· Fachbeitrag · Finanzierungsalternativen
0 %-Kredite von Banken - Was steckt dahinter?
von Prof. Dr. Peter Hoberg, Worms
| Die Deutschen haben sich in den letzten Jahren daran gewöhnt, dass Kredite zu immer niedrigeren Zinssätzen vergeben werden. Nahezu Standard scheinen 0 %-Finanzierungen für Konsumkredite zu sein. Dieses Angebot lässt sich noch leicht mit gewünschten Umsatzsteigerungen erklären. In den letzten Wochen aber konnte man verstärkt beobachten, dass auch Banken 0 %-Kredite anbieten. Was bewegt Banken zu diesem Vorgehen? Welche Fallstricke erwarten den Kreditnehmer und wie hoch ist der Vorteil für den Kunden gegenüber einem Kredit zu Marktkonditionen? |
1. Vorteil des Kunden
Die Monatsrate für einen zinslosen Kredit lässt sich einfach berechnen, indem der Darlehensbetrag durch die Anzahl der Monate geteilt wird:
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MR: Monatsrate in EUR KB: Kreditbetrag in EUR AM: Anzahl Monatsraten
Häufig werden Konsumentenkredite über 36 Monatsraten gewährt. Als Kreditbetrag sei 1.000 EUR angenommen. Damit ergibt sich folgende Monatsrate:
Die Raten sind dann jeweils am Monatsende zu bezahlen. |
Es stellt sich nun die Frage, welchen Nachteil die Bank in Kauf nimmt, wenn sie diesen Kredit ohne Zinsen ausgibt. Dazu ist es notwendig, einen Vergleichszinssatz zu kennen.
Da die Alternative insbesondere für den Verbraucher in der Aufnahme eines Kredits zum Marktzinssatz besteht, soll dieser auch für den Vergleich eingesetzt werden. Er sei im Beispiel zunächst mit 2,99 % p. a. effektiv angenommen. Auf Basis dieses Zinssatzes kann nun der heutige Wert der 36 Monatsraten à 27,78 EUR ermittelt werden, indem der Barwertfaktor BWF (vgl. Varnholt/Lebefromm/Hoberg, S. 480 ff.) berechnet wird:
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iM = Monatszinssatz (effektiv berechnet)
Damit beträgt der heutige Wert der 36 Monatsraten:
BW0 = BWF x MR = 34,41 x 1.000/36 = 955,91 EUR in t = 0
BW0: Barwert der Monatsraten per heute (t = 0)
Der zinslose Kredit führt somit zu einem Verlust von 1.000 - 955,91 = 44,09 EUR in t = 0 für die Bank, was gleichzeitig den Vorteil für den Verbraucher gegenüber einem Kredit mit Marktzinssätzen darstellt.
Im Einzelnen besteht der Vorteil aus dem Wegfall von
Die allgemeine Formel für die Verluste V (aus Bankensicht) bzw. die Vorteile (aus Kundensicht) ergibt sich dann insgesamt wie folgt:
V = KB - KB/AM x BWF(AM; ieff) |
Für die wichtigsten Kombinationen aus Laufzeit und Effektivzinssatz sind die jeweiligen Verluste in der folgenden Übersicht tabelliert:
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Kreditbetrag: 1.000 EUR | |||||||||||
LaufzeitMonate | Marktzinssatz p. a. effektiv | ||||||||||
0,00 % | 0,49 % | 0,99 % | 1,49 % | 1,99 % | 2,49 % | 2,99 % | 3,49 % | 3,99 % | 4,49 % | 4,99 % | |
12 | 0,00 | 2,64 | 5,32 | 7,97 | 10,60 | 13,21 | 15,80 | 18,36 | 20,91 | 23,43 | 25,94 |
18 | 0,00 | 3,86 | 7,76 | 11,62 | 15,44 | 19,23 | 22,97 | 26,69 | 30,36 | 34,00 | 37,60 |
24 | 0,00 | 5,07 | 10,19 | 15,25 | 20,25 | 25,20 | 30,08 | 34,91 | 39,69 | 44,41 | 49,08 |
30 | 0,00 | 6,29 | 12,62 | 18,87 | 25,03 | 31,12 | 37,12 | 43,05 | 48,90 | 54,68 | 60,38 |
36 | 0,00 | 7,50 | 15,04 | 22,46 | 29,78 | 36,99 | 44,09 | 51,09 | 57,99 | 64,79 | 71,50 |
42 | 0,00 | 8,71 | 17,45 | 26,04 | 34,50 | 42,81 | 51,00 | 59,05 | 66,97 | 74,77 | 82,44 |
48 | 0,00 | 9,91 | 19,85 | 29,60 | 39,18 | 48,59 | 57,83 | 66,91 | 75,83 | 84,59 | 93,21 |
54 | 0,00 | 11,12 | 22,24 | 33,15 | 43,84 | 54,32 | 64,60 | 74,69 | 84,58 | 94,28 | 103,80 |
60 | 0,00 | 12,32 | 24,63 | 36,67 | 48,46 | 60,01 | 71,31 | 82,37 | 93,21 | 103,83 | 114,23 |
Für 36 Monate und 2,99 % Effektivzinssatz erhält man wieder den Verlust von 44,09 EUR per t=0, der sich auch für das obige Beispiel ergab.
Für kurze Laufzeiten hält sich der Verlust der Banken noch in Grenzen und der Vorteil für die Verbraucher ist wohl geringer als viele Verbraucher meinen. In jedem Fall kann mit der Tabelle der jeweilige Vorteil der Verbraucher bzw. der Verlust der Banken abgelesen werden.
2. Fallstricke für den Kunden
Nicht überraschend ist, dass es die 0 %-Kredite nur in Sondersituationen gibt. Denn die im obigen Absatz ermittelten Verluste kann sich keine Bank im großen Umfang erlauben. Da die Verluste mit dem Kreditbetrag und der Laufzeit steigen, muss es bei diesen Parametern Grenzen geben. Folgende Einschränkungen sind anzutreffen:
- Keine hohen Kredite zu 0 %. Die Verluste sollen in Grenzen bleiben.
- Ablehnung langer Laufzeiten bei 0 %-Angeboten.
- Prüfung, ob die jeweilige Bonität des Kunden ohne Makel ist; ansonsten würden die Banken (zu Recht) Risikoaufschläge verlangen.
- Versuch der Banken, über den (obligaten) Abschluss von Versicherungen Provisionen zu kassieren.
- Ggf. Zwang, noch andere - dann gut kalkulierte - Produkte zu kaufen. Das können zusätzliche Konten oder Kreditkarten sein.
- Kredit wird nur 1 x pro Person zinslos vergeben.
Nicht selten wird der Kunde aber eine andere Kombination aus Kredithöhe und Laufzeit benötigen, welche dann nicht mehr zinslos ist. Wenn dann 48 Monate gefordert werden, springt die Effektivverzinsung von 0 % auf über 2 %. Genauso führt das Überschreiten der 1.000 EUR Kreditgrenze gleich zu normalen Verzinsungen. Bei einer Simulation der Konditionen auf dem Vergleichsportal Check24 wurden folgende Effektivzinssätze festgestellt (Abfrage vom 23.1.16):
| ||||
LaufzeitMonate | Kreditbetrag | |||
1.000 EUR | 5.000 EUR | 10.000 EUR | 20.000 EUR | |
12 | 1,99 % | 2,69 % | 2,69 % | 2,69 % |
24 | 1,99 % | 2,45 % | 2,45 % | 2,45 % |
36 | 0,00 % | 2,45 % | 2,45 % | 2,45 % |
48 | 2,45 % | 2,45 % | 2,45 % | 2,45 % |
60 | 2,45 % | 2,45 % | 2,45 % | 2,45 % |
Es zeigt sich, dass die folgenden einschränkenden Bedingungen beide gleichzeitig erfüllt sein müssen, um 0 % zu erhalten:
- Laufzeit gleich 36 Monate
- Kreditbetrag gleich 1.000 EUR
Dementsprechend wurden auch die Daten des Beispiels gewählt.
Diese Doppelgrenze ist unlogisch, weil die Bank bei 500 EUR und 48 Monaten weniger verliert als bei der Kombination 1.000 EUR/36 Monate. Aber die Kombination 36 Monate mit 1.000 EUR ist eben ein Lockvogelangebot.
Auf den ersten Blick erstaunlich sind die relativ hohen Effektivverzinsungen bei 12 Monaten. Aber der Effekt der geringeren Refinanzierungskosten bei kurzen Laufzeiten wird überkompensiert durch die anteilig höheren Einmalkosten pro Vertrag (Verwaltung, Akquise), die sich auf weniger Raten verteilen müssen.
3. Motivation der Banken
Wenn die Banken (siehe unter 1.) ermittelte Verluste nicht durch Tricks (siehe unter 2.) wieder einspielen, so ist zu fragen, warum sie zu Verträgen bereit sind, bei denen sie Verluste machen.
Zur Beantwortung dieser Frage muss die Kunden-Akquise der Banken betrachtet werden. Die Banken leiden unter der Tatsache, dass sie ein weitgehend homogenes Gut anbieten. Euro ist Euro. Nur in den Ausleihbedingungen und in der Beratung könnten Differenzierungen vorgenommen werden, was aber nur selten geschieht. Somit ist es für den Kunden nicht erheblich, bei welchem Institut er seinen Kredit aufnimmt. Im Zweifelsfall wird die Bequemlichkeit oder die Gewohnheit siegen.
In dieser schwierigen Situation der Neukundenakquise müssen die Banken schon mit besonderen Ideen kommen, um die Kunden auf sich aufmerksam zu machen. Der bisher vorherrschende Trick besteht im Angebot von Tagesgeldzinssätzen weit über den Marktbedingungen. Aber diese waren - ähnlich wie im Beispiel (s. o.) - in Höhe und in Laufzeit stark limitiert, sodass die Subvention keine hohen Beträge annehmen konnte.
Nicht selten sind Angebote, die 2 % Punkte mehr Verzinsung auf dem Tagesgeldkonto bieten. Aber auch bei diesen Angeboten gibt es Einschränkungen. Üblicherweise ist die Anlagesumme auf 10.000 EUR limitiert und der Zeitraum auf 6 Monate. Der maximale Verlust beträgt somit 100 EUR, was deutlich teurer ist als der oben abgeleitete Verlust für 0 %-Kredite. Allerdings erkaufen sich die Banken mit dem subventionierten Anlagezinssatz mit größerer Wahrscheinlichkeit einen neuen Kunden. Denn im Kreditfall ist die Kundenbeziehung nach Abzahlung der letzten Rate erst einmal zu Ende. Also müssen die Banken während der Laufzeit des Kredites alles tun, um den Kunden zum Kauf neuer Produkte zu bewegen.
Es wird spannend sein zu beobachten, ob sich diese Art der Kundenwerbung durchsetzen wird. Problematisch ist sie aus moralischen Gründen, weil damit die Kunden in die Verschuldung gelockt werden, was nicht selten mit der Privatinsolvenz endet.
Weiterführende Hinweise
- Varnholt, N., Lebefromm, U., Hoberg, P.: Controlling - Betriebswirtschaftliche Grundlagen und Anwendung mit SAP® ERP®, München 2012