· Fachbeitrag · Betriebsprüfung
Wichtige Urteile und Überlegungen zur Betriebsprüfung
| Die Finanzverwaltung möchte die Zahl der Betriebsprüfungen deutlich erhöhen. Durch die Regelungen des DAC7-UmsG könnte dies mittelfristig sogar gelingen. Umso wichtiger ist es für Steuerberater, die wichtigsten Urteile zum Thema Betriebsprüfung zu kennen. BBP gibt einen Überblick über die interessantesten Entscheidungen der letzten Jahre. |
1. Ablaufhemmung trotz Unterbrechung der Betriebsprüfung
Es ist nicht ungewöhnlich, dass die Prüfer des FA ihre Betriebsprüfung im Dezember beginnen. Das Ziel ist klar: Der Eintritt der Festsetzungsfrist für das erste Prüfungsjahr soll verhindert werden. Durch den Prüfungsbeginn kurz vor Ablauf der Festsetzungsfrist tritt eine Ablaufhemmung ein. Was passiert aber, wenn der Prüfer im Dezember erste Prüfungshandlungen vornimmt und die Prüfung erst eineinhalb Jahre später fortsetzt? Mit dieser Frage hatte sich das FG Düsseldorf (10.10.24, 14 K 2292/22 G) zu befassen ‒ genauer gesagt mit der Vorschrift des § 171 Abs. 4 S. 2 AO.
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Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist mit einer Außenprüfung begonnen oder wird deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben, so läuft die Festsetzungsfrist für die Steuern, auf die sich die Außenprüfung erstreckt oder im Fall der Hinausschiebung der Außenprüfung erstrecken sollte, nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind oder nach Bekanntgabe der Mitteilung nach § 202 Abs. 1 S. 3 drei Monate verstrichen sind. Dies gilt nicht, wenn eine Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die Finanzbehörde zu vertreten hat. |
1.1 Darum ging es im Urteilsfall
Im Urteilsfall begann im Dezember 2015 eine Betriebsprüfung des FA für die Steuerjahre 2010 bis 2012. Der Prüfer forderte eine CD mit den Buchhaltungsdaten an und las diese im Dezember 2015 über seinen Laptop in die Prüfsoftware IDEA ein. Dabei wurden fehlende Datensätze festgestellt. Der Betriebsprüfer stellte im Jahr 2016 eine Anfrage an das Unternehmen und erschien erst im September 2017 zur weiteren Prüfung. Nach Auffassung des Unternehmens war die Betriebsprüfung unmittelbar nach Beginn unterbrochen worden, sodass die Anlaufhemmung nach § 171 Abs. 4 S. 2 AO entfallen sei.
1.2 So urteilte das FG Düsseldorf
Die vorgenommenen Handlungen stellen substanzielle Prüfungsschritte dar, sodass nicht mehr von einer Unterbrechung unmittelbar nach Prüfungsbeginn ausgegangen werden kann.
PRAXISTIPP | In vergleichbaren Fällen empfiehlt es sich, gegen Änderungsbescheide nach einer Betriebsprüfung Einspruch einzulegen und einen Antrag auf Ruhen des Verfahrens zu stellen. Denn die Streitfrage zur Ablaufhemmung wird nun in einem Revisionsverfahren beim BFH (IV R 18/24) geklärt. Insbesondere dann, wenn das Einlesen der IDEA-Daten keine ersten verwertbaren Ergebnisse ergeben hätte, dürfte § 171 Abs. 4 S. 2 AO greifen. |
2. Zulässigkeit einer Anschlussprüfung und Bestimmung des Betriebsprüfers
Im zweiten Urteilsfall musste sich das FG Münster (27.4.23, 1 K 2091/22 AO) mit den folgenden beiden Fragen auseinandersetzen:
- 1. Darf das FA bei einem Betrieb, der nicht als Großbetrieb eingestuft ist oder der keinem Konzern angehört, ohne Begründung eine zweite Anschlussprüfung vornehmen?
- 2. Kann ein Unternehmen gerichtlich überprüfen lassen, ob der für die Prüfung bestimmte Prüfer ausgetauscht werden kann?
2.1 Darum ging es im Urteilsfall
Das FA ordnete bei einem gewerblichen Einzelunternehmen für die Jahre 2010 bis 2012 eine Betriebsprüfung an. Diese führte zu erheblichen Mehrsteuern. Daraufhin wurde eine Betriebsprüfung für die Jahre 2013 bis 2015 angeordnet, die wiederum zu hohen Mehrsteuern führte. Im Anschluss an diese zweite Prüfung wurde dann eine dritte Betriebsprüfung für die Jahre 2016 bis 2018 angeordnet.
In allen drei Prüfungen wurde derselbe Prüfer eingesetzt. Das Verhältnis zwischen dem Unternehmen, dem Steuerberater und dem Prüfer war von der ersten Prüfung an sehr schwierig. In der Sachverhaltsschilderung des FG Münster wurde sogar darauf hingewiesen, dass der Unternehmer Strafanzeige gegen den Prüfer wegen des Verdachts der „vorsätzlichen Steuerübererhebung” stellen wollte.
2.2 So urteilte das FG Münster
2.2.1 Zu Frage 1
Dass eine zweite Anschlussprüfung erfolgte, war unbedenklich. Weder der AO noch der BpO kann entnommen werden, dass Außenprüfungen nur in einem bestimmten Turnus oder mit zeitlichen Abständen durchgeführt werden dürfen. Dies hat der BFH bereits mehrfach entschieden (u. a. 15.6.16, III R 8/15; 15.5.09, IV B 3/09).
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Führt eine Betriebsprüfung zu erheblichen Feststellungen und ist erkennbar, dass dieser Fehler bis zum Abschluss der Betriebsprüfung nicht abgestellt wird, ist eine Anschlussprüfung vorprogrammiert. Diese Anschlussprüfung könnte nur vermieden werden, wenn nach Abschluss der ersten Betriebsprüfung eine tatsächliche Verständigung mit dem FA für die Folgejahre getroffen wird. |
2.2.2 Zu Frage 2
Die Bestimmung des Betriebsprüfers im Rahmen einer Außenprüfung ist kein anfechtbarer Verwaltungsakt. Ein Einspruch gegen die Festlegung des Prüfers ist demnach nicht zulässig. Hat der Prüfer jedoch in einer vorangegangenen Prüfung unberechtigterweise Prüfungsfeststellungen an eine Strafverfolgungsbehörde weitergegeben, kommt eine gerichtliche Überprüfung der Prüferbestellung in Betracht.
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In der Praxis sollte bei schwerwiegenden Bedenken gegen den Prüfer zunächst der Sachgebietsleiter des Betriebsprüfers gebeten werden, den Prüfer zu wechseln. Dazu sind natürlich offensichtliche und nachweisbare Gründe vorzubringen. Zeigt sich der Sachgebietsleiter uneinsichtig, sollte der Antrag an den Amtsleiter des Prüfungs-FA gerichtet werden. Ist auch dieser nicht einsichtig, sollte eine übergeordnete Behörde (Betriebsprüfungsreferat) eingeschaltet werden. Erst wenn sich alle weigern, die vorgebrachten Gründe zu akzeptieren, sollte eine gerichtliche Überprüfung in Betracht gezogen werden. |
3. Datenzugriff des Betriebsprüfers auf E-Mails
In einem weiteren Urteilsfall musste das FG Hamburg (23.3.23, 2 K 172/19; Rev. BFH XI R 15/23) der Frage zur Reichweite des Datenzugriffs auf E-Mails durch den Betriebsprüfer nachgehen.
3.1 Darum ging es im Urteilsfall
Im entschiedenen Fall forderte das FA im Rahmen einer Außenprüfung die Vorlage von (elektronisch) empfangenen und abgesandten Handels- und Geschäftspapieren sowie sonstiger Unterlagen inklusive eines Gesamtjournals für die Streitjahre 2012 bis 2014.
3.2 So urteilte das FG Hamburg
Das FG Hamburg stellte klar, dass der Prüfer des FA das Recht auf einen Datenzugriff auf E-Mails hat, denn es besteht nach § 174 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AO i. V. m. § 257 Abs. 2 und § 343 HGB das Recht auf einen Datenzugriff für Handelsbriefe. Und da Handelsbriefe nicht auf eine bestimmte Form beschränkt sind, können auch E-Mails Handelsbriefe sein. Nach Ansicht des FG Hamburg darf der Betriebsprüfer jedoch kein Gesamtjournal anfordern, das nach den Vorgaben der Finanzverwaltung jede einzelne vom Unternehmen empfangene oder versandte E-Mail enthalten soll.
3.3 Anmerkung
In der Praxis interessieren sich die Prüfer des FA natürlich besonders für den internen E-Mail-Verkehr. Intern bedeutet, dass E-Mails zwischen verschiedenen Abteilungen des Unternehmens ausgetauscht werden. Dabei muss es sich aber nicht unbedingt um Handelsbriefe handeln, auf die ein Datenzugriff besteht. Als Handelsbriefe könnten nur die E-Mails verstanden werden, die an Externe versandt oder von Externen gesendet werden. Diese Frage müsste in einem weiteren Verfahren vor einem FG oder dem BFH geklärt werden.