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  • · Fachbeitrag · Bilanzsteuerrecht

    Bilanzielle Behandlung von nachträglichen Baumaßnahmen an Gebäuden

    von StB Dipl.-Bw. (FH) Thorsten Normann, Olsberg

    | Immobilien müssen fortlaufend modernisiert bzw. instandgesetzt werden. Dabei stellt sich regelmäßig die Frage, ob die Aufwendungen sofort abzugsfähig sind oder „nur“ über Absetzungen für Abnutzung (AfA) geltend 
gemacht werden können. Ausgehend von einer systematischen Prüfungsreihenfolge beleuchtet der Beitrag die einzelnen Bereiche anhand der aktuellen Rechtsprechung und den Verlautbarungen der Finanzverwaltung. |

    1. Prüfungsreihenfolge

    Bei der bilanziellen Beurteilung der Aufwendungen für nachträglich durchgeführte Baumaßnahmen an Gebäuden bietet sich eine systematische Vorgehensweise an, die u.a. wie folgt veranschaulicht werden kann:

     

     

    2. Neues oder anderes Wirtschaftsgut

    Im ersten Schritt ist zu prüfen, ob die nachträglich durchgeführten Baumaßnahmen bilanzsteuerlich als Herstellung eines neuen oder anderen Gebäudes zu klassifizieren sind. Leider fehlt es hier an einer klaren gesetzlichen Regelung, sodass auf die Rechtsprechung bzw. auf die Verlautbarungen der Finanzverwaltung zurückgegriffen werden muss.

     

    2.1 Neues Wirtschaftsgut

    Von der Herstellung eines neuen Gebäudes ist auszugehen, wenn das bestehende Gebäude so sehr abgenutzt ist, dass es unbrauchbar geworden ist (Vollverschleiß) und durch die Instandsetzungsarbeiten unter Verwendung der übrigen noch nutzbaren Teile ein neues Gebäude hergestellt wird. Ein Vollverschleiß liegt nach Auffassung der Finanzverwaltung vor, wenn das Gebäude schwere Substanzschäden an den für die Nutzbarkeit bestimmenden Gebäudeteilen aufweist (BMF 18.7.03, IV C 3 - S 2211 - 94/03, Tz. 18). Solche wesentlichen Gebäudeteile sind z.B. die Fundamente oder die tragenden Innen- und Außenmauern.

     

    Hinweis | Der grundlegende Umbau eines Gebäudes steht nur dann einem Neubau gleich, wenn die neu eingefügten Gebäudeteile dem Gesamtgebäude das bautechnische Gepräge eines neuen Gebäudes verleihen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn verbrauchte Teile, die für die Nutzungsdauer bestimmend sind, ersetzt werden. Demgegenüber kann nicht von einem Neubau gesprochen werden, wenn wesentliche Elemente, wie z.B. Fundamente, tragende Außen- und Innenwände, Geschossdecken und die Dachkonstruktion, erhalten bleiben (vgl. u.a. BFH 25.11.93, IV R 68/92).

     

    2.2 Anderes Wirtschaftsgut

    Keine nachträglichen Herstellungskosten, sondern Herstellungskosten für ein anderes Wirtschaftsgut entstehen, wenn das Gebäude im Wesen geändert und so tiefgreifend umgestaltet oder in einem solchen Ausmaß erweitert wird, dass die eingefügten neuen Teile der Gesamtsache das Gepräge geben und die verwendeten Altteile bedeutungs- und wertmäßig untergeordnet erscheinen (H 7.3 „Keine nachträglichen Herstellungskosten“ EStH). Dies ist beispielsweise der Fall, wenn eine Mühle zu einem Wohnhaus umgebaut wird (BFH 31.3.92, IX R 175/87) oder eine Scheune zukünftig als Pferdeklinik genutzt wird (BFH 26.1.78, V R 137/75).

     

    PRAXISHINWEIS | Aus Vereinfachungsgründen kann von der Herstellung eines anderen Wirtschaftsguts ausgegangen werden, wenn der im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Herstellung des Gebäudes angefallene Bauaufwand zuzüglich des Werts der Eigenleistung nach überschlägiger Berechnung den Verkehrswert des bisherigen Gebäudes übersteigt (R 7.3 Abs. 5 S. 2 EStR).

     

     

    2.3 Abschreibung

    Führen die Baumaßnahmen zur Entstehung eines neuen oder anderen Wirtschaftsguts, setzt sich die AfA-Bemessungsgrundlage aus dem Restbuchwert und den Aufwendungen für die Durchführung der Baumaßnahme zusammen. Darüber hinaus beginnt mit der Fertigstellung eine neue Nutzungsdauer bzw. ein neuer AfA-Zeitraum.

     

    Beachten Sie |Die Aussage in R 7.4 Abs. 9 S. 5 EStR, wonach die degressive Gebäude-AfA nach § 7 Abs. 5 EStG nur zulässig ist, wenn das andere Wirtschaftsgut ein Neubau ist, ist grundsätzlich nicht mehr von Bedeutung, da die degressive AfA für Neubauten (Bauantrag/obligatorischer Vertrag ab dem 1.1.06) nicht mehr gewährt wird.

    3. Nachträgliche Herstellungskosten

    Ist kein neues oder anderes Wirtschaftsgut entstanden, ist im nächsten Schritt zu überprüfen, ob nachträgliche Herstellungskosten i.S. des § 255 Abs. 2 S. 1 HGB vorliegen. Dies ist bei einer Erweiterung oder wesentlichen Verbesserung des Gebäudes der Fall.

     

    3.1 Erweiterung

    Eine Baumaßnahme ist insbesondere dann als Erweiterung zu klassifizieren, wenn das Gebäude in seiner Substanz vermehrt wird. Bei einem Anbau oder der Aufstockung des Gebäudes liegt regelmäßig eine Erweiterung vor.

     

    Hinweis | Im Gegensatz dazu liegt keine Erweiterung vor, wenn selbstständig verwertbare Anlagen errichtet werden, wie z.B. Blockheizkraftwerke, die so dimensioniert sind, dass sie auch weitere Gebäude mit Wärme versorgen und Energie erzeugen. Diese sind unabhängig vom Gebäude als eigenständige Vermögensgegenstände zu behandeln (Entwurf einer IDW Stellungnahme zur Rechnungslegung: Abgrenzung von Erhaltungsaufwand und Herstellungskosten bei Gebäuden in der Handelsbilanz - IDW ERS IFA 1, Tz. 7, Stand: 11.12.12).

     

    3.2 Wesentliche Verbesserung

    Eine wesentliche Verbesserung ist bei Gebäuden anzunehmen, wenn die durchgeführten Maßnahmen über eine zeitgemäße substanzerhaltende (Bestandteil-)Erneuerung hinausgehen, den Gebrauchswert des Gebäudes insgesamt deutlich erhöhen und damit für die Zukunft eine erweiterte Nutzungsmöglichkeit geschaffen wird (vgl. BMF 18.7.03, a.a.O., Tz. 28). Liegt z.B. wegen einer baulichen Maßnahme eine Anhebung des Standards in mindestens drei der zentralen Bereiche der Ausstattung (Heizung, Sanitärausstattung, Elektroinstallation/Informationstechnik, Fenster und Wärmedämmung) vor, kann von einer wesentlichen Verbesserung ausgegangen werden (IDW, a.a.O., Tz. 14).

     

    3.3 Abschreibung

    Wird das Gebäude typisiert (gem. § 7 Abs. 4 S. 1 oder § 7 Abs. 5 EStG) abgeschrieben, ist der bisherige Prozentsatz weiter anzuwenden. Die Bemessungsgrundlage für die Abschreibungen bemisst sich nach der bisherigen Bemessungsgrundlage zuzüglich der nachträglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten (H 7.3 „Nachträgliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten“ EStH). Aus Vereinfachungsgründen kann die Berechnung der AfA im Jahr der Entstehung der nachträglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten so vorgenommen werden, als wären diese zu Beginn des Jahres aufgewendet worden (R 7.4 Abs. 9 S. 3 EStG).

     

    PRAXISHINWEIS | Hierdurch tritt eine Verlängerung der gesamten Abschreibungsdauer über die typisierten Zeiträume des § 7 Abs. 4 S. 1 EStG hinaus ein. Ist die tatsächliche Nutzungsdauer kürzer, kann der Steuerpflichtige zur AfA nach § 7 Abs. 4 S. 2 EStG übergehen, d.h., es erfolgt eine Verteilung des um die nachträglichen Herstellungskosten erhöhten Restwerts auf die tatsächliche Restnutzungsdauer (Kulosa in Schmidt, EStG, 32. Aufl., § 7, Rz. 85).

     

     

    Sofern das Gebäude auf Basis einer abweichenden Nutzungsdauer abgeschrieben wird (§ 7 Abs. 4 S. 2 EStG), sind die nachträglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten dem Buchwert hinzuzurechnen (H 7.3 „Nachträgliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten“ EStH). Die Restnutzungsdauer ist neu zu schätzen, wobei es jedoch aus Vereinfachungsgründen nicht beanstandet wird, wenn die weitere AfA nach dem bisher angewandten Prozentsatz bemessen werden (R 7.4 Abs. 9 S. 2 EStR).

    4. Anschaffungsnahe Herstellungskosten

    Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG sind Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen als anschaffungsnahe Herstellungskosten zu klassifizieren, wenn sie

    • innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung des Gebäudes durchgeführt werden und
    • die Aufwendungen (ohne Umsatzsteuer) 15 % der Anschaffungskosten des Gebäudes übersteigen.

     

    Gesetzlich unmittelbar ausgeschlossen sind Aufwendungen für Erweiterungen i.S. des HGB sowie Aufwendungen für Erhaltungsarbeiten, die jährlich üblicherweise anfallen. Nach Auffassung der Verwaltung sind hiervon Aufwendungen zur Beseitigung der Funktionsuntüchtigkeit oder zur Hebung des Standards nicht berührt und daher in die Prüfung der 15 %-Grenze einzubeziehen (OFD Rheinland 6.7.10, S 2211 - 1001 - St 232).

     

    Hinweis | Darüber hinaus sind Aufwendungen - unabhängig davon, ob sie auf jährlich üblicherweise anfallenden Erhaltungsarbeiten beruhen - nicht als Erhaltungsaufwand sofort abzugsfähig, wenn sie im Rahmen einer umfassenden Instandsetzung und Modernisierung anfallen (BFH 25.8.09, IX R 20/08).

     

    Ferner ist zu beachten, dass bei der 15 %-Grenze grundsätzlich auf das gesamte Gebäude abzustellen ist, d.h. nicht auf die einzelnen Gebäudeteile (SenFin Berlin 20.11.12, III B S 2211 - 2/2005; a.A. Kulosa, a.a.O., § 6, Rz. 382, wonach es nach den allgemeinen Regeln auf das jeweilige Wirtschaftsgut ankommt).

     

    4.1 Beseitigung versteckter Mängel

    Kompliziert wird die Prüfung, ob anschaffungsnaher Herstellungsaufwand vorliegt, bei der Beseitigung von versteckten Mängeln. So entschied das FG Düsseldorf (22.11.12, 16 K 3136/12 F, Rev. BFH IX R 5/13), dass durch die teilweise Rückzahlung des Kaufpreises für nachträglich festgestellte Gebäudeschäden eine Minderung der Anschaffungskosten vorliegt. Zu einem anderen Ergebnis würde man nur dann kommen, wenn es sich bei der Zahlung um einen, losgelöst von dem Kauf und der Eigentumsübertragung entstandenen Schadenersatzanspruch des Käufers handeln würde. Darüber hinaus sind bei der Ermittlung der Höhe der Erhaltungsaufwendungen auch die Maßnahmen zur Beseitigung versteckter Mängel einzubeziehen (so auch R 6.4 Abs. 1 S. 1 EStR).

     

    PRAXISHINWEIS | Aufwendungen zur Beseitigung von Schäden, die erst nach dem Erwerb entstanden sind, dürften nach dem Sinn und Zweck der Regelung aber nicht erfasst werden, sondern sofort abziehbar sein (Kulosa, a.a.O., § 6, Rz. 382).

     

    4.2 Auseinanderfallen der Handels- und Steuerbilanz

    Steuerlich können Aufwendungen, die als anschaffungsnahe Herstellungskosten zu beurteilen sind, nicht unmittelbar als Betriebsausgaben geltend gemacht werden. Die Aufwendungen wirken sich lediglich zeitverzögert über die höhere Gebäude-AfA gewinnmindernd aus.

     

    Handelsrechtlich verbietet es die in § 255 Abs. 2 S. 1 HGB vorgenommene Bestimmung der Herstellungskosten, anschaffungsnahe Aufwendungen 
allein wegen ihrer Höhe oder ihrer zeitlichen Nähe zur Anschaffung als Herstellungskosten zu behandeln (Grottel/Pastor, Beck‘scher Bilanz-Kommentar, 8. Aufl., § 255 HGB, Rz. 388). Da die Regelung zu den anschaffungsnahen Herstellungskosten von § 255 Abs. 2 HGB abweicht, kommt es hier also grundsätzlich zu einem Auseinanderfallen von Handels- und Steuerbilanz (Kulosa, a.a.O., § 6, Rz. 381) und somit zur Bildung von aktiven latenten Steuern.

     

    PRAXISHINWEIS | Gegebenenfalls kann es sinnvoll sein, die Renovierungsmaßnahmen erst nach dem Ablauf der Dreijahresfrist durchzuführen, um so den sofortigen Betriebsausgabenabzug nicht zu gefährden und ein Auseinanderfallen der Handels- und Steuerbilanz zu vermeiden. In diesem Zusammenhang stellt die OFD Rheinland (a.a.O.) klar, dass sämtliche Baumaßnahmen in den Dreijahreszeitraum einzubeziehen sind, die innerhalb dieses Zeitraums ausgeführt wurden. Die Baumaßnahmen müssen zum Ende des Dreijahreszeitraums weder abgeschlossen, abgerechnet noch bezahlt werden.

     

    5. Erhaltungsaufwendungen

    Fallen die Baumaßnahmen in keine der vorgestellten Kategorien, handelt es sich um sofort abzugsfähige Aufwendungen. Gegen eine Annahme als Erhaltungsaufwand spricht dabei nicht, dass die Maßnahmen zu einer Werterhöhung des Gebäudes geführt haben. Auch eine bereits erfolgte vollständige Abschreibung des Gebäudes steht einer solchen Klassifizierung nicht entgegen (vgl. Grottel/Pastor, a.a.O., § 255 HGB, Rz. 390).

     

    § 82b EStDV erlaubt bei größeren Instandhaltungsmaßnahmen auf Antrag 
eine Verteilung auf zwei bis fünf Jahre, was zur längerfristigen Progressionsminderung sinnvoll sein kann. Diese Verteilungsmöglichkeit ist jedoch nur bei Gebäuden im Privatvermögen, die überwiegend Wohnzwecken dienen, möglich. Bei Gebäuden im Betriebsvermögen ist eine solche Verteilung nicht vorgesehen.

     

    MERKE | Auch wenn verschiedene Arbeiten an einem Gebäude in einem engen räumlichen, zeitlichen oder sachlichen Zusammenhang stehen, ist grundsätzlich getrennt zu prüfen, ob Herstellungs- oder Erhaltungsaufwendungen vorliegen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Maßnahmen in der Weise in einem sachlichen Zusammenhang stehen, dass sie bautechnisch ineinander greifen, d.h., dass die eine Baumaßnahme durch die andere bedingt ist (BFH 9.5.95, IX R 116/92; Grottel/Pastor, a.a.O., § 255 HGB, Rz. 392).

    Quelle: Ausgabe 01 / 2014 | Seite 26 | ID 42386450