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  • · Fachbeitrag · Buchführung

    Neue GoBD sind am 1.1.15 in Kraft getreten -Teil 2: Die Verfahrensdokumentation

    von Dipl.-Informatiker Gerhard Schmidt, Berlin

    | Wie ein roter Faden zieht sich der Begriff Verfahrensdokumentation durch die neuen GoBD. Eine ganze Seite des BMF-Schreibens widmet sich speziell diesem Thema. Die Eindringlichkeit im Text suggeriert, dass mit der Verfahrensdokumentation eine verschärfte Anforderung an die Unternehmen gestellt wird. Diese Entschlossenheit der Finanzverwaltung erfordert von den Unternehmen und deren steuerlichen Beratern eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema. Es gibt dringenden Handlungsbedarf. |

    1. Der rote Faden

    Werfen wir zunächst einen Blick auf die Stellen (mit Angabe der Randziffern) der GoBD (BMF 14.11.14, IV A 4 - S 0316/13/10003, Abruf-Nr. 143316), in denen auf die Verfahrensdokumentation verwiesen wird.

     

    • Hinweise im BMF-Schreiben auf Verfahrensdokumentation
    • Rn. 34: Die Nachprüfbarkeit der Bücher und sonst erforderlichen Aufzeichnungen erfordert eine aussagekräftige und vollständige Verfahrensdokumentation, die sowohl die aktuellen als auch die historischen Verfahrensinhalte für die Dauer der Aufbewahrungsfrist nachweist und den in der Praxis eingesetzten Versionen des DV-Systems entspricht.
    • Rn. 35: Die Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit muss für die Dauer der Aufbewahrungsfrist gegeben sein. Dies gilt auch für die zum Verständnis der Buchführung oder Aufzeichnungen erforderliche Verfahrensdokumentation.
    • Rn. 66: Aus der Verfahrensdokumentation muss ersichtlich sein, wie die elektronischen Belege erfasst, empfangen, verarbeitet, ausgegeben und aufbewahrt werden.
    • Rn. 101: Im Rahmen eines funktionsfähigen IKS muss auch anlassbezogen (z.B. Systemwechsel) geprüft werden, ob das eingesetzte DV-System tatsächlich dem dokumentierten System entspricht (siehe Rz. 155 zu den Rechtsfolgen bei fehlender oder ungenügender Verfahrensdokumentation).
    • Rn. 102: Die Beschreibung des IKS ist Bestandteil der Verfahrensdokumentation.
    • Rn. 133: Im DV-System erzeugte Dokumente (z.B. als Textdokumente erstellte Ausgangsrechnungen, elektronisch abgeschlossene Verträge, Handels- und Geschäftsbriefe usw.) sind im Ursprungsformat aufzubewahren.
    • Rn. 136: Die konkrete Ausgestaltung dieser Verfahrensdokumentation ist abhängig von der Komplexität und Diversifikation der Geschäftstätigkeit und der Organisationsstruktur sowie des eingesetzten DV-Systems.
    • Rn. 145: Die Prüfbarkeit der formellen und sachlichen Richtigkeit bezieht sich sowohl auf einzelne Geschäftsvorfälle (Einzelprüfung) als auch auf die Prüfbarkeit des gesamten Verfahrens.
    • Rn. 160: Neben den Daten müssen insbesondere auch die Teile der Verfahrensdokumentation auf Verlangen zur Verfügung gestellt werden können, die einen vollständigen Systemüberblick ermöglichen und für das Verständnis des DV-Systems erforderlich sind.
     

    2. Warum Verfahrensdokumentation?

    So verwirrend vielfältig die Anforderungen an eine Verfahrensdokumentation erscheinen, so einfach und verständlich ist die Begründung für ihre Notwendigkeit: Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit.

     

    „Die betrieblichen Abläufe in den Unternehmen werden ganz oder teilweise unter Einsatz von Informations- und Kommunikations-Technik abgebildet.“Dies wird in den GoBD einleitend konstatiert. Diese ITK-gestützten Verfahren werden immer vielfältiger und mächtiger. Und damit immer weniger durchschaubar.

     

    Machen wir uns einmal bewusst, was der Übergang von der papierbasierten in die elektronische Geschäftswelt bedeutet: In der alten analogen Welt kommen die Papierbelege per Post ins Unternehmen. Es gibt nur wenige Ordnungsmittel für Geschäftsunterlagen: Ordner in Regalen! Das Ablagesystem ist in zwei Sätzen erklärt.

     

     

    Ganz anders die elektronische Geschäftswelt. Sie ist viel komplexer. Die Kanäle, über die Geschäftsdokumente ausgetauscht werden, sind vielfältig (klassische Briefpost, E-Mail, Portale, soziale Netzwerke, …). Per E-Mail empfangene Dokumente beispielsweise werden aufbewahrt im E-Mail-System (im einfachsten Fall), in einem E-Mail-Archiv (besser) oder zusammen mit allen anderen Unternehmensdokumenten in einem Dokumentenmanagementsystem oder elektronischen Archiv (noch besser). Diese sowie die weiteren technischen Systeme im Unternehmen (Faktura, Warenwirtschaft, Buchführung, ERP, …) können sehr unterschiedliche Funktionstiefen haben, sodass aufgrund dieses riesigen technischen Variantenreichtums schon bei kleinsten Unternehmen gravierend unterschiedliche IT-gestützte Geschäftsprozesse möglich sind.

     

     

    Es ist also verständlich, dass sich die GoBD auf diese Vielfalt einlassen und hier Orientierung geben wollen. Denn die elektronischen Geschäftsprozesse folgen in vielen Fällen eben noch nicht einer über viele Jahre etablierten und bewährten Logik und sind daher nicht ohne Weiteres nachvollziehbar. Daraus leitet sich dann die Forderung ab, die eingesetzten Verfahren zum (besseren) Verständnis zu dokumentieren.

     

    Fehlt eine Dokumentation, so kann bei einem laufenden System vielleicht noch versucht werden, zu ergründen, was darin mit den Unternehmensdaten passiert. Bei einem System, das vor Jahren migriert und anschließend abgeschaltet wurde, ist dies gänzlich unmöglich. Daraus ergibt sich dann in den GoBD (Rz. 154) die Forderung: „Die Verfahrensdokumentation ist bei Änderungen zu versionieren und eine nachvollziehbare Änderungshistorie vorzuhalten.“

    3. Kaum ein Unternehmen hat eine Verfahrensdokumentation

    Die Gründe für die Notwendigkeit einer Verfahrensdokumentation sind leicht nachzuvollziehen. Seit fast 20 Jahren wird sie deshalb von den GoBS auch gefordert. Doch warum hat fast kein Unternehmen eine?

     

    Weil das Thema schwierig zu greifen ist und die Finanzverwaltung hier deshalb noch nie richtig durchgegriffen hat. Sie müsste nämlich im Einzelfall definieren, was genau in der Verfahrensdokumentation hätte stehen sollen, welche Informationen gefehlt haben. Und so ist es nicht verwunderlich, dass das Thema Verfahrensdokumentation noch nie vor einem Finanzgericht landete.

    4. Ein schwieriges Thema

    Warum das Thema schwierig zu greifen ist und daher in der Vergangenheit links liegen gelassen wurde, dafür gibt es eine Reihe von Gründen.

     

    4.1 Wer ist der Leser?

    Das weiß der verantwortliche Verfasser im Unternehmen nur vage. Die GoBD sagen: „Die Verfahrensdokumentation muss verständlich und damit für einen sachverständigen Dritten in angemessener Zeit nachprüfbar sein.“ Doch wer ist der sachverständige Dritte? Ist es „nur“ der Außenprüfer vor Ort oder vielleicht auch ein IT-Spezialist im Finanzamt? Wer keine klare Vorstellung von seinem Leser hat, tut sich beim Formulieren schwer.

     

    4.2 War es wirklich so?

    Ob die IT-gestützten Geschäftsprozesse vor Jahren so waren, wie es die Verfahrensdokumentation beschreibt oder ob sie kräftig geschönt dargestellt sind, welcher Finanzbeamte will das beurteilen können? Auch wenn die GoBD (Rz. 154) fordern: „Für den Zeitraum der Aufbewahrungsfrist muss gewährleistet und nachgewiesen sein, dass das in der Dokumentation beschriebene Verfahren dem in der Praxis eingesetzten Verfahren voll entspricht“. Mehr als ein frommer Wunsch kann das nicht sein.

     

    4.3 Wissen oder Vertrauen?

    Da der Leser nicht wissen kann, ob stimmt, was dasteht, vermittelt ihm eine Verfahrensdokumentation in den entscheidenden Punkten kein Wissen über das Unternehmen, sondern Vertrauen in das Unternehmen: „Wer sich für eine so ansprechend gestaltete Verfahrensdokumentation so viel Mühe gemacht hat, bei dem ist wohl alles in Ordnung.“ Für ein Unternehmen bedeutet dies im Umkehrschluss: Wer etwas zu verbergen hat, tut dies - sofern er keine eleganteren Möglichkeiten kennt - in einer aufgepeppten Verfahrensdokumentation.

     

    4.4 Wer ist für welche Teile der Verfahrendokumentation zuständig?

    Der Softwarehersteller, der Systemintegrator, die IT-Abteilung, die Steuerabteilung, das Rechnungswesen? Nur wenn alle ihren Dokumentationsbeitrag leisten, kann das Unternehmen ein stimmiges Gesamtdokument erstellen. Doch welcher Hersteller liefert mit seiner Software heute auch ein Stück Verfahrensdokumentation mit?

     

    4.5 Weder Standard noch „best practice“

    Eine für die Unternehmen sehr hilfreiche Muster- oder gar Standardgliederung, die über das gute Dutzend Strukturmerkmale aus den GoBD hinausgeht und die sich an die spezifischen Gegebenheiten anpassen ließe, gibt es bislang nicht. Dass noch kein Wirtschaftsverband sich hier engagiert hat, zeigt, wie wenig Bedeutung die Verfahrensdokumentation bisher hatte.

    5. Dokumentationspflicht und Dokumentationskultur

    Würde ein Unternehmen allen ihm heute auferlegten Dokumentationspflichten penibel nachkommen, käme es kaum noch zum Arbeiten. Ein gewichtiger Grund, weswegen Dokumentation immer hinten angestellt wird. Auf der anderen Seite weiß jeder im Prinzip, wie wichtig IT-Dokumentation ist. Doch bisher konnte sich - und das gilt für praktisch alle Bereiche, in denen Dokumentation notwendig und sinnvoll ist - noch keine Dokumentationskultur herausbilden, die die Dokumentationserfordernis und den Dokumentationsaufwand in Balance bringt.

     

    5.1 Gibt es Sanktionen?

    Welche Konsequenzen hat es für ein Unternehmen, wenn es eine mangelhafte oder gar keine Verfahrensdokumentation vorweisen kann? Das blieb bislang unklar. Und so ist die gelegentlich zu hörende drastische Formulierung „Solange wegen einer fehlenden Verfahrensdokumentation noch keiner im Knast war, werfen wir dafür kein Geld raus!r“ durchaus verständlich.

     

    5.2 Zweifel an der Wirtschaftlichkeit

    In der Tat: Wer in der Vergangenheit bezüglich einer Verfahrensdokumentation nach GoBS eine nüchterne Risiko- und Wirtschaftlichkeitsanalyse anstellte, musste zu dem Ergebnis kommen, dass das Risiko bei mangelhafter Verfahrensdokumentation sehr gering war und der Aufwand für die Erstellung in keinem gesunden Verhältnis dazu stand.

     

    Dieser Analyseansatz ist allerdings verkürzt. Jedes an wirtschaftlichem Erfolg orientierte Unternehmen sollte Risiko- und Qualitätsmanagement betreiben. Dazu müssen die Unternehmensprozesse auf jeder Ebene klar definiert sein. Ohne Dokumentation der Prozesse ist dies nicht möglich. Eine so aus Unternehmensinteresse erstellte Dokumentation deckt sich in relevanten Teilen mit der von den GoBD geforderten Dokumentation. Somit kann die Verfahrensdokumentation als Nebenprodukt des Risiko- und Qualitätsmanagements im Unternehmen gesehen werden. Und damit rechnet sich die Verfahrensdokumentation dann wieder. Und nicht außer Acht zu lassen ist: Das Risiko mangelhafter Dokumentation wird in nächster Zeit steigen.

    Quelle: Ausgabe 03 / 2015 | Seite 75 | ID 43208171

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