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  • 22.11.2011

    Finanzgericht Hamburg: Beschluss vom 31.08.2011 – 6 V 2/11

    1. Die Pflicht zur Einzelaufzeichnung ergibt sich für Unternehmen aus § 22 UStG i. V. m. §§ 63 bis 68 UStDV. Diese Aufzeichnungspflicht wirkt, da dieses Gesetz keine Beschränkung auf seinen Geltungsbereich enthält und sich eine Beschränkung aus der Natur der Sache nicht ergibt, unmittelbar auch für andere Steuergesetze, also auch für das EStG und GewStG.

    2. Im Bereich des Taxigewerbes genügen die sog. Schichtzettel in Verbindung mit den Angaben, die sich auf dem Kilometerzähler und dem Taxameter des einzelnen Taxis ablesen lassen, den sich aus der Einzelaufzeichnungspflicht ergebenden Mindestanforderungen.


    Tatbestand

    I.

    Die Beteiligten streiten in der Hauptsache über die Hinzuschätzungen von Gewinnen und Umsätzen aufgrund einer Betriebsprüfung für den Taxenbetrieb des Antragstellers.

    Der einzeln veranlagte Antragsteller betreibt seit 1991 als Einzelunternehmer ein Taxenunternehmen mit mehreren Fahrzeugen. Er ermittelte für die Streitjahre seinen Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 EStG und erstellte die Buchführung für seinen Taxenbetrieb selbst. Für das Unternehmen des Antragstellers fuhren in den Streitjahren sechs Taxen.

    Für die Durchführung einer Außenprüfung, mit der am 10.03.2009 begonnen wurde, ergingen Prüfungsanordnungen am 25.02.2009 für den Zeitraum 2005-2007 und am 04.12.2009 für den Zeitraum 2003 und 2004, jeweils für Einkommensteuer, Gewerbesteuer und Umsatzsteuer. Der Betriebsprüfer gelangte zu folgenden Feststellungen:

    Tägliche Kassenberichte mit der Ermittlung der Tageseinnahmen liegen nicht vor. Die Einnahmen wurden jeweils am Monatsende für jeden einzelnen Fahrer in einem vom Antragsteller erstellten Kassenbericht erfasst (Bl. 33 der Betriebsprüfungsakten). Der Betrag der Einnahmen eines jeden Fahrers wurde aufgrund von Aufzeichnungen des Antragstellers für den jeweiligen Monat erfasst; diese Monatsaufstellungen enthielten

    die Bezeichnung des Fahrers,

    den Tag,

    die Einnahme an diesem Tag sowie

    die Unterschrift des Fahrers.

    Zudem erfolgten Abrechnungen für die einzelnen Fahrer, die folgende Angaben enthielten:

    Gesamt-Kilometer im Monat,

    Anzahl der Touren im Monat und

    Einnahmen im Monat.

    Grundaufzeichnungen der einzelnen Fahrer in Form von Schichtzetteln wurden dem Betriebsprüfer nicht vorgelegt.

    Für den Zeitraum 2005 bis 2007 wurde die durchschnittliche Gesamtjahresfahrleistung der sechs Taxen des Antragstellers durch die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) der Freien und Hansestadt Hamburg in Höhe von je 309.843 km ermittelt. Die BSU hatte im Zusammenhang mit der vom Antragsteller beantragten Erneuerung der Fahrkonzession die Fahrleistung seiner Fahrzeuge überprüft. Die BSU forderte vom TÜV-Nord Abschriften der TÜV-Berichte über die Fahrzeuge des Antragstellers an und legte sie ihrer Berechnung zugrunde. Anlass waren die von dem Antragsteller im Zusammenhang mit seinem Antrag auf Erneuerung der Fahrkonzessionen angegebenen Fahrleistungen seiner Fahrzeuge. Danach betrug die Fahrleistung des einzelnen Fahrzeugs ca. 38.000 km; für 6 Fahrzeuge ergab sich somit eine jährliche Fahrleistung von 228.000 km.

    Nach den Angaben des Antragstellers betrug die durchschnittliche Fahrleistung der angestellten Fahrer

    * im Jahr 2005: 208.843 km,
    * im Jahr 2006:186.859 km und
    * im Jahr 2007:205.594 km.
    Für den Zeitraum 2003 und 2004 konnten keine durchgehenden vom Antragsteller berechneten Kilometerstände ermittelt werden.

    Der Betriebsprüfer nahm aufgrund der Verletzung der Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten durch den Antragsteller Hinzuschätzungen bei den Einnahmen für die Jahre 2003 bis 2007 vor. Hierbei legte er unter Berücksichtigung einer jährlichen Fahrleistung von je 300.000 km für 2003 und 2004 sowie von je 305.000 km für 2005 bis 2007 und unter Berücksichtigung von Nettoerlösen je gefahrenen Kilometer entsprechend dem 4. Zwischenbericht des L. + K.-Gutachtens folgende Mehrerlöse zugrunde:

    Geschätzte Fahrleistung kmErlöse je km - netto - (L. + K.)Erlöse nettoerklärtMehrerlöse Mehrerlöse abgerundet
    2003300.0000,80 €240.000 €132.309 €107.691 €105.000 €
    2004300.0000,80 €240.000 €142.136 € 97.864 € 95.000 €
    2005305.0000,86 €262.300 €162.265 €100.035 €100.000 €
    2006305.0000,87 €265.350 €152.104 €113.246 €110.000 €
    2007305.0000.90 €274.500 €174.759 € 99.741 € 98.000 €
    Schließlich berücksichtigte der Betriebsprüfer weiteren Lohnaufwand als Betriebsausgaben. Hierfür legte er 50 % der Mehrerlöse zu Grunde und kürzte diesen Betrag um eine Lohnsteuer von 20 %. Zudem berücksichtigte der Betriebsprüfer weitere Treibstoffkosten in Höhe von je 6.000 € für 2003 bis 2005, 4.000 € für 2006 und 6.000 € für 2007.

    Auf der Grundlage dieser Feststellungen setzte der Antragsgegner die Einkommensteuer mit Bescheiden vom 12.10.2010, den Gewerbesteuermessbetrag mit Bescheiden vom 13.10.2010 und die Umsatzsteuer mit Bescheiden vom 12.10.2010 wie folgt geändert fest:

    EinkommensteuerGewerbesteuermessbetragUmsatzsteuer
    200324.179 €1.535 €9.194,89 €
    200421.442 €1.385 €8.237,02 €
    200521.889 €1.645 €8.162,02 €
    200624.115 €1.990 €9.381,46 €
    200722.636 €1.810 €8.970,59 €
    Am 02.11.2010 legte der Antragsteller hiergegen sowie gegen die Gewerbesteuerbescheide für 2003 bis 2007 vom 13.10.2010 Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide. Den Einspruch des Antragstellers gegen die Bescheide vom 04.11.2010 über die Ablehnung des Aussetzungsantrags lehnte der Antragsgegner mit Einspruchsentscheidung vom 10.12.2010 ab. Am 03.01.2011 hat sich der Antragsteller zum Zwecke der Aussetzung der Vollziehung an das Gericht gewandt.

    Der Antragsteller trägt vor:

    Eine Schätzungsbefugnis liege nicht vor. Zur Begründung werde auf die im außergerichtlichen Einspruchs- und Aussetzungsverfahren gemachten Ausführungen Bezug genommen. Zudem werde auf den Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 13.07.2010 V B 121/09 Bezug genommen, der mit dem Streitfall vergleichbar sei. Für eine Schätzungsbefugnis bestehe kein Raum.

    Selbst wenn davon ausgegangen werden müsste, dass seine Buchführung nicht allen formalen Ansprüchen Genüge täte, so bestünde kein Raum für eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen, denn es seien exakte und von seinen Fahrern unterzeichnete Aufstellungen hinsichtlich ihrer einzelnen Tageseinnahmen vorhanden. So wie in dem vom BFH entschiedenen Fall aufgrund des Vorhandenseins von Aufzeichnungen keine Schätzungsbefugnis gesehen worden sei, sei im Streitfall zu seinen, des Antragstellers, Gunsten vom Nichtvorliegen einer Schätzungsbefugnis aufgrund der vorhandenen Einzelaufzeichnungen der Fahrer auszugehen. Vorliegend existierten nicht nur die Einzelaufzeichnungen, sondern darüber hinaus auch Monatsaufzeichnungen in Form von Schichtzetteln, die Monatsumsätze des jeweiligen Fahrers auswiesen.

    Auch materiell-rechtlich sei die Schätzung im Hinblick auf die Betriebsstruktur nicht gerechtfertigt. Für weite Teile der im Streit befindlichen Jahre lägen keine belastbaren Daten vor, die der Sachverständige B vom Büro L. + K. nach eigenen Angaben erworben habe. Dieser habe im Verfahren 3 K 13/09 selbst eingeräumt, dass belastbare Daten frühestens seit 2006/2007 vorlägen. Auch das Schreiben vom 22.11.2010, das seinem, des Antragstellers, Prozessbevollmächtigten in jenem Verfahren zur Kenntnis gelangt sei und umfänglich die Bedenken seines Prozessbevollmächtigten gegen das Gutachten der Firma L. + K. mit fundierter Begründung bestätige, solle im vorliegenden Rechtsstreit Berücksichtigung finden.

    Angesichts seiner, des Antragstellers, Betriebsgröße in der heutigen Form und in Anbetracht der sich daraus ergebenden finanziellen Ressourcen sei im Falle einer Vollstreckung eine Existenzgefährdung gegeben.

    Der Antragsteller beantragt sinngemäß, die Vollziehung der Bescheide für 2003 bis 2007

    über Einkommensteuer vom 12.10.2010

    über den Gewerbesteuermessbetrag vom 13.10.2010 und

    über Umsatzsteuer vom 12.10.2010

    in Höhe der geänderten (Einkommensteuer und Umsatzsteuer) bzw. erstmaligen (Gewerbesteuermessbetrag) Festsetzungsbeträge auszusetzen.

    Der Antragsgegner beantragt, den Antrag abzulehnen.

    Der Antragsgegner trägt unter Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung vom 17.12.2010 ergänzend vor:

    Auch der Hinweis auf den Beschluss des BFH vom 13.07.2010 V B 121/09 vermöge dem Begehren des Antragstellers nicht zum Erfolg zu verhelfen. Der dort entschiedene Fall, bei dem außerhalb der Buchführung in Kalendern höhere Tageseinnahmen aufgezeichnet worden waren, sei mit dem Streitfall nicht vergleichbar. Im Fall des Antragstellers sei die für eine formell ordnungsgemäße Buchführung geltende Vermutung ihrer sachlichen Richtigkeit wegen der Mängel bei der Aufzeichnung der Einnahmen und den festgestellten tatsächlichen Fahrleistungen der betriebenen Taxen widerlegt. Er, der Antragsgegner, sei deshalb zur Schätzung befugt gewesen, da er diese - anders als in dem vom BFH entschiedenen Fall - nicht anders habe ermitteln oder berechnen können; eine gezielte Korrektur sei nicht möglich gewesen.

    Dem Gericht haben die Einkommensteuerakten Bd. I, die Gewerbesteuerakten Bd. I, die Umsatzsteuerakten Bd. I, die Betriebsprüfungsakten und die Rechtsbehelfsakten Bd. I, jeweils zur Steuernummer .../.../..., vorgelegen.

    Im Übrigen wird wegen weiterer Einzelheiten auf die eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

    Gründe

    II.

    Der Antrag ist zulässig und teilweise begründet.

    Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) soll das Gericht der Hauptsache auf Antrag die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

    Ernstliche Zweifel im Sinne von § 69 FGO liegen vor, wenn bei Prüfung der Sach- und Rechtslage aufgrund präsenter Beweismittel und des unstreitigen Sachverhalts erkennbar wird, dass aus gewichtigen Gründen Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechts- oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen besteht und sich bei abschließender Klärung dieser Fragen der Verwaltungsakt als rechtswidrig erweisen könnte (BFH Beschluss vom 27.01.2006 VIII B 179/05, BFH/NV 2006, 1150). Da das Aussetzungsverfahren wegen seines vorläufigen Charakters ein summarisches Verfahren ist, beschränkt sich die Überprüfung des Prozessstoffes auf den Sachverhalt, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten ergibt, auf die dem Gericht vorliegenden Unterlagen (insbesondere die Akten der Finanzbehörde) sowie auf die präsenten Beweismittel. Weitergehende Sachverhaltsermittlungen durch das Gericht sind nicht erforderlich (vgl. BFH Beschlüsse vom 21.07.1994 IX B 78/94, BFH/NV 1995, 116; vom 16.06.2003 IX B 60/03, BFHE 202, 557, BStBl II 2003, 945). Es ist Sache der Beteiligten, die entscheidungserheblichen Tatsachen vorzutragen und glaubhaft zu machen. Glaubhaftmachung ist eine Beweisführung, die dem Richter nicht die volle Überzeugung, sondern nur einen geringeren Grad von Wahrscheinlichkeit vermitteln soll. Die im Hauptsacheverfahren geltenden Regeln zur Feststellungslast gelten auch für das Aussetzungsverfahren. Die Tat- und Rechtsfragen brauchen nicht abschließend geprüft zu werden.

    Bei der notwendigen Abwägung der im Einzelfall entscheidungsrelevanten Umstände und Gründe sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Irgendeine vage Erfolgsaussicht genügt jedoch nicht. Andererseits ist nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sprechenden Gründe überwiegen (vgl. BFH Beschlüsse vom 14.11.1989 VII B 124/89, BFH/NV 1990, 279; vom 06.09.1989 II B 33/89, BFH/NV 1990, 670). Ist die Rechtslage nicht eindeutig, so ist im summarischen Verfahren nicht abschließend zu entscheiden, sondern im Regelfall die Vollziehung auszusetzen (BFH Beschluss vom 10.05.2001 I S 3/01, BFHE 194, 360, BFH/NV 2001, 957).

    Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze bestehen im Streitfall ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide vom 12. und 13.10.2010. Die Bescheide erweisen sich nach der gebotenen summarischen Prüfung nicht als rechtmäßig.

    1. Nach summarischer Prüfung hat der Antragsgegner dem Grunde nach allerdings zu Recht die Besteuerungsgrundlagen für die Ermittlung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß § 15 EStG, des Gewerbeertrags gemäß § 7 Abs. 1 GewStG und der Umsatzsteuer gemäß § 162 der Abgabenordnung (AO) geschätzt.

    Nach § 162 Abs. 1 Satz 1 AO sind Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit die Finanzbehörde diese nicht ermitteln kann. Nach § 162 Abs. 2 Satz 1 AO ist insbesondere dann zu schätzen, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichende Erklärung zu geben vermag, er eine weitere Auskunft verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 AO verletzt. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), von der abzuweichen keine Veranlassung besteht, folgt aus der gemeinsamen Verantwortung von Steuerpflichtigen einerseits und Finanzbehörde sowie Finanzgericht andererseits für die vollständige Sachaufklärung im Abgabenrecht, dass sich dann, wenn ein Steuerpflichtiger die ihm auferlegten allgemeinen oder besonderen Mitwirkungs-, Informations- oder Nachweispflichten verletzt, grundsätzlich die Ermittlungspflicht der Finanzbehörde oder des Finanzgerichtes entsprechend mindert. Die Kriterien und das Ausmaß der Reduzierung von Sachaufklärungspflichten und Beweismaß lassen sich nicht generell festlegen, sondern nur von Fall zu Fall bestimmen (vgl. BFH Urteil vom 15.02.1989 X R 16/86, BFHE 156, 38, BStBl II 1989, 1187).

    a) Der Antragsteller war im Rahmen der von ihm zulässigerweise nach § 4 Abs. 3 EStG vorgenommenen Gewinnermittlung zur Aufzeichnung der Betriebseinnahmen verpflichtet. Auch die Überschussrechnung setzt voraus, dass die Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben durch Belege nachgewiesen werden (BFH Urteil vom 15.04.1999 IV R 68/98, BFHE 188, 291, BStBl II 1999, 481).

    aa) Die Pflicht zur Einzelaufzeichnung ergibt sich für Unternehmen aus § 22 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) i. V. m. §§ 63 bis 68 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV). Zwar sind umsatzsteuerrechtliche Aufzeichnungen keine Aufzeichnungen „nach anderen Gesetzen als den Steuergesetzen” i. S. des § 140 AO. Die Aufzeichnungsverpflichtung aus einem Steuergesetz wirkt aber, sofern dieses Gesetz keine Beschränkung auf seinen Geltungsbereich enthält oder sich eine Beschränkung aus der Natur der Sache nicht ergibt, unmittelbar auch für andere Steuergesetze, also auch für das EStG und GewStG (vgl. BFH Urteile vom 02.03.1982 VIII R 225/80, BFHE 136, 28, BStBl II 1984, 504; vom 26.02.2004 XI R 25/02, BFHE 205, 249, BStBl II 2004, 599).

    Gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 1 UStG sind u.a. auch die vereinnahmten Entgelte aufzuzeichnen. Nach § 63 Abs. 1 UStDV müssen die Aufzeichnungen so beschaffen sein, dass es einem sachverständigen Dritten innerhalb einer angemessenen Zeit möglich ist, einen Überblick über die Umsätze des Unternehmens und die abziehbaren Vorsteuern zu erhalten.

    bb) Danach sind Betriebseinnahmen einzeln aufzuzeichnen. Dem Grundsatz nach gilt das auch für Bareinnahmen. Der Umstand der sofortigen Bezahlung der Leistung rechtfertigt nicht, die jeweiligen Geschäftsvorfälle nicht auch einzeln aufzuzeichnen. Zwar sind aus Gründen der Zumutbarkeit und Praktikabilität bestimmte Berufsgruppen (wie z. B. Einzelhändler) von der Pflicht zur Einzelaufzeichnung entbunden. Die Situation bei Einzelhandelsunternehmen ist aber mit der bei Taxiunternehmen nicht vergleichbar (vgl. BFH Urteil vom 12.05.1966 IV 472/60, BStBl III 1966, 371, 373). Indes genügen im Bereich des Taxigewerbes die sog. Schichtzettel in Verbindung mit den Angaben, die sich auf dem Kilometerzähler und dem Taxameter des einzelnen Taxis ablesen lassen, den sich aus der Einzelaufzeichnungspflicht ergebenden Mindestanforderungen; damit wird den branchenspezifischen Besonderheiten dieses Gewerbes ausreichend Rechnung getragen (BFH Urteil vom 26.02.2004 XI R 25/02, a. a. O.) sind.

    cc) § 147 Abs. 1 AO verlangt die geordnete Aufbewahrung von Unterlagen. Diese Aufbewahrungspflicht ist akzessorisch und setzt eine Aufzeichnungspflicht voraus. Die Aufbewahrung von Einnahmeursprungsaufzeichnungen ist nicht erforderlich, wenn deren Inhalt unmittelbar nach Auszählung der Tageskasse in das in Form aneinandergereihter Tageskassenberichte geführte Kassenbuch übertragen wird (BFH-Urteil vom 13. Juli 1971 VIII 1/65, BFHE 103, 34, BStBl II 1971, 729). Mit Urteil vom 26.02.2004 (XI R 25/02, a. a. O.) entschied der BFH, dass im Taxigewerbe erstellte „Schichtzettel” aufzubewahren sind.

    b) Diese Voraussetzungen für die Erfüllung der Aufzeichnungspflichten sind nach summarischer Prüfung im Streitfall jedoch nicht erfüllt. Es bestand in den Streitjahren keine Tageskasse, deren Ergebnis nach Auszählung unmittelbar in ein Kassenbuch übernommen wurde. Die Ergebnisse des Antragstellers setzen sich vielmehr aus den von ihm monatlich gebuchten Einnahmen (siehe Anlage 2 zum Betriebsprüfungsbericht vom 12.08.2010, Bl. 33 Betriebsprüfungsakten), die wiederum aus monatlich erstellten Abrechnungen für die einzelnen Fahrer hergeleitet waren, zusammen. Diese Abrechnungen (Anlage 4 zum Betriebsprüfungsbericht vom 12.08.2010, Bl. 36 Betriebsprüfungsakten) enthielten zwar für den jeweiligen Fahrer Eintragungen zur Gesamt-Kilometerleistung, zur Anzahl der Touren und zur monatlichen Einnahme, ähnlich den notwendigen Angaben in einem Schichtzettel. Der Antragsteller hat jedoch keine Schichtzettel vorgelegt, die täglich aufgezeichnet wurden.

    Zwar hat der Antragsteller in diesem Verfahren vorgetragen, dass exakte und von seinen Fahrern unterzeichnete Aufstellungen hinsichtlich ihrer einzelnen Tageseinnahmen vorhanden seien. Er hat es jedoch versäumt, diese Tagesaufzeichnungen für den Streitzeitraum vorzulegen. Auch der Betriebsprüfung waren Schichtzettel nicht zur Verfügung gestellt worden. Aufgrund des vorläufigen Charakters dieses summarischen Verfahrens aber beschränkt sich die Überprüfung des Prozessstoffes auf die dem Gericht vorliegenden Unterlagen sowie auf nur präsente Beweismittel.

    Die Vorlage eben dieser Schichtzettel als Einnahmeursprungsaufzeichnungen, für die dem Antragsteller eine Aufbewahrungspflicht von 10 Jahren (§ 147 Abs. 3 AO) obliegt, wäre aber für die Glaubhaftmachung der Behauptung des Antragstellers, sämtliche Einnahmen und Umsätze erklärt zu haben, erforderlich gewesen; denn sie enthalten Angaben, aus denen sich die Höhe der Umsätze und damit auch der Betriebseinnahmen unmittelbar ergibt. Sowohl bei Verletzung der Aufbewahrungspflicht als auch bei Verletzung der Aufzeichnungspflicht ist der Antragsgegner dem Grunde nach zur Schätzung gemäß § 162 Abs. 1 und 2 AO berechtigt.

    2. Die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide ist hingegen wegen der Höhe der von dem Antragsgegner gemäß § 162 AO geschätzten Besteuerungsgrundlagen ernstlich zweifelhaft.

    Der Antragsgegner ist bei der Schätzung der Besteuerungsgrundlagen von der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen durch den Antragsteller hinsichtlich zweier Größen abgewichen. Zum einen hat er nicht die sich aus den Abrechnungen des Antragstellers ergebenden Kilometer-Leistungen übernommen, sondern diese durch die von der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt der Freien und Hansestadt Hamburg (BSU) mitgeteilten ersetzt (a). Zum anderen hat der Antragsgegner abweichend von den Umsätzen pro gefahrenen Kilometer, die sich aus den Erklärungen für die Streitjahre zu Grunde gelegten Beträgen ergeben, Beträge zu Grunde gelegt, die er einem Zwischenbericht des L. + K.-Gutachtens entnommen hat (b).

    a) Die für die Ermittlung des Gewinns aus Gewerbebetrieb gemäß § 15 EStG bzw. des Gewerbeertrags gemäß § 7 Abs. 1 GewStG von dem Antragsgegner zu Grunde gelegten Kilometerleistungen aller 6 Taxen des Antragstellers in Höhe von 300.000 km für 2003 und 2004 sowie in Höhe von 305.000 km für 2005 bis 2007 entspricht nach dem Vortrag des Antragsgegners den Zahlen, die die BSU aus den für die Antragstellerin angeforderten TÜV-Berichten ermittelt hat. Diese Zahlen sind nicht zu beanstanden und werden auch bei der Schätzung durch das Gericht im summarischen Verfahren zugrunde gelegt. Zwar liegen die TÜV-Berichte dem Gericht nicht vor. Der Antragsteller hat jedoch weder die Existenz dieser Berichte bestritten noch substantiierte Einwendungen gegen die Höhe der berücksichtigten Kilometerleistungen erhoben. Zudem bestehen hinsichtlich der von dem Antragsgegner angesetzten Höhe dieser Fahrleistungen für die einzelne Taxe von - gemittelt - weniger als 51.000 km pro Jahr auch keine Einwendungen angesichts der von dem Rechtsamt der Freien und Hansestadt Hamburg - Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt - in Auftrag gegebenen Gutachten über die wirtschaftliche Lage des Hamburger Taxigewerbes, die von dem Unternehmen L. + K. erstattet worden sind. Für die Jahre 2003 und 2004 folgt daraus eine durchschnittliche Fahrleistung pro Taxi von 54.265 km in 2003 und 56.014 km in 2004 (Zwischenbericht S. 20); angesichts dessen ist eine durchschnittliche Fahrleistung von weniger als 51.000 km pro Taxi nicht zu beanstanden.

    b) Abweichend von den Bemessungsgrundlagen für die von dem Antragsgegner durchgeführte Schätzung berücksichtigt der Senat im summarischen Verfahren als Umsätze (netto) je gefahrenen Kilometer die Beträge, die sich aus den Erklärungen des Antragstellers ergeben und sich wie folgt berechnen:

    20032004200520062007
    Erklärte Fahrleistung208.843186.859205.594
    erklärte Umsätze132.309 €142.137 €165.266 €152.104 €174.104 €
    Umsatz netto je gefahrenen km0,790,810,85
    Mangels vorliegender Beträge für die erklärte Fahrleistung in den Jahren 2003 und 2004 schätzt der Senat die Umsätze (netto) je gefahrenen Kilometer in Anlehnung an die Relationen zwischen dem Jahr 2005 und den Vorjahren aus dem Gutachten von L. + K. (3. Zwischenbericht Seite 7: 2003 und 2004 zu 0,80 € sowie 2005 zu 0,86 €) mit je 0,74 €. Im Hauptsacheverfahren wird ggf. aufzuklären sein, ob es sich bei dem Unternehmen des Antragstellers um ein solches handelt, das im Funkbetrieb arbeitet, da nach den Zwischenberichten von L. + K. insoweit unterschiedliche Umsätze erlöst werden. Die aufgrund der vorgenannten Berechnung sich ergebenden Umsätze je gefahrenen Kilometer weichen nicht signifikant von den Beträgen aus den Zwischenberichten ab. Sie liegen zwischen den Beträgen der durchschnittlichen Umsatzleistung eines Alleinfahrer-Unternehmens und eines Unternehmens ohne Funkbetrieb (vgl. 2. Zwischenbericht S. 6 und 7 - 2003 bis 2006 - und 4. Zwischenbericht S. 14 - 2006 und 2007 -).

    b) Hinsichtlich der Berücksichtigung weiterer Betriebsausgaben gemäß § 4 Abs. 4 EStG folgt der Senat nach summarischer Prüfung im Grundsatz den Ermittlungen des Antragsgegners. Dies gilt insbesondere für den um die Lohnsteuer in Höhe von 20 % geminderten Abzug für Lohnaufwendungen. Auch der zusätzliche Aufwand für Treibstoff wird entsprechend den Ausführungen des Antragsgegners berücksichtigt. Schließlich erfolgt unverändert eine Berücksichtigung privater Pkw-Nutzung. Gegen diesen Ansatz von Besteuerungsgrundlagen hat der Antragsteller nichts vorgetragen.

    3. Danach ergeben sich folgende auszusetzende Beträge bzw. der Aussetzung der Vollziehung zu unterwerfende Besteuerungsgrundlagen:

    a) Gewinn aus Gewerbebetrieb - GaG - gemäß § 15 EStG bzw. Gewerbeertrag gemäß § 7 Abs. 1 GewStG:

    20032004200520062007
    Fahrleistung300.000300.000305.000305.000305.000
    Umsatz je gefahrenen km0,74 €0,74 €0,79 €0,81 €0,85 €
    Umsätze netto220.839 €220.839 €241.359 €248.271 €258.284 €
    erklärte Umsätze bisher 132.309 €142.137 €165.266 €152.104 €174.104 €
    Mehrumsätze netto88.530 €78.702 €76.093 €96.167 €84.180 €
    Mehrumsätze netto abgerundet85.000 €75.000 €75.000 €95.000 €80.000 €
    Mehrumsätze brutto abgerundet90.950 €80.250 €80.250 €101.650 €85.600 €
    Lohnaufwand 50 % 45.475 €40.125 €40.125 €50.825 €42.800 €
    davon LSt 20 %9.095 €8.025 €8.025 €10.165 €8.560 €
    abzgl. Lohnaufwand36.380 €32.100 €32.100 €40.660 €34.240 €
    abzgl. Treibstoff6.000 €6.000 €6.000 €4.000 €6.000 €
    Vorsteuer auf Treibstoff960 €960 €960 €640 €1.140 €
    zzgl. nicht erfasste Pkw-Nutzung3.600 €3.600 €3.600 €
    zzgl. USt 80 %461 €461 €461 €
    Mehr-GaG51.671 €45.251 €45.251 €56.350 €44.220 €
    GaG wie erklärt14.743 €18.163 €20.117 €22.345 €28.988 €
    GaG neu 66.414 € 63.413 € 65.367 € 78.695 € 73.208 €
    GaG nach Bp79.254 €76.253 €81.417 €88.325 €84.764 €
    Weniger-GaG- 12.840 €- 12.840 €- 16.050 €- 9.630 €- 11.556 €
    b) Umsatzsteuer

    20032004200520062007
    Mehr-Umsätze netto, abgerundet85.000,00 €75.000,00 €75.000,00 €95.000,00 €80.000,00 €
    USt darauf5.950,00 €5.250,00 €5.250,00 €6.650,00 €5.600,00 €
    abzgl. Vorsteuer auf Treibstoff-960,00 €-960,00 €-960,00 €-640,00 €- 1.140,00 €
    zzgl. USt 80 % auf Pkw-Nutzung460,80 €460,80 €460,80 €
    Mehr-USt neu5.450,80 €4.750,80 €4.750,80 €6.010,00 €4.460,00 €
    USt vor Bp2.344,09 €2.086,22 €1.661,22 €2.323,46 €3.250,59 €
    USt neu7.794,89 €6.837,02 €6.412,02 €8.331,46 €7.710.59 €
    USt nach Bp9.194,89 €8.237,02 €8.162,02 €9.381,46 €8.970,59 €
    Weniger-USt- 1.400,00 €- 1.400,00 €- 1.750,00 €- 1.050,00 €- 1.260,00 €
    4. Soweit die angefochtenen Verwaltungsakte nicht wegen ernstlicher Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit auszusetzen waren, ist auch eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht gegeben, § 69 Abs. 2 S. 2 FGO.

    Eine unbillige Härte ist anzunehmen, wenn die Zahlung dem Betroffenen nicht wiedergutzumachenden Schaden zufügt, weil er auch durch eine etwaige spätere Rückzahlung nicht ausgeglichen werden kann, etwa wenn die Zahlung die Insolvenz herbeiführt oder die Vollziehung sonst zu einer Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz führen würde (vgl. BFH Beschluss vom 31.01.1967 VI S 9/66, BFHE 87, 600, 601, BStBl III 1967, 255; Urteil vom 19.11.1985 VIII R 18/85, BFH/NV 1987, 277).

    Im Streitfall ist weder dargelegt noch sonst aus den Akten erkennbar, dass dem Antragsteller aus der Vollziehung der angefochtenen Bescheide besondere Härten drohen, die über die Steuerzahlung als solche hinausgehen. Zu seiner Einkommens- und Vermögenslage hat der Antragsteller konkret nichts ausgeführt, das eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte begründen könnte.

    5. Das Gericht sieht im Streitfall auch davon ab, die Aussetzung nur gegen Sicherheitsleistung zu gewähren.

    Daraus, dass es im Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung Sache der Beteiligten ist, die entscheidungserheblichen Tatsachen darzulegen und glaubhaft zu machen, soweit ihre Mitwirkungspflicht reicht, folgt, dass für die Anordnung einer Sicherheitsleistung der Antragsgegner die für eine Gefährdung des Steueranspruchs sprechenden Gesichtspunkte vortragen muss (vgl. BFH Beschluss vom 29.06.1977 VIII S 15/76, BFHE 122, 516, BStBl II 1977, 726) und der Antragsteller ggf. Umstände, die ein (dargelegtes) Sicherungsbedürfnis der Behörde entfallen oder unangemessen erscheinen lassen (vgl. BFH Beschlüsse vom 31.01.1997 X S 11/96, BFH/NV 1997, 512, und vom 23.08.2000 VII B 145, 146/00, BFH/NV 2001, 75; vom 20.03.2002 IX S 27/00, BFH/NV 2002, 809).

    Von einer Anordnung der Sicherheitsleistung war abzusehen, weil der Antragsgegner die behauptete Gefährdung des Steueranspruchs nicht schlüssig dargelegt hat. Da sich auch aus dem sonstigen Vorbringen der Beteiligten und dem übrigen Inhalt der Akten keine Anhaltspunkte für eine derzeitige schlechte wirtschaftliche Situation des Antragstellers ergeben, war die Aussetzung der Vollziehung nicht von der Anordnung einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen.

    III.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Beschwerde folgt aus § 128 Abs. 3 i. V. m. § 115 Abs. 2 FGO.

    VorschriftenAO § 140, AO § 162, UStG § 22 i, UStDV § 63, UStDV § 64, UStDV § 65, UStDV § 66, UStDV § 67, UStDV § 68