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  • · Fachbeitrag · Gesellschaftsrecht

    Erweiterte Möglichkeiten der Beweisführung zur Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit

    von RAin Jieyao Hu-Windheim, Römermann Rechtsanwälte AG

    | Mit der Entscheidung vom 28.6.22 (II ZR 112/21, Abruf-Nr. 230551 ) hat der für Gesellschaftsrecht zuständige II. Zivilsenat des BGH neue Kriterien für die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit zugelassen. Dadurch wird dem klagenden Insolvenzverwalter in einem Anfechtungsprozess die Beweisführung tendenziell erleichtert. Für die Geschäftsleiter insolvenzgefährdeter Unternehmen wird zum Schutz vor Haftung aus § 15b InsO (§ 64 Abs. 2 GmbHG a. F.) eine intensive Beobachtung der Liquiditätslage noch wichtiger werden. |

    1. Bisheriger Stand der Rechtsprechung

    Gemäß § 17 Abs. 2 S. 1 InsO liegt Zahlungsunfähigkeit vor, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Der für Insolvenzrecht zuständige IX. Zivilsenat des BGH hat durch ein Urteil im Mai 2005 die Legaldefinition konkretisiert (BGH 24.5.05, IX ZR 123/04, NZI 05, 547 ff.). Demnach ist regelmäßig von einer Zahlungsunfähigkeit auszugehen, wenn eine innerhalb von drei Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke des Schuldners 10 % oder mehr aller fälligen Verbindlichkeiten beträgt, sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig beseitigt werden wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist. Diese Entscheidung gilt seitdem als das Grundsatzurteil in Sachen Feststellung der Zahlungsunfähigkeit.

     

    Basierend auf dieser Entscheidung ist für die Feststellung, ob die Liquiditätslücke (größer als 10 %) innerhalb von drei Wochen beseitigt werden wird, eine Liquiditätsbilanz erforderlich. Dafür werden an einem bestimmten Stichtag, an dem sich eine Liquiditätslücke auftut, die verfügbaren Mittel (Aktiva I) und die innerhalb der nächsten drei Wochen zu erwartenden Zahlungseingänge (Aktiva II) den am selben Stichtag fälligen zuzüglich aller innerhalb der nächsten drei Wochen fällig werdenden Verbindlichkeiten gegenübergestellt. Es ist eine zeitraumbezogene Betrachtungsweise. Wird die Liquiditätslücke innerhalb der Drei-Wochen-Frist geschlossen, lag rückblickend in dem Zeitpunkt, als die Lücke aufklaffte, keine Zahlungsunfähigkeit vor. Beim Auftreten der nächsten, höher als 10 % liegenden Liquiditätslücke wird erneut eine Liquiditätsbilanz mit einem dreiwöchigen Beobachtungszeitraum erstellt (MüKoInsO/Eilenberger, 4. Aufl. 2019, InsO § 17 Rn. 18a; BGH 24.5.05, IX ZR 123/04, NZI 05, 547 ff.).