· Fachbeitrag · Betriebsprüfung
Modernisierung der Außenprüfung: Das ist neu ab 1.1.25
von Dipl.-Finw. Bernhard Köstler, Neubiberg
| Bereits seit Jahren werden die Neuregelungen zur Betriebsprüfung, die durch das DAC7-UmsG vom 20.12.22 (BGBl I 22, 2730) verabschiedet wurden, kontrovers diskutiert. Am 1.1.25 tritt nun der „Ernstfall“ ein und viele dieser Neuerungen sind erstmals anzuwenden. BBP verrät, was neu ist und wie sich Mandanten und Berater positionieren sowie organisieren sollten. |
1. Neuregelungen zur Ablaufhemmung
Nach bisheriger Rechtslage konnte der Eintritt der Festsetzungsverjährung durch den Beginn einer Außenprüfung gehemmt werden (§ 171 Abs. 4 S. 1 AO a. F.). Die Festsetzungsverjährung trat in diesem Fall grundsätzlich erst mit Beendigung der Außenprüfung ein. Auf die Dauer der Prüfung kam es danach nicht mehr an. In der Praxis ist es insbesondere bei Konzernprüfungen zu Prüfungsdauern von sieben bis zehn Jahren gekommen. Diese lange Prüfungsdauer soll durch die Neuregelungen im DAC7-UmsG verhindert werden.
MERKE | Die folgenden Ausführungen zur Neuregelung des § 171 Abs. 1 i. V. m. § 197 Abs. 5 AO greifen erstmals für Steuern, Steuervergütungen und gesonderte Feststellungen von Besteuerungsgrundlagen, die nach dem 31.12.24 entstehen. Von den Neuregelungen dürften deshalb aktuell nur Mandanten betroffen sein, bei denen das FA eine zeitnahe Betriebsprüfung durchführt. Sie sollten aber für alle Unternehmensmandanten zum Anlass genommen werden, eine Tax-Compliance-Prüfung durchzuführen. |
Ab 1.1.25 greifen folgende Neuregelungen zur Ablaufhemmung:
- Es gilt grundsätzlich eine Ablaufhemmung von fünf Jahren (§ 171 Abs. 4 S. 3 Hs. 1 AO). Sie beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Prüfungsanordnung bekanntgegeben wurde.
- Ist Grundlage der Außenprüfung ein Steuerbescheid, der aufgrund einer in § 149 Abs. 3 AO genannten Steuererklärung erlassen wurde, soll die Prüfungsanordnung bis zum Ablauf des Kalenderjahrs ergehen, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem der Steuerbescheid wirksam geworden ist.
- Wird keine Prüfungsanordnung erlassen, beginnt die Ablaufhemmung automatisch mit Ablauf des Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem der Steuerbescheid wirksam geworden ist (§ 197 Abs. 5 S. 2 AO).
- Die neue fünfjährige Ablaufhemmung soll grundsätzlich für alle Steuern auf einer Prüfungsanordnung einheitlich enden (§ 197 Abs. 5 S. 3 AO). Deshalb wirkt die Begrenzung der Ablaufhemmung nur für diejenige Steuer der Prüfungsanordnung, für die zuletzt ein Steuerbescheid ergangen ist.
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In einer Prüfungsanordnung sind die Einkommen- und die Umsatzsteuer für die Jahre 2025 bis 2027 als Prüfungsgegenstand aufgeführt. Zusätzlich soll die Grunderwerbsteuer für einen Sachverhalt im Jahr 2026 geprüft werden. Die Steuerbescheide für 2027 wurden im Jahr 2029 wirksam. Das FA verschickt die Prüfungsanordnung im Jahr 2031.
Folge: Für den Beginn der Ablaufhemmung und der Festsetzungsfrist ist zwischen der Einkommen- und Umsatzsteuer (in § 149 Abs. 3 AO genannt) einerseits und der Grunderwerbsteuer (nicht in § 149 Abs. 3 AO genannt) andererseits zu unterscheiden.
Ablaufhemmung und Verjährung für die Einkommen- und Umsatzsteuer | |
Beginn der Ablaufhemmung (wirksamer Steuerbescheid 2029 + 1 Jahr) | 31.12.30 |
Ablaufhemmung | 5 Jahre |
Festsetzungsverjährung | 31.12.35 |
Ablaufhemmung und Verjährung für die Grunderwerbsteuer | |
Beginn der Ablaufhemmung (Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Prüfungsanordnung bekannt gegeben wurde) | 31.12.31 |
Ablaufhemmung | 5 Jahre |
Festsetzungsverjährung | 31.12.36 |
Ergebnis: Das FA hat für die Einkommen- und Umsatzsteuer bis zum 31.12.35 Zeit, die Betriebsprüfung durchzuführen und die geänderten Steuerbescheide bekannt zu geben. Für die Grunderwerbsteuer hat es bis zum 31.12.36 Zeit. |
Beachten Sie | Die Ablaufhemmung von fünf Jahren kann sich verlängern, wenn der Beginn der Prüfung auf Antrag des Unternehmens verschoben wird, wenn eine zwischenstaatliche Hilfe in Anspruch genommen wird oder wenn ein Strafverfahren gegen das Unternehmen für Steuern eingeleitet wird, die Prüfungsgegenstand sind (§ 171 Abs. 4 S. 4 bis 7 AO). Die Ablaufhemmung verlängert sich zudem, wenn gegen das Unternehmen ein Mitwirkungsverzögerungsgeld festgesetzt wird (§ 200a Abs. 4 S. 1 AO).
MERKE | Die folgenden Ausführungen sind grundsätzlich auf Steuern und Steuervergütungen anzuwenden, die nach dem 31.12.24 entstehen. Sie greifen jedoch auch für Steuern und Steuervergütungen, die vor dem 1.1.25 entstanden sind, wenn für diese nach dem 31.12.24 eine Prüfungsanordnung bekannt gegeben wird. |
2. Qualifiziertes Mitwirkungsverlangen und Verzögerungsgeld
Die Neuregelung in § 200a AO sieht ein qualifiziertes Mitwirkungsverlangen bei Außenprüfungen vor, um zu verhindern, dass sich Betriebsprüfungen aufgrund fehlender oder unzureichender Mitwirkung in die Länge ziehen.
Das FA kann nach Ablauf von sechs Monaten nach Bekanntgabe der Prüfungsanordnung einen Mandanten schriftlich oder elektronisch zur Mitwirkung nach § 200 Abs. 1 AO auffordern. Dieses qualifizierte Mitwirkungsverlangen stellt einen Verwaltungsakt dar (§ 200a Abs. 1 S. 1 AO). Kommt der Mandant dieser Aufforderung nicht nach, zieht das folgende Konsequenzen nach sich:
- Die Fünfjahresfrist der Ablaufhemmung verlängert sich um die Dauer der Mitwirkungsverzögerung, mindestens aber um ein Jahr (§ 200a Abs. 4 S. 1 AO).
- Ist eine Mitwirkungsverzögerung eingetreten, hat der Prüfer des FA keinen Ermessensspielraum. Es ist ein Verzögerungsgeld festzusetzen (§ 200a Abs. 2 S. 6 AO). Und auch bei der Höhe des Mitwirkungsverzögerungsgelds hat der Prüfer kein Ermessen. Es beträgt 75 EUR für jeden Tag der Mitwirkungsverzögerung, höchstens jedoch für 150 Tage (§ 200a Abs. 2 S. 2 AO). Das maximale Mitwirkungsverzögerungsgeld beträgt demnach 11.250 EUR. Das FA kann zusätzlich einen Zuschlag zum Mitwirkungsverzögerungsgeld festsetzen (§ 200a Abs. 3 S. 1 Nr. 1 AO): 25.000 EUR für jeden Kalendertag der Mitwirkungsverzögerung, maximal für 150 Tage.
Beachten Sie | Die Vorschrift zum qualifizierten Mitwirkungsverlangen und zum Verzögerungsgeld dürfte in den nächsten Jahren ähnlich wie das Verzögerungsgeld nach § 146 Abs. 2c AO zu zahlreichen Gerichtsverfahren führen, da noch viele Fragen zur Ermessensausübung durch das FA offen sind.
3. Einführung eines Teilabschlussbescheids
Aus Gründen der Rechtssicherheit und zur Verhinderung weiterer Nachzahlungszinsen nach § 233a AO kann für im Prüfungszeitraum getroffene Feststellungen nach § 180 Abs. 1 AO ein Teilabschlussbescheid erlassen werden. Dieser steht zwar im Ermessen des FA, doch beantragt das Unternehmen einen Teilabschlussbescheid, ist dieser zu erstellen, wenn ein erhebliches Interesse daran besteht.
4. Neue Dokumentationspflichten bei Verrechnungspreisen
Nach § 90 Abs. 4 AO ist das FA ermächtigt, jederzeit die Vorlage einer Verrechnungspreisdokumentation zu verlangen. Ohne gesondertes Verlangen ist diese im Rahmen einer Betriebsprüfung binnen 30 Tagen nach Bekanntgabe der Prüfungsanordnung vorzulegen. Unternehmen, die nach § 90 Abs. 3 AO zur Erstellung einer Verrechnungspreisdokumentation verpflichtet sind und bei denen aufgrund der Betriebsgrößenklasse laufend Betriebsprüfungen durchgeführt werden, müssen daher zeitnah zu einer Vereinbarung mit verbundenen Unternehmen mit Ansässigkeit im Ausland Nachweise zur Fremdüblichkeit in einer Verrechnungspreisdokumentation festhalten.
Beachten Sie | Die neu eingeführte Pflicht zur Vorlage der vollständigen Verrechnungspreisdokumentation innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Prüfungsanordnung wird durch das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz (BGBl I 24, Nr. 323 vom 29.10.24) abgeschwächt. Wesentlicher neuer Bestandteil der Aufzeichnungen nach § 90 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO ist eine sog. Transaktionsmatrix, die neben die bisherige Sachverhaltsdokumentation und die Angemessenheitsdokumentation tritt. Diese „Entschärfung“ der strengeren Vorlagepflicht ist natürlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein, denn in der Praxis wird der Prüfer des FA die Verrechnungspreisdokumentation wohl kaum 30 Tage nach Bekanntgabe der Prüfungsanordnung im Detail prüfen.