänzende Angaben im Anhang erforderlich.
Nach der hier vertretenen Auffassung ist eine solche Forderung abzulehnen. Der Gesetzgeber hat in § 275 HGB und in Ermangelung einer Branchengliederung klar festgelegt, dass die vorgegebene Gliederung grundsätzlich einzuhalten ist. Deshalb bedeutet „unter Beachtung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung“ hier regelmäßig, dass eine Gliederung nach § 275 HGB als ordnungsgemäß und ausreichend anzusehen ist. Zusätzliche Angaben kommen ‒ auch bei Webshops ‒ nach § 264 Abs. 2 HGB nur in Betracht, wenn die Darstellung der Lage wegen besonderer Umstände irreführend ist. Die Darstellung der GuV nach den gesetzlichen Anforderungen ist aber kein besonderer Umstand.
3. Lösungsansätze für eine betriebswirtschaftlich zutreffende Darstellung der Ertragslage
Die Darstellung einer betriebswirtschaftlich zutreffenden GuV kann für einen Webshop jedoch aus betrieblichen Gründen (z. B. Controlling, Nachkalkulation oder Ergebnisanalyse) erforderlich sein. Denkbar sind hier z. B.
- individuelle betriebswirtschaftliche Auswertungen (BWA),
- individuelle Darstellungen der Ertragslage in einem Prüfungsbericht oder
- spezielle Auswertungen im Rahmen des internen Rechnungswesens (z. B. auch entsprechend modifizierte Kennzahlensysteme).
Beachten Sie | Hierin liegen Beratungschancen für Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, die ihren Mandanten mit solchen Auswertungen wichtige, zusätzliche betriebswirtschaftliche Übersichten zur Verfügung stellen können.