· Fachbeitrag · Rechnungslegung nach HGB
Neue handelsrechtliche Grundsätze bei der Bilanzierung von Altersteilzeitverpflichtungen
von WP StB Dipl.-Kfm. Lukas Graf, Meißen
| Am 19.6.13 hat der Hauptfachausschuss (HFA) des IDW die Stellungnahme „Handelsrechtliche Bilanzierung von Verpflichtungen aus Altersteilzeitregelungen (IDW RS HFA 3)“ verabschiedet. Im Vergleich zur alten Fassung aus 1998 sind keine Ausführungen mehr zur Bilanzierung nach IFRS enthalten. Darüber hinaus unterscheidet das IDW nunmehr bei Aufstockungsbeträgen zwischen Verpflichtungen mit Entlohnungscharakter und solchen mit Abfindungscharakter. Hieraus ergeben sich wichtige Konsequenzen für die handelsrechtliche Bilanzierung. |
1. Altersteilzeitmodelle
Die Rechtsgrundlagen zur Altersteilzeit sind im Altersteilzeitgesetz (AltTZG) geregelt. Danach besteht die Möglichkeit, mit Arbeitnehmern für den Zeitraum nach Vollendung des 55. Lebensjahrs Altersteilzeitverhältnisse zu vereinbaren. In einem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder einer Einzelvereinbarung kann geregelt werden, dass der Arbeitnehmer in einem Teilzeitarbeitsverhältnis mit grundsätzlich halbierter durchschnittlicher Arbeitszeit beschäftigt wird und neben dem entsprechend geminderten Arbeitsentgelt einen Aufstockungsbetrag erhält. Die sich aufgrund solcher Vereinbarungen ergebenden Verpflichtungen werden bilanzrechtlich als Altersteilzeitrückstellungen bezeichnet.
Hinweis | Altersteilzeitvereinbarungen, bei denen die Verminderung der Arbeitszeit erst ab dem 1.1.10 beginnt, werden von der Bundesagentur für Arbeit (BA) nicht mehr finanziell gefördert. Aufstockungsleistungen müssen vom Arbeitgeber dann grundsätzlich allein getragen werden (§ 16 AltTZG).
Das AltTZG sieht zwei Altersteilzeitmodelle vor:
- Beim Gleichverteilungsmodell vermindert der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung für die gesamte Altersteilzeitphase.
- Das Blockmodell besteht dagegen aus zwei Phasen: In der Arbeitsphase arbeitet der Arbeitnehmer in vollem Umfang weiter, um dann in der Freistellungsphase seinen vorgezogenen Ruhestand zu genießen.
Hinweis | Bei beiden Modellen werden das Arbeitsentgelt und der Aufstockungsbetrag gleichmäßig über den gesamten Altersteilzeitraum geleistet.
Bilanziell unstreitig ist, dass im Blockmodell eine Rückstellung für die erbrachte Mehrleistung des Arbeitnehmers zu bilden ist. Hinsichtlich der Aufstockungsbeträge hatte das IDW bis dato die Meinung vertreten, dass sie als Abfindungsleistungen zu bewerten und zu bilanzieren sind. Nach der neuen Sichtweise ist nunmehr eine Unterscheidung vorzunehmen.
2. Wirtschaftlicher Gehalt der Aufstockungsbeträge
Für die Bilanzierung nach IDW RS HFA 3 ist es maßgeblich, ob die Aufstockungsbeträge Entlohnungscharakter oder Abfindungscharakter haben (vgl. IDW RS HFA 3, Tz. 7 ff.).
Für einen Entlohnungscharakter können nach Auffassung des IDW u.a. folgende Indikatoren sprechen:
- Mit der Gewährung der Altersteilzeit soll die lange Betriebszugehörigkeit der Mitarbeiter zusätzlich honoriert werden und/oder es sollen Anreize zur Verlängerung der Lebensarbeitszeit geschaffen werden.
- Die spätere Reduktion der Arbeitszeit wurde schon zu Beginn des Arbeitsverhältnisses vereinbart.
- Das Entstehen der Ansprüche der Arbeitnehmer ist von der Erfüllung bestimmter tätigkeitsbezogener Kriterien (z.B. Arbeiten in Wechselschichten oder unter starken Umwelteinflüssen) abhängig.
- Tarifvertragliche Regelungen sehen vor, dass Arbeitnehmer einen Beitrag zur Finanzierung der Mehraufwendungen des Arbeitgebers erbringen müssen oder der Anspruch eine gewisse Mindestbetriebszugehörigkeit voraussetzt.
Greifen die Vereinbarungen in bestehende Arbeitsverhältnisse ein und dienen sie primär dazu, den gleitenden Übergang älterer Arbeitnehmer in den Ruhestand zu fördern, werden die Aufstockungsbeträge geleistet, um dies für den Arbeitnehmer attraktiver zu machen. Die Aufstockungsbeträge stellen somit eine eigenständige Abfindungsverpflichtung des Arbeitgebers dar.
Die Klassifizierung der Aufstockungsbeträge ist am ersten Abschlussstichtag nach dem Zustandekommen der Altersteilzeitvereinbarung vorzunehmen. Diese Klassifizierung ist nach dem Stetigkeitsgrundsatz für die Folgejahre beizubehalten (IDW RS HFA 3, Tz. 11).
3. Bilanzielle Behandlung der Aufstockungsbeträge
Die Verpflichtung zur Zahlung der Aufstockungsbeträge stellt eine Schuld dar, die nach § 249 Abs. 1 S. 1 HGB zu passivieren ist. Sie ist mit dem nach vernünftiger kaufmännischer Einschätzung erforderlichen Erfüllungsbetrag (§ 253 Abs. 1 S. 2 HGB) anzusetzen (vgl. IDW RS HFA 3, Tz. 12).
Bei der Bewertung ist vom Grad der wahrscheinlichen Inanspruchnahme des Arbeitgebers auszugehen. Das IDW präzisiert, dass hier vorsichtig zu schätzen ist und in Ermangelung von Vergangenheitswerten ggf. auf eine unternehmensinterne Umfrage zurückgegriffen werden kann (IDW RS HFA 3, Tz. 14). Diese Präzisierungen sprechen dafür, dass die allgemeinen Bewertungsgrundsätze für Rückstellungen anzusetzen sind.
MERKE | Ist nach der Altersteilzeitvereinbarung eine Kontingentierung möglich und kann der Arbeitgeber somit bei Überschreitung der maximalen Altersteilzeitarbeitsplätze weitere Anwärter ablehnen, ist gemäß IDW (Tz. 15) höchstens eine Passivierung für das vereinbarte Kontingent zulässig. |
Bei der Passivierung der Aufstockungsbeträge ist wie folgt zu differenzieren (IDW RS HFA 3, Tz. 19 bis 23):
- Handelt es sich um eine Verpflichtung mit Abfindungscharakter, ist die Rückstellung für die Aufstockungsbeträge - entsprechend der allgemeinen Grundsätze für Abfindungsrückstellungen - sofort in voller Höhe aufwandswirksam zu bilden.
- Handelt es sich um eine Verpflichtung mit Entlohnungscharakter, ist die Rückstellung über den Zeitraum anzusammeln, in dem die zusätzliche Entlohnung in Form der Aufstockungsbeträge von den Arbeitnehmern erdient wird. Es liegt also eine Ansammlungsrückstellung vor. Ist in der Vereinbarung kein Zeitraum der Erdienung erkennbar, kann davon ausgegangen werden, dass der Zeitraum mit dem Abschluss der Vereinbarung beginnt und mit dem Ende der Beschäftigungsphase endet. Diese Bewertungsgrundsätze gelten für Individual- als auch für Kollektivvereinbarungen.
Der Charakter und die Behandlung der Aufstockungsbeträge können somit wie folgt visualisiert werden:
Beachten Sie | Beim Blockmodell ist während der Arbeitsphase eine zusätzliche Rückstellung für die erbrachte Mehrarbeit des Arbeitnehmers zu bilden. Diese Rückstellung ist während der Arbeitsphase anzusammeln. Die Bewertung erfolgt nach allgemeinen versicherungsmathematischen Grundsätzen (IDW RS HFA 3, Tz. 26).
Nach § 253 Abs. 2 S. 1 HGB sind Rückstellungen mit einer Restlaufzeit von mehr als einem Jahr mit dem ihrer Restlaufzeit entsprechenden durchschnittlichen Marktzinssatz der vergangenen sieben Geschäftsjahre abzuzinsen. Da es sich bei den Altersteilzeitvereinbarungen um eine Altersversorgungsverpflichtung handelt, darf stattdessen (vereinfachend) von einer pauschalen Restlaufzeit von 15 Jahren ausgegangen werden (vgl. § 253 Abs. 2 S. 2 HGB), wovon in der Praxis vielfach Gebrauch gemacht wird.
MERKE | Neben weiteren Voraussetzungen hat der Arbeitgeber nur dann einen Anspruch auf Erstattung der Aufstockungsbeträge durch die BA, wenn die Altersteilzeitarbeit vor dem 1.1.10 begonnen hat. Erstattungsansprüche sind erst dann als Vermögensgegenstände zu aktivieren, wenn sämtliche gesetzlichen Bedingungen erfüllt sind. Vor der Erfüllung können die Erstattungsbeträge auch nicht rückstellungsmindernd berücksichtigt werden (IDW RS HFA 3, Tz. 24 und 25). |
4. Ausweis
Die Rückstellung für die Altersteilzeitverpflichtung ist bei Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften i.S des § 264a HGB unter dem Posten „sonstige Rückstellungen“ auszuweisen. Soweit für die Altersteilzeitverpflichtung Deckungsvermögen besteht, ist das Deckungskapital mit der Rückstellung zu verrechnen (IDW RS HFA 3, Tz. 28). Damit wird in der handelsrechtlichen Bilanz nur die Nettorückstellung ausgewiesen. Dieselbe Vorgehensweise gilt bei den Pensionsrückstellungen.
Die Klassifizierung nach Entlohnungs- und Abfindungscharakter hat auch Bedeutung für den Ausweis in der GuV (vgl. IDW RS HFA 3, Tz. 29):
- Hat die Verpflichtung den Charakter einer Abfindung, sind die damit verbundenen Zuführungen in der GuV unter den „sonstigen betrieblichen Aufwendungen“ auszuweisen.
- Hat die Verpflichtung dagegen Entlohnungscharakter, sind die Zuführungen unter den Löhnen und Gehältern („Personalaufwand“) auszuweisen, was sich insoweit unmittelbar auf das operative Ergebnis auswirkt. Dasselbe gilt für Zuführungen zu Rückstellungen für Erfüllungsrückstände im Blockmodell.
Beachten Sie | Auflösungen von Rückstellungen für Aufstockungsbeträge und Erfüllungsrückstände sind unter den „sonstigen betrieblichen Erträgen“ zu zeigen.
Die mit der Ab- und Aufzinsung der Rückstellung in Zusammenhang stehenden Aufwendungen und Erträge sind nach § 277 Abs. 5 S. 1 HGB gesondert unter dem Posten „Sonstige Zinsen und ähnliche Erträge“ bzw. unter „Zinsen und ähnliche Aufwendungen“ auszuweisen (IDW RS HFA 3, Tz. 30). Demzufolge werden die Finanzierungseffekte aus der Altersteilzeitrückstellung dem Finanzergebnis zugeordnet und nicht dem Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit.