· Fachbeitrag · Finanzierungsberatung
Immobilienfinanzierung: Was tun, wenn die Festzinsphase ausläuft?
von Prof. Dr. Peter Hoberg
| Nach dem Wiederanstieg der Zinsen auf ein normales Niveau von ca. 4 % wird es für einige Kreditnehmer ein böses Erwachen geben, wenn die Festzinssatzphase ausläuft. Die Zinsen in Phase 2 werden stark ansteigen, sodass sich die Raten z. T. drastisch erhöhen. Teilweise wird es zu Zwangsversteigerungen von Immobilien kommen, wenn die Eigentümer nach dem Auslaufen der Festzinsphase die erhöhten Zinsen nicht mehr aufbringen können. Damit tickt in vielen Haushalten und Unternehmen eine finanzielle Zeitbombe. Es stellt sich die Frage, ob und wie sie sich auf den großen Zinsschritt vorbereiten können. |
1. Die finanzielle Zeitbombe tickt
Die insgeheime Hoffnung, dass Zuwächse im Nettoeinkommen über die Festzinsphase von z. B. zehn Jahren die Probleme lösen, kann für die meisten Fälle ausgeschlossen werden. Durch die extreme Staatsverschuldung mit den daraus folgenden Steuererhöhungen und auch durch die Inflation wird die Kaufkraft eher vermindert (auch wenn die Schulden dadurch etwas entwertet werden). Als Beispiel sei eine bestehende Finanzierung über zehn Jahre zu einem jährlichen Zinssatz von 1 % betrachtet, die vor fünf Jahren begonnen hat. Bei einem Finanzierungsbetrag von 500 TEUR0 und einer anfänglichen jährlichen Tilgung von 2 % betrug die Jahresrate (1 % + 2 %) × 500 TEUR0 = 15.000 EUR und die Monatsrate 15.000 ÷ 12 = 1.250 EUR1;120. Die Rückzahlung würde über 40 Jahre dauern (vgl. zur Berechnung der gesamten Kreditdauer Hoberg [2022a], S. 248 ff.), selbst wenn die extrem günstigen Zinssätze über die zehn Jahre hinaus anhalten würden.
Beachten Sie | Zur Steigerung der Klarheit werden erweiterte Währungseinheiten verwendet. Danach hat eine Zahlung zum Zeitpunkt t nicht nur die Einheit EUR, sondern EURt (vgl. Hoberg [2018], S. 468 ff.). Wenn mehrere gleiche Zahlungen ‒ wie im Beispiel die Raten ‒ betroffen sind, gibt der erste Teil des Zeitindex (hier 1) den ersten zeitlichen Anfall nach einem Monat an, der zweite den letzten nach 120 Monaten, getrennt durch ein Semikolon. Der Zeitindex ist in diesem Fall also monatlich definiert.
Viele Kreditnehmer erlagen der Versuchung, nur für fünf oder zehn Jahre abzuschließen, weil dadurch die Monatsrate etwas niedriger ausfiel, was angesichts der extrem hohen Kaufpreise wichtig war. Die Banken spielten dabei eine unrühmliche Rolle, da sie kaum Simulationsrechnungen aufgestellt haben, wie hoch die Rate wäre, wenn der Effektivzinssatz nach z. B. zehn Jahren 4 % betragen würde. Im obigen Beispiel mit einer Monatsrate von 1.250 EUR1;120 fällt die Restschuld innerhalb der ersten zehn Jahre (120 Monate) nur von 500 TEUR0 auf 389 TEUR120, sodass der weitaus größere Teil weiterfinanziert werden muss. Es ist offensichtlich, dass sich die Belastung dramatisch erhöht, wenn nun 4 % p. a. gezahlt werden müssen. Die alte Rate von 1.250 EUR1;120 reicht nicht einmal aus, um die neuen Zinsen von monatlich über 1.300 EUR1;tn zu bezahlen, von einer Tilgung ganz zu schweigen. Diese betrug in der letzten Rate vor Ablauf der zehnjährigen Zinsfestschreibung über 900 EUR120.
Viele Haushalte und Unternehmen haben also eine tickende Zeitbombe in ihrer Finanzierung. Es stellt sich daher die Frage, wie sie sich im Rahmen des Möglichen auf den großen Zinsschritt vorbereiten können. Dazu muss abgeschätzt werden, welche Raten sie in Phase 2 voraussichtlich zahlen müssen.
2. Grundlagen der Kalkulation
Die Finanzierung einer Immobilie erfolgt mit dem vorhandenen Eigenkapital, das bei Privathaushalten auch aus der Familie stammen kann, und dem aufzunehmenden Fremdkapital. Dessen maximale Höhe hängt bei gegebener Bonität davon ab, welche monatliche Rate nachhaltig aufgebracht werden kann. Dies gilt auch für die zweite Phase nach der ersten Zinsfestschreibungsphase (im Beispiel nach den üblichen zehn Jahren). Die maximal tragbare Monatsrate (MR) ergibt sich aus der Differenz zwischen dem erwarteten Nettoeinkommen und den erwarteten anderen Auszahlungen. Daraus lässt sich die maximal noch tragbare Höhe des Immobilienkredits ableiten.
Unter der Voraussetzung, dass es sich bei den Monatsraten um viele gleichmäßige Zahlungen (gleiche zeitliche Abstände, gleiche Höhe) handelt, können sogenannte finanzmathematische Faktoren eingesetzt werden. In diesem Fall sind Barwert- und Wiedergewinnungsfaktoren relevant (vgl. zur Auswahl der Faktoren Hoberg [2020]). Der nachschüssige Barwertfaktor (BWF) ist wie folgt definiert (vgl. z. B. Götze, S. 76 ff.):
BWF = (qtn −1) ÷ (qtn × i) in EUR0 ÷ EUR1;tn | |
BWF0 | Barwertfaktor für nachschüssige Zahlungen zum Zeitpunkt t = 0 |
i | Kalkulationszinssatz pro Periode, hier monatlich |
q | Periodenzinsfaktor 1 + i, hier monatlich |
tn | Anzahl Perioden, hier Anzahl Monate in der zweiten Phase |
Die für den nachschüssigen BWF verwendete Einheit „EUR0 ÷ EUR1;tn“ bedeutet, dass für jeden EUR der gleichmäßigen Raten von t = 1 bis t = tn ein bestimmter Betrag in t = 0 resultiert. Der maximale Kreditbetrag (KBmax) ergibt sich, indem der BWF mit den gleichmäßigen MR multipliziert wird:
KBmax = | BWF × MR121;tn in EUR0 |
KBmax | Maximaler Kreditbetrag in EUR120 (nach 10 Jahren) |
Beachten Sie | Die Höhe des BWF hängt entscheidend von der Länge des Planungszeitraums tn in Phase 2 ab.
Die Kalkulationsweise für Phase 2 wird am Beispiel einer Laufzeit von 20 Jahren (= 240 Monaten) bis zur vollständigen Rückzahlung dargestellt. Bei einem Monatszinssatz von 0,3274 % erhält man:
BWF (tn = 240; iM = 0,3274 %) | = (1,003274240 − 1) ÷ (1,003274240 × 0,003274) |
= 166,05 in EUR0 ÷ EUR121;360 |
240 Monatsraten à 1 EUR121;360 sind somit nach Abzinsung auf t = 120 (Startzeitpunkt der Phase 2) gerundet 166 EUR0 wert. Damit berechnet sich der KBmax für die alte Monatsrate von 1.250 EUR121;360 wie folgt:
KBmax = 166,05 × 1.250 = 207.562,50 in EUR120 |
Der maximale Kreditbetrag liegt damit weit unter der Restschuld von fast 400 TEUR120, was das Ausmaß des Problems unterstreicht. Selbst wenn die Rückzahlungsdauer in Phase 2 auf unrealistische 40 Jahre ausgedehnt wird, kann die Restschuld nicht mehr beglichen werden.
Während der BWF viele kleine gleichmäßige Zahlungen zu einer einzigen großen zu Beginn des Zeitraums verdichtet, wird für die Ermittlung der Raten aus der Restschuld der genau umgekehrte Faktor benötigt. Dieser wird als Wiedergewinnungsfaktor (WGF; auch Annuitätenfaktor) bezeichnet.
WGF120 = | (qtn × i) ÷ (qtn −1) in EUR121;tn ÷ EUR120 |
WGF120 | Wiedergewinnungsfaktor zum Startzeitpunkt von Phase 2 |
Wenn die Restschuld in 20 Jahren zurückgezahlt werden soll (was schon sehr lange ist), müsste die Monatsrate auf 2.378 EUR steigen, sich also fast verdoppeln. Dies dürfte in den wenigsten Fällen möglich sein, sodass möglichst frühzeitig Anpassungsmaßnahmen eingeleitet werden müssen.
3. Reaktionsmöglichkeiten
Für diesen Beitrag wird davon ausgegangen, dass der erste Kreditvertrag mit festem Zinssatz in Phase 1 (häufig zehn Jahre) abgeschlossen wurde und noch einige Jahre (hier 5) bis zum Ende der Zinsfestschreibungsdauer mit einem sehr niedrigen Zinssatz laufen wird. Danach muss zu einem deutlich höheren Zinssatz verlängert werden, was zu großen Problemen führen kann. Für nicht wenige Kreditnehmer bahnt sich eine Katastrophe an. Diese kann noch größer werden, wenn die Banken der Ansicht sind, dass die Werthaltigkeit der Immobilie z. B. durch das Heizungsgesetz wesentlich gelitten hat. Dann werden aufgrund der höheren Beleihung (in Prozent des gesunkenen Marktwerts) höhere Zinssätze gefordert. Kreditnehmer, die sich in einer solchen Situation befinden, tun gut daran, sich möglichst umgehend auf diese Situation vorzubereiten, um viel Zeit für die Vorbereitung und Umsetzung einer Anpassungsstrategie zu haben. Folgende Anpassungen sind denkbar:
- Erhöhung des verfügbaren Nettogehalts: Eine Möglichkeit besteht darin, das Einkommen zu erhöhen. Entweder wird die Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden erhöht (Mengenanpassung) oder es wird versucht, einen höheren Lohn (höheres Gehalt) durchzusetzen. Auch ein zusätzlicher Minijob könnte ein Lösungsbeitrag sein. Zudem sollten die übrigen Ausgaben reduziert werden. Weniger Ausgehen und der teilweise Verzicht auf Urlaub sind zwei Maßnahmen, um die Ausgaben zu senken.
- Tilgungsfreistellung: Wenn absehbar ist, dass sich der finanzielle Engpass in Zukunft auflösen wird, kann mit der Bank ggf. über eine zeitlich begrenzte Tilgungsaussetzung gesprochen werden.
- Schnellere Tilgung in Phase 1: Sobald sich abzeichnet, dass die neue Rate nach Phase 1 (im Beispiel also in fünf Jahren) voraussichtlich nicht aufgebracht werden kann, sollte versucht werden, das Nettoeinkommen zu erhöhen, auch um unmittelbar einen größeren finanziellen Spielraum zu erreichen. Ggf. können vertraglich vereinbarte Sondertilgungen den Kreditbetrag reduzieren. Viele Verträge sehen vor, dass jährlich 5 % Sondertilgung geleistet werden können.
- Ansparen für die Kreditrückzahlung nach den fünf Jahren: Angesichts von Tagesgeld- und Festgeldzinsen von knapp 4 % kann eine Zwischenanlage bis zum Ende der Zinsfestschreibung des Kreditvertrags gewählt werden. Danach kann der Betrag inklusive Zinsen zur Reduzierung der Restschuld verwendet werden. Steuern auf die Zinsen sind zu berücksichtigen, wenn die Zinsen den Freibetrag von 1.000 EUR pro Person und Jahr überschreiten. Bei einem Zinssatz von 4 % p. a. wären somit für ein Ehepaar Kapitalerträge aus einem angelegten Kapital von 50.000 EUR steuerfrei.
- Teilvermietung: Wenn die Immobilie groß genug ist, kann überlegt werden, ob ein Teil vermietet werden kann, um mit den Mieteinnahmen den finanziellen Spielraum zu erweitern.
- Hilfe innerhalb der Familie: Das kann eine vorgezogene Erbschaft, eine Schenkung oder ein zinsgünstiges Darlehen sein. Um späteren Ärger zu vermeiden, sollten die Vereinbarungen schriftlich festgehalten werden.
- Verkauf der Immobilie: Wenn absehbar ist, dass die Immobilie nicht gehalten werden kann, bleibt manchmal nur die Entscheidung, sie zu verkaufen. Durch die Vorlaufzeit kann der Verkauf in Ruhe geplant werden, um einen optimalen Kaufpreis zu erzielen. Auf keinen Fall sollte abgewartet werden, was die Bank macht, wenn die Raten nicht bezahlt werden können. Denn wenn es zur Zwangsversteigerung kommt, ist die Immobilie oft weg und es bleiben Restschulden. Auch ein Teilverkauf mit anschließender Rückmietung ist denkbar, kann aber weitere Probleme mit sich bringen.
Weiterführende Hinweise
- Götze, U.: Investitionsrechnung, Modelle und Analyse zur Beurteilung von Investitionsvorhaben, 7. Auflage, Berlin/Heidelberg 2014
- Hoberg, P. (2018): Einheiten in der Investitionsrechnung, WISU, 47. Jg., 4/2018, S. 468 ‒ 474
- Hoberg, P. (2020): Controllers Trickkiste: Die sichere Auswahl von finanzmathematischen Faktoren, iww.de/s5464
- Hoberg, P. (2022a): Finanzierung bei Zinserhöhungsgefahren, BBP 22, 248
- Hoberg, P. (2022b): Nach Erhöhung der Zinssätze: Wie weit müssen die Immobilienpreise fallen, um attraktiv zu bleiben?, BBP 22, 336