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  • · Fachbeitrag · Branchenspezifische Betriebsprüfung

    Eisdielen - Elektronische Kassensysteme im Gaststättengewerbe unter Beschuss

    von RA Wahed T. Barekzai, Köln

    | Neben Pizzerien und Imbissen - Unternehmen mit hohem Bargeldaufkommen bei hoher Kundenfrequenz - stehen seit einiger Zeit verstärkt Eisdielen im Fokus der Betriebsprüfer. Ziel der Prüfer ist es, die vermeintlichen Schwarzgeldeinnahmen aufzuspüren. Besonderes Augenmerk richtet sich dabei auf die eingesetzten Kassensysteme. |

     

    Anlass für das Misstrauen der Finanzverwaltung sind die angeblichen, in den letzten Jahren gehäuft festgestellten Manipulationen an elektronischen Kassensystemen. Nachdem die OECD in einem Bericht aus dem Jahr 2013 auf die angeblichen, aus diesen Kassensystemen herrührenden Gefahren hingewiesen hatte („Umsatzverkürzung mittels elektronischer Kassensysteme: Eine Bedrohung für die Steuereinnahmen“, OECD, 2013), sagte der Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen am 3.4.14 „dem Steuerbetrug an manipulierten Registrierkassen“ den Kampf an.

     

    Aber nicht nur Nordrhein-Westfalen wird tätig. Die Manipulation von Kassensystemen beschäftigt bereits die oberen Instanzen unserer Rechtsprechung. Die aktuellste höchstrichterlich strafrechtliche Entscheidung zur Steuerhinterziehung mittels Manipulation der Kassensoftware datiert vom 29.1.14 (BGH-Beschluss, 1 StR 561/13).

    1. Ausgangslage

    Nach herrschender Meinung muss ein Steuerpflichtiger, der aufgrund handels- oder steuerrechtlicher Vorschriften verpflichtet ist, Bücher zu führen, in seinen Aufzeichnungen auch jeden Geschäftsvorfall (einzeln) erfassen (§ 238 Abs. 1 HGB; § 145 Abs. 1 S. 2 AO). Umstritten war jedoch seit jeher die „Tiefe“, also die Detailgenauigkeit, der Aufzeichnung.

     

    Insbesondere seit für die Finanzverwaltung die Möglichkeit besteht, auf die digitalen Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen zuzugreifen, ist dieser Streitpunkt in den Vordergrund getreten: Die Finanzverwaltung besteht auf den Zugriff der unverdichteten Daten. Betraf dieser Streit bisher jedoch eher „größere“ Steuerpflichtige, die sich die Investition in entsprechend moderne Warenwirtschafts- bzw. Kassensysteme leisten konnten, so hat die technische Entwicklung der letzten Jahre solche vernetzten Systeme auch für kleinere Unternehmer erschwinglich gemacht. Im „Coffeeshop um die Ecke“ ersetzen neuerdings kleine Tablets die herkömmliche Registrierkasse.

     

    Eisdielen leben jedoch vom Massengeschäft: An Sonnentagen verkaufen Geschäfte in Innenstadtlagen hunderte Kugeln Eis in hunderten Einzelverkäufen per Barverkauf über die Theke. Aus Gründen der Zumutbarkeit und Praktikabilität ist es Einzelhändlern mit einer Vielzahl von Verkaufsvorgängen mit geringem Wert gestattet, von der Pflicht zur Einzelaufzeichnung abzuweichen. Dennoch muss die Einnahmeermittlung - z.B. bei Einsatz von Registrierkassen durch Erstellung und Aufbewahrung der Kassenendsummenbons - nachvollziehbar dokumentiert und überprüfbar sein (BFH 7.2.08, X B 189/07 (NV)).

    2. Problemlage/Brennpunkte der Betriebsprüfung

    Die Hinterziehung von Umsätzen in Betrieben mit hohem Bargeldaufkommen ist nicht neu. Die bisherigen Hinterziehungsvarianten beschränkten sich auf das schlichte „Nicht-Verbuchen“ des Umsatzes oder das Verbuchen eines geringeren Umsatzes. Mit dem Aufkommen von elektronischen Registrierkassen wurde auch vermehrt der sogenannte „Trainingsspeicher“ benutzt, der das Ausdrucken eines Bons (zwecks Vorlage und Abrechnung beim Kunden) ermöglicht, dessen Buchungen jedoch nicht am Ende eines Tages auf dem Endsummenbon (Z-Bon/Z-Abschlag) erscheinen.

     

    Mit dem Fortschritt der EDV haben sich auch die Eingriffsmöglichkeiten in die Kassensysteme verfeinert. Bei den meisten der heutzutage verwendeten Kassensystemen handelt es sich faktisch um moderne Computer in der äußeren Gestalt einer herkömmlichen Kasse. Wie bei jedem anderen Computer ermöglichen entsprechende Programmierungen tiefe Eingriffe in die Funktionsweise der Kasse.

     

    Diese Eingriffsmöglichkeiten können von vornherein in der Programmierung angelegt sein (sogenannte Phantomware) oder sie werden durch das Aufspielen entsprechender Software - sogenannte Zapper - ermöglicht. Beide Softwarevarianten ermöglichen das Unterdrücken von Umsätzen/Buchungen.

     

    HINWEIS | Zapper ist ein Begriff für Software, deren Aufgabe die nachträgliche Veränderung von in Registrierkassen, Taxametern und Geldspielautomaten gespeicherten Transaktions- und Umsatzdaten ist. Zapper sind Add-ons, die nicht in das Betriebssystem eingebettet sind und leicht aus dem System entfernt werden können. Das Programm ist i.d.R. auf einem USB-Stick gespeichert und kann jederzeit in Einsatz gebracht werden. Über eine Maske kann eingegeben werden, um wie viel Prozent der Umsatz der letzten Abrechnungsperioden reduziert werden soll. Egal ob 10, 20 oder 30 %, der Zapper vernichtet die Originaldaten und programmiert die komplette Datenbank automatisch neu.

     

    Im Bereich der Eisdielen nennen sich diese Zapper-Programme dann z.B. „GelatoTools“, „MinimEis“, „OptiEis“ oder „UnregEis“

     

    Die Programme ermöglichen die Veränderung und das Löschen einzelner Buchungen oder bestimmter Buchungsgruppen. Zugleich beseitigt das Programm die Spuren dieser Manipulationen in den Protokolldateien (Log file) der Kasse und passt die Datenbestände den vorgenommenen Veränderungen an, einschließlich der fortlaufenden Nummerierungen.

     

    Da die Finanzverwaltung die Verwendung von Software, welche den gesamten Datenbestand abändert, schwer nachprüfen kann, gewinnt neben mathematischen Prüfprogrammen die Analyse der betriebswirtschaftlichen Daten (Cashflow, Ermittlung des Rohgewinns, Zeitreihenvergleiche) verstärkte Bedeutung. „Parallel“ werden Prüfer in entsprechenden Verdachtsfällen Erkundigungen bei den Lieferanten (Milch, Zucker, Fruktose, Hörnchen, Becher etc.) bzw. eigene verdeckte Ermittlungen anstellen.

    3. Verteidigungsstrategien

    Die Verteidigungsstrategie, die gegen die Vorwürfe der Betriebsprüfung/Steuerfahndung verfolgt wird, wird sich am konkreten Einzelfall orientieren. Kann sich die Betriebsprüfung /Steuerfahndung nur auf das Auffinden von Manipulationssoftware oder eine nicht ordnungsgemäße Kassensoftware stützen, so stellt sich die Verteidigung noch relativ „leicht“ dar. Die Finanzverwaltung steht nämlich in der Beweislast dafür, dass die aufgefundene Software tatsächlich manipulativ verwendet worden ist. Allein aus dem Auffinden einer solchen Software kann nämlich nicht auf deren tatsächliche Verwendung geschlossen werden.

     

    Anspruchsvoller sind die Fälle, in denen die Finanzverwaltung weitere Unstimmigkeiten in der Buchführung moniert, z.B. unklarer Wareneinsatz, ungeklärte Bareinzahlungen auf Privat- oder Geschäftskonten, Auffinden von Quittungen für die sich keine Kassenbuchung finden lässt etc.

     

    Um entsprechenden Prüfansätzen der Betriebsprüfung einen Riegel vorzuschieben, sollten die Steuerpflichtigen tunlichst vermeiden, durch selbst herbeigeführte „Unregelmäßigkeiten“ ein Einfallstor für solche Prüf- und Schätzmethoden zu bieten. Hinsichtlich der Kassenführung sollten die Steuer-pflichtigen die einschlägigen Aufbewahrungspflichten beachten, insbesondere hinsichtlich der Tagesendsummenbons (Z-Bons).

     

    Daneben sollten die Preislisten und die Bedienungsanleitungen für die Kassensysteme aufbewahrt werden. Immer wieder führt ein Fehlen dieser Unterlagen zu Beanstandungen und wird durch die Betriebsprüfer als Rechtfertigung für entsprechende Kalkulationen und Schätzungen herangezogen.

     

    Ergeben sich trotz aller Sorgfalt Anhaltspunkte für Schätzungen bzw. glaubt der Prüfer solche erkannt zu haben, so bleibt dem Steuerpflichtigen immer noch die Möglichkeit des Angriffs auf die Schätzung bzw. Nachkalkulation des Prüfers.

     

    Die Erfahrung zeigt, dass keine Schätzung(sberechnung) eines Betriebsprüfers unangreifbar ist, da den Prüfern oftmals die Zeit und die Ressourcen fehlen, die vorhandene Faktenlage umfassend auszuwerten. Bei entsprechender Aufarbeitung der Fakten (und ggf. der Beibringung noch nicht bekannter Umstände/Fakten) können Steuerberater und Mandant die Schätzung(sberechnung) der Prüfer in Bedrängnis bringen.

     

    Zum Autor | RA Wahed T. Barekzai, Köln, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Steuerstrafverteidiger, Sprecher des Ausschusses Steuerrecht im Kölner AnwaltVerein, www.korts.de

    Quelle: Ausgabe 05 / 2014 | Seite 115 | ID 42674207